Trumps neue Handelsordnung
Ist die Globalisierung wirklich am Ende?

Donald Trumps zweite Präsidentschaft markiert einen Wendepunkt im Welthandel. Die Ära der Globalisierung, die Wohlstand und Frieden versprach, weicht einer neuen Realität. Wie kam es zu diesem Wandel und hat der Freihandel noch eine Zukunft?
Publiziert: 22.07.2025 um 17:34 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2025 um 18:10 Uhr
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Sinnbild für Globalisierung und Welthandel: Containerhafen im chinesischen Shanghai
Foto: Keystone

Darum gehts

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Markus Diem Meier
Handelszeitung

In seiner zweiten Präsidentschaft hat Donald Trump (79) einen einmaligen Handelskrieg vom Zaun gebrochen. Sein Vorgehen steht in krassem Gegensatz zur Sichtweise bezüglich Welthandel, wie sie seit den 1990er-Jahren bis etwa zum Ende des ersten Jahrzehnts der 2000er vorherrschte. Das war die grosse Zeit der Globalisierung: Sie versprach nicht nur mehr Wohlstand, sondern auch ein Zusammenrücken der Länder und damit ein Ende von Kriegen. Davon ist heute keine Rede mehr. Wie kam es zu diesem gewaltigen Wandel? Was waren die alten Hoffnungen – und was hat sie enttäuscht? Hat der Freihandel noch eine Zukunft?

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Erfolgsgeschichte Freihandel

Gemäss ökonomischen Lehrbüchern gibt es eine Reihe von Gründen, weshalb der Freihandel den Wohlstand aller Länder erhöht. Die bekannteste und einfachste Theorie stammt aus dem Jahr 1817, vom englischen Ökonomen David Ricardo. Sie besagt im Kern, dass es allen Ländern besser ergeht, wenn sie sich in der Produktion auf jene Güter konzentrieren, bei denen ihre Kernkompetenzen liegen. Die übrigen Güter werden durch Handel von Ländern mit anderen Kernkompetenzen erworben.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Dank eines weltweiten Marktes und Skaleneffekten schafft Freihandel zudem erst die Voraussetzung für sonst unerschwingliche Produkte, weil deren Herstellung sich für einen beschränkten Markt gar nicht lohnen würde. Freihandel erweitert damit die Produktauswahl schier unendlich und macht Produkte gleichzeitig günstiger. Unser modernes Leben wäre daher ohne Freihandel nicht mehr denkbar. Alle Länder, vor allem aber ärmere, haben massiv von offenen Märkten profitiert, und viele Staaten konnten so der schlimmsten Armut entkommen.

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Politische Nebenwirkungen des Freihandels

Philosophen der Aufklärung wie Montesquieu in Frankreich sahen im Freihandel vor allem politische Vorteile. Er prägte den Ausdruck «douce commerce»: Demnach macht Handel Menschen und Staaten friedfertiger, nicht zuletzt weil sie so gemeinsame Interessen pflegen. Historische Entwicklungen – wie der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bei dem dann enge Handelspartner Krieg führten – sprechen aber gegen diese These.

Ein entscheidendes Problem der Globalisierung verdeutlichte der türkischstämmige Ökonom Dani Rodrik mit einem Trilemma. Länder können nur zwei der folgenden drei Zielsetzungen vollständig erreichen: vollkommenen Freihandel (Rodrik sprach von Hyperglobalisierung), nationale Selbstbestimmung und Demokratie. Wenn sie sich für die Hyperglobalisierung entscheiden, verunmöglichen notwendige gemeinsame Regeln eine uneingeschränkte nationale Selbstbestimmung. Eine demokratische Mitbestimmung ist dann nur auf der supranationalen Ebene möglich. Ein Beispiel dafür ist die EU.

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Die Entwicklung vom Gatt zur WTO

Konflikte im Freihandel erfordern einen Mechanismus für die Konfliktlösung, etwa wenn sich Länder mit Zöllen oder Importbeschränkungen Vorteile verschaffen wollen. Noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollten die späteren Siegermächte dafür eine weltweite Handelsorganisation gründen, was damals aber scheiterte. Was dagegen entstand, war das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) mit dem Ziel, Zölle und Einfuhrbeschränkungen abzubauen.

