Darum gehts
- BLKB verkauft Teil der Digitalbank Radicant nach massiven Abschreibungen
- SVP-Initiative fordert Einschränkung des Geschäfts der Kantonalbank
- Radicant steigerte Kundenzahl von 10’000 auf 18’000 seit Jahresbeginn
Nächster Akt im Sommertheater um Radicant, die Digitaltochter der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB): Einen Teil der Digitalbank will die BLKB nun verkaufen, kündigte sie im Zuge der Veröffentlichung ihrer Halbjahreszahlen an. Vor zwei Wochen hatte sie mit der Nachricht schockiert, 105,5 Millionen Franken auf ihre Beteiligung an Radicant abschreiben zu müssen. Der nun vorgelegte Halbjahresbericht enthält weitere Zahlen zum Start-up-Debakel.
Nun will die BLKB ihre Tochter Radicant zurechtstutzen und Teile davon veräussern. Konkret handelt es sich um das «physische Treuhandgeschäft», das erst vor einem halben Jahr zusammen mit der Firma Numarics in die Radicant hineinfusioniert wurde.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Zu welchem Preis und an wen der Geschäftsbereich verkauft werden soll, schreibt die Bank in ihrer Mitteilung aber nicht. Auf Nachfrage der Handelszeitung bestätigt Mediensprecher Sandro Spaeth nur, dass sich der Käufer ausserhalb des BLKB-Konzerns befinde. Dazu, ob und wie viel Geld dabei fliesst, machte er keine Angaben.
Mit den jüngsten Abschreibern machte die BLKB finanziell Tabula rasa. Wie heute bekannt wurde, bezieht sich die 105,5-Millionen-Wertberichtigung nicht nur auf die Beteiligung an Radicant, sondern mit 17,7 Millionen Franken auch auf einen Kredit, den die BLKB ihrer 65-Prozent-Tochter gewährt und der «Eigenkapitalcharakter» habe.
Im Stammhausabschluss der Bank sei die Radicant-Beteiligung nun noch mit 25 Millionen Franken bewertet, sagt Spaeth. Der in der Konzerndarstellung geführte Goodwill wurde komplett abgeschrieben.
Numarics-Übernahme – kurzes Spiel auf Zeit
Es bleibt der Eindruck, dass die innert kürzester Zeit im vierten Quartal 2024 durchgezogene und am 30. Dezember noch vor dem Bilanzstichtag vollzogene Numarics-Übernahme vor allem den Zweck hatte, Wertberichtigungen auf Radicant hinauszuzögern, indem vermeintlich werthaltiges Geschäft zugeführt werden sollte. Dafür spricht, dass eine im zweiten Halbjahr laut Geschäftsbericht bereits gebuchte Wertberichtigung von 9 Millionen Franken mit Verweis auf die Numarics-Übernahme wieder rückgängig gemacht wurde. Ein kurzes Spiel auf Zeit.
An der Digitalbank Radicant will die BLKB indes festhalten, wie sie immer wieder betont. Doch sie verliert an Eigenständigkeit: Die Tochter soll nun enger mit dem Geschäft der Kantonalbank verzahnt werden, um «Synergien zu nutzen». Zudem kündigte Radicant am Donnerstag an, neue Dienstleistungen für KMU-Kunden einzuführen. An der Strategie, das Digitalbanking auf Firmenkunden auszuweiten, ändert sich somit nichts.
SVP-Präsident Peter Riebli bläst zum Angriff auf die Bank
Kritiker dürfte das wenig beruhigen, im Gegenteil. Sie haben in den letzten Wochen mächtig Rückenwind erhalten. Gebannt blickt man im Landkanton vor allem auf eine Initiative unter der Führung von SVP-Kantonalpräsident Peter Riebli. Damit soll das Geschäft der Kantonalbank auf klassische Dienstleistungen beschränkt werden, zudem wird eine Stärkung der politischen Aufsicht über die Kantonalbank gefordert.
Die aktuellen Vorgänge seien «Wasser auf die Mühlen» der BLKB-Initiative, sagt Riebli zur Handelszeitung. Derzeit habe man mehr als 1800 Unterschriften zusammen, am 14. August werde die Initiative eingereicht. Nötig für eine Gesetzesinitiative im Kanton Baselland sind 1500 Unterschriften.
Zugleich laufen im Kanton Baselland Diskussionen um eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zum Fall Radicant. Mit der von der Bank angekündigten externen Untersuchung zur Numarics-Übernahme wollen sich die meisten nicht zufriedengeben.
Forderung nach einer PUK
Riebli zweifelt daran, dass die Due Diligence zur Fusion mit Numarics sorgfältig durchgeführt wurde. Daher brauche es nun eine PUK: «Mir scheint es, als sei die Fusion ohne saubere Analyse überhastet durchgeführt worden.». BLKB-Sprecher Spaeth entgegnet, dass alle Unterlagen, die zur Verfügung gestanden seien, sorgfältig analysiert und bewertet worden seien: «Die Due Dilligence wurde durch ein Team von externen Spezialisten unterstützt.»
