Kleinkindern werden Gliedmassen abgetrennt, Schwangeren in den Bauch gestochen, Männer enthauptet – Berichte aus der Demokratischen Republik Kongo lassen die Hölle auf Erden erahnen. Nach Einschätzung der katholischen Kirche wurden in den vergangenen acht Monaten mehr als 3380 Menschen getötet. 20 Dörfer wurden komplett zerstört, 42 Massengräber entdeckt.
Die Armee brachte den Aufständischen um
Ein Jahrzehnt nach dem grössten Krieg, den Afrika je gesehen hat, versinkt der Kongo erneut im Chaos. Der Auslöser: Stammesführer Kamuina Nsapu aus Kasai forderte die Regierungskräfte auf, die Region zu verlassen und den örtlichen Führern die Position zu überlassen. Die kongolesische Armee ermordete ihn kurzerhand.
IMAGE-ERROR (Image)Angestachelt wird der Konflikt, weil sich Präsident Joseph Kabila weigert, Neuwahlen anzusetzen und seine Position abzugeben. Seit August tobt in der Region Kasai deshalb ein Krieg zwischen Rebellengruppen und der kongolesischen Regierung.
Mehr Flüchtlinge als sonst wo
«Dass versagt wurde, Wahlen Ende 2016 zu organisieren, so wie es die Verfassung der DRK will, hat eine akute politische Krise geschaffen», schrieb der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan in einer Erklärung Mitte Juni. «Wir fühlen uns verpflichtet, Alarm zu schlagen, bevor es zu spät ist.»
Doch vom Blutbad im Kongo dringen nur wenig Informationen zur westlichen Welt vor – das könnte sich jedoch rasch ändern, sobald die ersten Menschen in Europa Zuflucht suchen. Denn die massiven Gewaltausbrüche sorgen für riesige Flüchtlingsströme: 1,3 Millionen Menschen flohen bereits vor Tod und Verderben – das sind mehr als sonst wo auf der Welt, schreibt das «Internal Displacement Monitoring Centre». Wer genug Geld besitzt, flieht bislang über die Grenze nach Angola, andere versuchen ihr Glück als Binnenflüchtlinge.
«Mindestens zwei schwangere Frauen wurden aufgeschnitten»
Die Gründe für eine Flucht sind offensichtlich: aussergerichtliche Hinrichtungen, die Tötung von Kindern, Rekrutierung von Kindersoldaten und sexuelle Gewalt sowie andere Grausamkeiten. «Mein Team sah ein Baby, das vier Stunden nach der Geburt von zwei Kugeln getroffen worden war», berichtet UN-Menschenrechtskommissar Seid Raad al-Hussein. «Die Mutter wurde auch verwundet, mindestens zwei schwangere Frauen wurden aufgeschnitten und ihre Föten verstümmelt.»
IMAGE-ERROR (inline_image_7298017698728210559)Der UN-Menschenrechtsrat will die Zustände in der kongolesischen Provinz untersuchen lassen und forderte Anfang Juni internationale Ermittlungen. Die kongolesischen Vertreter wollen dabei jedoch mitmischen: «Das wäre ja sonst so, als wären wir kein unabhängiges Land.»
Hält sich der Präsident an die Abmachung?
Es gibt jedoch eine Vereinbarung: Am 31. Dezember 2016 unterzeichnete der Präsident Kongos ein politisches Abkommen zur Durchführung der Wahlen vor Ende 2017. Ob diese stattfinden werden, ist trotzdem ungewiss: Die Konflikte nützen Kabila, die Opposition bezeichnet sie sogar als von der Regierung geplant. Denn: Solange Kriegszustand herrscht, kann nicht gewählt werden.
«Wir finanzieren ja keine Wahlen, wenn wir gleichzeitig vom Feind besetztes Land zurückgewinnen müssen», sagt der Präsident Joseph Kabila im Interview mit dem «Spiegel». Angesprochen auf die Wahlen dieses Jahr erwidert er: «Ich habe gar nichts versprochen!»
Das Land mit rund 70 Millionen Einwohnern hat nie zur Ruhe gefunden: Bis 1960 war die heutige Demokratische Republik Kongo eine belgische Kolonie. Nach der Unabhängigkeitserklärung fanden die bisher einzigen demokratischen Wahlen statt – ohne längerfristige Wirkung: Ministerpräsident Patrice Lumumba wird nach sieben Monaten im Amt ermordet.
Kurzfristige Stabilität
1965 putscht sich General Joseph Mobutu an die Macht. Er tauft das Land in Zaire um, zerschlägt Rebellengruppen und vereint die Nation. Doch die neu gewonnene Ruhe währt nicht lange: Von Macht und Wohlstand verführt, mutiert Mobutu zum brutalen Diktator. Den massiven Reichtum Kongos nutzt er, um seine Position beizubehalten. Während rund drei Jahrzehnten hält er die Tyrannei inne.
