Am Ufer türmen sich Berge von toten, stinkenden Fischen. Säuberungstrupps in Schutzanzügen sind unterwegs. Seit Tagen herrscht Besorgnis und Unruhe am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder – und vielleicht bald an den Stränden des Ferien-Paradieses Usedom, warnt die «Bild».
«Es scheint, dass alles, was Luft aus dem Wasser atmet, gestorben ist», sagt Johannes Giebermann, Mitarbeiter des Landschaftspflegeamtes in Frankfurt an der Oder, zum Spiegel. «Nicht nur Fische in grossem Ausmass, sondern auch beispielsweise Muscheln und Schnecken.» Und das gerade jetzt – immerhin dauern die Sommerferien in Deutschland teilweise noch vier Wochen an. Badeferien an der Ostsee in vergiftetem Wasser kommen dann wahrscheinlich nicht mehr infrage.
Die Erkenntnislage über die Umweltkatastrophe fällt bisher spärlich aus. Seit Tagen diskutieren deutsche und polnische Medien über die Ursache, Minister halten eifrig Konferenzen ab, Wissenschaftler werten Wasserproben aus. Die genaue Ursache für ist bislang unklar.
Kommunikation scheiterte – nun wurden die Ersten entlassen
Nach bisherigen Erkenntnissen begann die Katastrophe in Polen. Bereits Ende Juli wurden dort die ersten toten Fische gesichtet, woraufhin Wasserproben entnommen wurden. Doch die Informationen wurden weder der polnischen Regierung noch den Behörden des Nachbarlandes Deutschland in der korrekten Meldekette weitergeleitet.
Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki (54) entliess daraufhin prompt die Leiter der Wasserbehörde und der Umweltbehörde. Er selbst habe erst am Mittwoch, dem 10. August 2022, von der Umweltkatastrophe erfahren. «Ich wurde auf jeden Fall zu spät informiert», sagte er in einem Bericht der «Tagesschau».
Auch in Deutschland herrscht laut dem «Spiegel» Unmut über die Kommunikation: «Tatsächlich wissen wir, dass diese Meldekette, die für solche Fälle vorgesehen ist, nicht funktioniert hat», sagte ein Sprecher des Umweltministeriums.
Polens Regierung fahndet nach Verursachern: 200'000 Franken Belohnung
«Wer wo was reingekippt hat, das ist die grosse Frage», bringt es Lars Dettmann, Geschäftsführer des Landesfischereiverbands Brandenburg/Berlin, auf den Punkt. Die Spekulationen bezüglich der Ursache decken ein weites Feld ab: von Quecksilber über erhöhten Salzgehalt bis hin zu einer polnischen Papierfabrik in der Stadt Olawa.
Auf Letztere sollen Bürger bereits im März dieses Jahres aufmerksam gemacht haben, berichtet die Warschauer Tageszeitung «Gazeta Wyborcza». Die Fabrik, die Toilettenpapier und andere Hygieneartikel produziert, soll giftiges Wasser direkt in den Fluss geleitet haben. Der Geschäftsführer habe die Vorwürfe zurückgewiesen, geändert habe sich nichts.
Bis die abschliessenden Untersuchungen des Oder-Wassers abgeschlossen sind, kann es laut Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel allerdings noch einige Tage dauern. Das sagte er am Montagmorgen im «rbb»-Inforadio. Die polnische Regierung hofft allerdings auf frühere Resultate und fahndet nach den Tätern: Mehr als 200'000 Franken setzt sie für Hinweise als Belohnung an.
20 Tonnen Fischkadaver
Als «schlichtweg eine Katastrophe» betitelte der stellvertretende Leiter des anliegenden Nationalparks «Unteres Obertal», Michael Tautenhahn, das massive Fischsterben gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Mit Baggern schaufeln Helfer aktuell Unmengen an Tierleichen aus dem Wasser. Laut der «Bild» waren es allein bei Schwedt im polnischen Krajnik Dolny 20 Tonnen. In der Nähe liegt das Stettiner Haff, Mündungslagune der Oder. Dort sollen laut der «moz» Ölsperren errichtet werden, um eine grössere Ausbreitung von Fischkadavern zu verhindern. (hei)