Anlass zur Kritik gibt darüber hinaus die Personalpolitik der BLKB. Einerseits haben vor zwei Wochen gleich drei hochrangige Bankvertreter ihren Rücktritt angekündigt: Bankchef John Häfelfinger, Bankratspräsident Thomas Schneider und Radicant-Präsident Marco Primavesi. Andererseits bleiben alle drei noch mindestens bis Ende Jahr im Amt.
Es sei richtig, dass die Verantwortlichen Konsequenzen zögen, sagt Riebli. «Aber es ist inakzeptabel, dass sie noch bis ins nächste Jahr im Amt bleiben.» Die Bank befinde sich in einer schwierigen Situation, da seien «Lame-Duck-Strukturen» nicht förderlich.
Numarics-Gründer im Frühling entlassen
Zahlreiche Manager und Verwaltungsräte aus dem Numarics-Umfeld haben die Bank zudem in den letzten Monaten verlassen, wie der Blick ins Handelsregister zeigt. Und das nicht immer freiwillig.
So wurde im April Volker Doberanzke, ein Gründer von Numarics, entlassen und per sofort freigestellt, wie Unterlagen zeigen, die der Handelszeitung vorliegen. Die BLKB wollte sich dazu nicht äussern, bestätigt aber, dass Doberanzke nicht mehr für Radicant tätig sei. Doberanzke selber reagierte nicht auf eine Anfrage der Handelszeitung.
Grösstes Problem bleibt indes, dass die im Jahr 2021 gegründete und erst 2023 operativ lancierte Radicant bis heute nicht auf Touren kommt. Zwar hat sie seit Jahresbeginn die Zahl der Bankkunden offenbar von 10’000 auf 18’000 gesteigert, wie viele davon aus der Numarics-Übernahme stammen, will die Bank aber nicht sagen.
Bis heute knausert die BLKB damit, genaue Zahlen zu Radicant vorzulegen. Denn obwohl Radicant laut Sprachregelung der BLKB eine «eigenständige» Tochter ist, publizierte sie keinen Geschäftsbericht, sondern lediglich die gesetzlich vorgeschriebenen Minimalangaben zum Eigenkapital. Daraus geht hervor, dass die Bilanzsumme der Bank Ende 2024 gerade einmal 167 Millionen Franken umfasste. Damit wäre die Radicant zumindest nicht mehr die kleinste Schweizer Bank.
BLKB-Geschäftsleitung sieht sich nicht in der Verantwortung
Ein Erfolg sieht anders aus. Und die Beteiligten versuchen offenbar, maximalen Abstand zum Problemkind Radicant herzustellen: So wird die Digitalbank von der BLKB geführt, als habe das BLKB-Management nichts mit der Digitaltochter zu tun. Die Onlinebank beschäftigt sogar eine eigene Medienstelle, Anfragen werden teilweise zwischen Liestal und Zürich hin- und hergereicht. Die Bank verweist in diesem Kontext gerne auf die «Governance» im Konzern, gemäss der Radicant direkt dem Bankrat der BLKB unterstellt sei und nicht der Geschäftsleitung in Liestal.
Entsprechend dieser Argumentationslinie wurden auch die jüngsten Rücktritte kommuniziert. Bankratspräsident Schneider begründete seinen Rücktritt klar mit dem Scheitern von Radicant. Dagegen will BLKB-Chef Häfelfinger nichts davon wissen, dass seine Demission irgendetwas mit den Problemen bei Radicant zu tun habe. An der Medienkonferenz zum Abschreiber verwies er stattdessen auf die anstehende nächste Strategieperiode bei der BLKB, die er nicht mehr verantworten wolle.
Eine spezielle Rolle spielt auch die Baselbieter Regierung, die sich – als Aufsichtsorgan über den Bankrat – zuletzt vor allem überrascht zeigte. Allzu überrascht sollte Finanzdirektor und Mitte-Politiker Anton Lauber allerdings nicht sein, sass er doch selbst bis 2023 als Vizepräsident im Bankrat der BLKB.
Aufgehübschter Reingewinn von 92 Millionen
BLKB-Kritiker Riebli spricht von einem «Schwarz-Peter-Spiel». Jeder behaupte, er sei an den entscheidenden Fragen nicht beteiligt gewesen. «Wir wollen die Protokolle einsehen können, um das nachvollziehen zu können», sagt Riebli. Die Frage der Governance und der Kompetenzen müsse nun sauber abgeklärt werden.
Und wie steht es operativ um die BLKB? Auf dem Papier hat die Bank im ersten Halbjahr einen rekordverdächtigen Reingewinn von 92 Millionen Franken erwirtschaftet. Doch der erklärt sich damit, dass die Bank rund 50 Millionen Franken aus den Reserven für Bankrisiken auflöste, während sie im Vorjahr noch die Reserven um 25 Millionen stärkte.
Die Bilanz mag das aufhübschen, an den Tatsachen ändert es wenig: Das Radicant-Drama ist für die BLKB und ihre Topleute noch lange nicht vom Tisch.