1997 stürzt Laurent Kabila den Machthaber Mobutu und erklärt sich zum Präsidenten der neuen Demokratischen Republik Kongo. Als Kabila vier Jahre später von seinem Leibwächter ermordet wird, übernimmt dessen Sohn Joseph Kabila die Herrschaft. Später wird er offiziell zum Präsidenten gewählt, 2011 zum zweiten Mal. Dann ignoriert Kabila jedoch die angesetzten Wahlen Ende 2016 – denn das wäre gleichzeitig sein Abtritt.
«Der afrikanische Weltkrieg»
Im Nachbarland Ruanda kommt es 1994 zum Genozid. Viele für den Massenmord Verantwortliche flüchteten 1994 in den Kongo – und wurden nie für das Blutbad belangt.
Zwischen 1996 und 2003 herrscht auch im Kongo Kriegszustand. Beim Konflikt mit Ruanda und Uganda eilen Simbabwe, Angola, Namibia, Tschad und Sudan dem Kongo zu Hilfe. Der Krieg geht in die Geschichte ein als «afrikanischer Weltkrieg»: 3,8 Millionen Menschen kommen ums Leben. Auslöser waren ethnische Machtkämpfe – aber auch ökonomische Faktoren
Obwohl der Krieg 2003 als beendet erklärt wurde: Der Staat erlangte nie mehr landesweite Stabilität.
Reich an Ressourcen
Trotz Korruption handeln bis heute zahlreiche globale Konzerne mit dem Kongo: Das Land ist extrem reich an natürlichen Ressourcen wie Diamanten, Kupfer, Kobalt, Gold und Edelhölzern. Steigender Nachfrage erfreut sich auch der Rohstoff Coltan, der Bestandteil von Handys, Laptops, Elektroautos und nahezu jedem anderen elektronischen Gerät ist.
Das Land mit rund 70 Millionen Einwohnern hat nie zur Ruhe gefunden: Bis 1960 war die heutige Demokratische Republik Kongo eine belgische Kolonie. Nach der Unabhängigkeitserklärung fanden die bisher einzigen demokratischen Wahlen statt – ohne längerfristige Wirkung: Ministerpräsident Patrice Lumumba wird nach sieben Monaten im Amt ermordet.
Kurzfristige Stabilität
1965 putscht sich General Joseph Mobutu an die Macht. Er tauft das Land in Zaire um, zerschlägt Rebellengruppen und vereint die Nation. Doch die neu gewonnene Ruhe währt nicht lange: Von Macht und Wohlstand verführt, mutiert Mobutu zum brutalen Diktator. Den massiven Reichtum Kongos nutzt er, um seine Position beizubehalten. Während rund drei Jahrzehnten hält er die Tyrannei inne.
1997 stürzt Laurent Kabila den Machthaber Mobutu und erklärt sich zum Präsidenten der neuen Demokratischen Republik Kongo. Als Kabila vier Jahre später von seinem Leibwächter ermordet wird, übernimmt dessen Sohn Joseph Kabila die Herrschaft. Später wird er offiziell zum Präsidenten gewählt, 2011 zum zweiten Mal. Dann ignoriert Kabila jedoch die angesetzten Wahlen Ende 2016 – denn das wäre gleichzeitig sein Abtritt.
«Der afrikanische Weltkrieg»
Im Nachbarland Ruanda kommt es 1994 zum Genozid. Viele für den Massenmord Verantwortliche flüchteten 1994 in den Kongo – und wurden nie für das Blutbad belangt.
Zwischen 1996 und 2003 herrscht auch im Kongo Kriegszustand. Beim Konflikt mit Ruanda und Uganda eilen Simbabwe, Angola, Namibia, Tschad und Sudan dem Kongo zu Hilfe. Der Krieg geht in die Geschichte ein als «afrikanischer Weltkrieg»: 3,8 Millionen Menschen kommen ums Leben. Auslöser waren ethnische Machtkämpfe – aber auch ökonomische Faktoren
Obwohl der Krieg 2003 als beendet erklärt wurde: Der Staat erlangte nie mehr landesweite Stabilität.
Reich an Ressourcen
Trotz Korruption handeln bis heute zahlreiche globale Konzerne mit dem Kongo: Das Land ist extrem reich an natürlichen Ressourcen wie Diamanten, Kupfer, Kobalt, Gold und Edelhölzern. Steigender Nachfrage erfreut sich auch der Rohstoff Coltan, der Bestandteil von Handys, Laptops, Elektroautos und nahezu jedem anderen elektronischen Gerät ist.