Darum gehts
Von der Helvetia-Grossaktionärin Patria hört man meist nur, wenn eine Kapitaltransaktion ansteht. Als es zum Bruch mit Vontobel kam, kaufte die Patria der Bank deren 4-Prozent-Beteiligung am Versicherer ab. Und vor Kurzem stand die Genossenschaft, die 34 Prozent der Helvetia-Aktien kontrolliert, wieder bereit, um dem Fonds Cevian seine 9-Prozent-Beteiligung an der Baloise abzukaufen – und so den Weg zur Fusion der beiden Versicherer frei zu machen.
Dabei geht es um grosse Beträge. Gemessen an der Bewertung der Baloise kostete der Cevian-Anteil rund 800 Millionen Franken. Wie viel genau gezahlt wurde, ist nicht bekannt. Überhaupt verhält sich die Genossenschaft sehr klandestin. Nicht einmal die eigenen Mitglieder erhalten einen Geschäftsbericht ausgehändigt. Nur die fünfzig Delegierten haben Einblick in die Zahlen. Dabei ist die Patria ein Milliardenunternehmen: Allein die Helvetia-Beteiligung hat einen Wert von 3,4 Milliarden Franken.
Die Helvetia spricht für ihre Grossaktionärin
Das Helvetia-Management bezeichnet die Patria gerne als «die Kernaktionärin». Man könnte aber auch von einer Kriegskasse sprechen, denn die Firma ist ein eigenartiges Gebilde. Formell ist sie Eigentümerin der Helvetia, doch ihre Kommunikation hat sie komplett an die Tochter ausgelagert – selbst wenn es um die Baloise-Aktien geht. Und so wirkt die Patria eher wie ein Teil des Versicherungskonzerns. Als «Treasury Shares der Helvetia» bezeichnet ein Analyst die Beteiligung scherzhaft.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Die Patria ist auf Linie: Geführt wird sie direkt vom Verwaltungsrat, die Geschäftsstelle ist bei der Helvetia Schweiz in Basel eingemietet. Zwei von sechs Patria-Verwaltungsräten sitzen im Verwaltungsrat der Helvetia; der heutige Helvetia-Präsident Thomas Schmuckli war bis zum Ruf an die Konzernspitze Präsident der Patria. Auch seine Vorgängerin Doris Russi Schurter nahm einst diesen Weg.
Die Nähe hat historische Gründe, denn bis 1996 waren Helvetia und Patria eigenständige Versicherer. Dann brachte die Patria ihr Lebensversicherungsgeschäft in die Helvetia ein. Ihre Eigentümer wurden nicht ausbezahlt, sondern über die Genossenschaft an der Helvetia beteiligt. Seither ist die Patria eine Finanzgesellschaft mit Genossenschaftsmantel.
Die Patria hortet Helvetia-Dividenden
Der Genossenschaftszweck wurde über die Jahre verwässert. Primär lautet er, dass die Patria ihren Mitgliedern vorteilhafte Bedingungen bei Lebensversicherungen ermöglichen soll. Der Mechanismus ist einfach: Dividenden, die die Patria aus der Helvetia bezieht, spendet sie quasi wieder zurück in den Überschussfonds der Helvetia. Das verbessert die Versicherungskonditionen. Die Krux liegt im Detail. Denn die Patria behält einen Teil der Dividenden für sich. Und dieser Teil ist in den vergangenen Jahren stark angewachsen.
Nach der Jahrtausendwende gab es Jahre, in denen die Patria deutlich mehr Geld in die Helvetia einschoss, als sie über Dividenden bezog. Noch bis 2013 lagen Dividenden und Einlagen in die Helvetia bei je rund 40 Millionen Franken pro Jahr. Doch seither sind die an die Patria ausgeschütteten Dividenden auf zuletzt 114 Millionen Franken angestiegen, während der Beitrag in den Überschussfonds seit 2015 bei 45 Millionen stagniert. So bleibt jedes Jahr etwas mehr für die Reserven der Patria hängen. Vertreter der Helvetia bestätigen diesen Mechanismus hinter vorgehaltener Hand.
Was mit dem Geld geschieht und über wie viel Eigenkapital die Patria verfügt, ist nicht bekannt. Entsprechende Fragen wurden nicht beantwortet. Konnte die Patria den Kauf der Cevian-Aktien aus Reserven tätigen, die eigentlich den Helvetia-Versicherten zugutekommen sollten? Auch auf diese Frage geht die Helvetia nicht ein.
Klar ist nur: In den vergangenen zehn Jahren verblieben nach Abzug der Einlagen rund 390 Millionen Franken aus Dividenden in den Büchern der Patria. Die Helvetia bestätigt nur, dass die Patria in der Vergangenheit Mittel verwendet habe, um ihre Beteiligung an der Helvetia zu erhöhen oder «Verwässerungen durch Kapitalerhöhungen auszugleichen». Den Kauf der Baloise-Aktien dürfte sie indes auch mit Fremdkapital finanziert haben. Von der Helvetia sei es jedoch nicht gekommen, betont die Pressestelle.
Patria-Anteil wird durch die Fusion verwässert
In der neuen Helvetia Baloise Holding wird der Einfluss der Patria schwinden, denn ihr Anteil wird von 34,1 Prozent auf etwa 23 Prozent verwässert, eine Sperrminorität hat die Patria also nicht mehr. Was das für die Konstellation im Konzern bedeutet, ist unklar. Auch ist offen, ob die bei der Baloise versicherten Lebensversicherungskunden Mitglieder der Patria werden und ebenfalls von Rückvergütungen profitieren, wie das bei der Helvetia üblich ist.
Patria-Präsidentin Yvonne Wicky Macus hat nun einen Interessenkonflikt. Ihren Genossenschaftern wäre gedient, wenn sie einen grossen Teil der Helvetia-Baloise-Dividenden in den Versicherungstopf fliessen lassen würde. Der Konzernleitung wäre wohl lieber, mit dem Geld würden weitere Aktien gekauft. Damit die Patria die «starke Kernaktionärin» bleibt.