Darum gehts
Der deutsche Arzt Jürgen Reus nennt sich «Face Designer» und «Body Sculpturing Artist». Seine Dienstleistung: «Advanced Aesthetic Medicine». Seit bald zwei Jahren bietet er in einer repräsentativen Villa im Zürcher Seefeld Brustchirurgie, Gesichtsoperationen, Körperformungen und rekonstruktive Chirurgie an.
Auf dem glänzenden Messingschild am Eingang prangt die Abkürzung «Prof.», auf seiner Website schmückt der Begriff «Professor» sein Logo, und im Lebenslauf steht: «Vollzeit Professur Universität CH (auf Lebenszeit)». Zumindest bis der Beobachter zu recherchieren beginnt.
Polnische Privathochschule
Die Universität CH hat mit der Schweiz, der Confoederatio Helvetica, allerdings nichts zu tun. Das CH im Namen steht für Collegium Humanum. Dahinter verbirgt sich eine private Hochschule in Warschau, die seit mehreren Jahren im Ruf steht, akademische Titel gegen Geld verliehen zu haben.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Wegen mutmasslich illegalen Handels mit Diplomen kam es 2022 beim Collegium Humanum zu einer ersten Hausdurchsuchung durch Polens Antikorruptionsbehörde. Im März 2024 erfolgten mehrere Verhaftungen.
Unter den Festgenommenen befindet sich gemäss der Antikorruptionsbehörde eine Person, die im polnischen Akkreditierungsausschuss sitzt. Ihr wird vorgeworfen, gegen Geld «positive Entscheidungen» für das Collegium Humanum getroffen zu haben. Die private Universität nennt sich inzwischen Hochschule für Business und angewandte Wissenschaften «Varsovia».
Gegenüber dem Beobachter betont Jürgen Reus: «Ich bin rechtmässig zum Professor ernannt, kann aber die aktuellen Querelen nicht mit meinem guten Ruf vereinbaren. Deshalb führe ich den Titel nicht. Die Beschilderung werde ich auch noch anpassen.»
Titel gelöscht – oder doch nicht?
Auf Nachfrage betont er, den Professorentitel auf seiner Website gelöscht zu haben. Doch auch eine Woche später, bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe, ist der Begriff «Professor» nicht vollständig verschwunden.
Eine Habilitationsschrift, im deutschsprachigen Raum der klassische Weg zu einer Professur, hat Jürgen Reus eigenen Angaben zufolge nie vorgelegt. Der Schönheitschirurg sagt, er habe den Professorentitel für seine jahrelange Tätigkeit als Hochschullehrer erhalten.
Inwiefern Reus mit der Führung des Titels den Tatbestand der Titelanmassung gemäss dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erfüllt oder gegen das Medizinalberufegesetz verstösst, ist unklar. Grundsätzlich darf in der Schweiz ein ausländischer Professorentitel verwendet werden, sofern er von einer «gleichwertigen ausländischen Universität» verliehen wurde, wie die Ärztegesellschaft FMH festhält.
Kanton Zürich prüft
Aufgrund der Recherche des Beobachters bestätigt das Amt für Gesundheit des Kantons Zürich, dass es den Fall vertieft abkläre. «In den dem Amt vorliegenden Akten ist kein Professorentitel vermerkt», erklärt Sprecherin Isabelle van Beek.
Gemäss FMH ist die korrekte Titelführung Teil der standesrechtlichen Pflichten. Allfällige Verletzungen der Standesordnung können von den kantonalen Ärztegesellschaften in erster Instanz geprüft werden. Die Standeskommission der FMH ist darauf Beschwerdeinstanz.
Unklare Zuständigkeit bei der FMH
Ob und von welcher Ärztegesellschaft der Fall geprüft wird, ist nicht klar. Die Zürcher Ärztegesellschaft betont, Schönheitschirurg Jürgen Reus sei nicht in Zürich Mitglied. Im Online-Ärzteverzeichnis der FMH ist Reus zwar registriert, allerdings ohne Angabe einer kantonalen Ärztegesellschaft. In welchem Kanton der Schönheitschirurg FMH-Mitglied ist, will die FMH nicht bekanntgeben.
Gemäss dem Register für Medizinalberufe des Bundesamts für Gesundheit erhielt Jürgen Reus 1994 in Deutschland das Arztdiplom und 2005 den Facharzttitel in plastischer, rekonstruktiver und ästhetischer Chirurgie. Vom Kanton Zürich bekam er 2023 eine Berufsausübungsbewilligung.