Erst 1995, im Zuge der damaligen Globalisierungseuphorie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wurde die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet, die wie das Gatt zuvor ihren Sitz in Genf hat. Die WTO setzte sich aber weit ambitioniertere Ziele, als nur Zölle abzubauen. Doch während unter dem Gatt acht globale Handelsrunden erfolgreich abgeschlossen worden waren, gelang unter der WTO keine einzige. Dabei verfügt die WTO – beziehungsweise deren oberstes Schiedsgericht – über viel mehr Entscheidungsgewalt in der Regelung von Handelsstreitigkeiten als vor ihr das Gatt.

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Trumps Absage an die Handelsordnung

In der Glanzzeit der Globalisierung war ein ungehinderter Weltmarkt weltweit ein Kernziel der Wirtschaftspolitik: Er war wichtiger als regionale Anliegen, demokratische Selbstbestimmung oder die Ängste all jener, die durch den internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen gerieten. Das befeuerte bereits in den 1990er- und 2000er-Jahren im linken Lager eine Antiglobalisierungsbewegung.

Ein Kippmoment war im Dezember 2001 die Aufnahme von China in die WTO. Die Grossmacht im Osten übertölpelte das WTO-System sozusagen. China behinderte Importe und westliche Konkurrenz, förderte aber Exporte und manipulierte dazu die Währung. Das Ergebnis waren explodierende Aussenhandelsüberschüsse, besonders gegenüber den USA. Die Folge dort war ein verschärfter Niedergang von Industriejobs – die bereits durch den technischen Fortschritt unter Druck standen. Die Globalisierung verlor ihren Glanz. Das verhalf Donald Trump, der von Beginn weg von einem unfairen System sprach, schon 2016 zum Wahlsieg.

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Die neue Welthandelsordnung

Die Glanzzeit der Globalisierung in den 1990er-Jahren mit der WTO als zentraler Institution war untrennbar verknüpft mit der unangefochtenen Dominanz der USA. Die Welt schien flach geworden zu sein.

Mit dem Aufstieg von China und einer erneuten Zersplitterung in Blöcke ging diese Grundlage verloren. Weit vor Trumps erster Wahl ersetzten regionale und bilaterale Handelsabkommen das auf der WTO basierende Weltsystem zunehmend. Hinzu kommt, dass sich die Regeln der WTO als ungeeignet erwiesen, um mit einem staatlich gelenkten Wirtschaftssystem wie jenem von China umzugehen. Es ist schwierig, Subventionen nachzuweisen, wenn der Staat das ganze Finanzierungssystem kontrolliert. Das führte mit dazu, dass die USA unter Trump die Organisation faktisch lahmlegten, indem sie die Nachwahlen für das oberste Streitschlichtungsgremium seit 2019 blockieren. Daran hielt auch Trumps Nachfolger Joe Biden fest. Die Globalisierung hat kaum mehr Freunde.

Fazit

Die Zeit der Globalisierung als wirtschaftspolitisches Ideal ist Geschichte, nicht aber der internationale Handel. Die Summe aller Exporte und Importe liegt noch immer bei rund 60 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Künftig dürften bilaterale und regionale Abkommen eine noch grössere Bedeutung erhalten.

Verglichen mit einem internationalen System wie der WTO gehen damit aber nicht nur Effizienzvorteile verloren, mächtige Länder und Blöcke können die Regeln zudem immer mehr in ihrem Sinn diktieren, was zulasten kleiner, offener Volkswirtschaften wie der Schweiz geht.

Auch mit Handelskonflikten ist in dieser neuen Unordnung verstärkt zu rechnen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn künftige Generationen mit Neid auf die Globalisierung der 1990er-Jahre zurückblickten. Trotz all ihrer Mängel reduzierte sie nicht nur die Armut in vielen Ländern massiv, sie war auch sonst ein weit besseres System als das, was uns heute droht.

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