Darum gehts
Auf einer Mut-Skala von 0 (hasenfüssig) bis 100 (tollkühn): Wo sehen Sie sich?
80 Punkte würde ich mir schon geben.
Ein stolzer Wert.
Ja, was aber auch mit sich bringt, dass ich manchmal zur falschen Zeit zu mutig bin.
Wie meinen Sie das?
Das erfahren Sie dann später noch.
Ihr Start ins Schul- und Berufsleben war nicht leicht. Woher kommt Ihr Mut-Gen?
Als Schulversager wusste ich zwei Dinge früh: Wenn ich bloss mit der Masse mitschwimme, werde ich nie auf einen grünen Zweig kommen. Und zweitens: Wenn ich selber nicht gut bin, muss ich mich mit Leuten umgeben, die besser sind als ich. Gelingt es mir, diese zu motivieren, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Kommt hinzu: Als Legastheniker bin ich es gewohnt, ständig Fehler zu machen. Was mir die Angst vor dem Fehlermachen genommen hat.
Trotzdem: Als Unternehmer ist der Pitch vor Kunden, Partnern und Investoren eine wichtige Sache. Ihre Beeinträchtigung aber bereitet Ihnen Mühe, Texte laut vorzulesen. Wie gehen Sie damit um?
Ganz einfach. Ich lese nicht ab. Ich spreche frei. Oder ich fertige eine kleine Zeichnung an. Am schwierigsten ist es für mich, Passagen abzulesen, deren Inhalt ich zuvor nicht verinnerlicht habe. Aber für solche Dinge habe ich ja meine beiden Söhne, die im Unternehmen eine wichtige Rolle spielen.
Noch verwegener als Sie ist, so scheint uns, Ihre Ehefrau. Sie hatte den Mut, einen Risk-Taker zu heiraten. Und mutiger noch: ihm als Finanzchefin auf die Finger zu schauen. Einverstanden?
Da stimme ich absolut zu. Meiner Frau schreibe ich im Minimum 95 Mut-Punkte zu. Immerhin hat sie mich im Jahr 1997 ermutigt, voll aufs Thema Trottinett zu setzen. Mit der Folge, dass wir auch heute noch drei Millionen Micro-Scooters pro Jahr verkaufen.
Vor neun Jahren haben Sie sich vom Zweiradbauer zum Vierradbauer verdoppelt. Ihr Elektrokleinstwagen Microlino heimst als rollende Knutschkugel viele Sympathiepunkte ein. Rentiert das Unternehmen – oder heult die Finanzchefin jedes Mal beim Jahresabschluss?
Die Autosparte ist nicht profitabel – aber dafür floriert das Trottinettgeschäft nach wie vor. Das schenkt ein. Seit sechs Jahren habe ich auf die Micro-Scooter-Dividende verzichtet – und so den Microlino über Wasser gehalten.
Zweirad subventioniert also Vierrad. Werden Sie mit dem Microlino je Geld verdienen?
Daran glaube ich ganz fest. Wer mit unserem Auto fährt, kommt überallhin, hat Spass beim Fahren und wird immer einen Parkplatz finden.
Sie haben die Fachwelt jüngst mit Ihrem neuen Modell Spiaggina verblüfft, eine Art Strandfahrzeug mit Stoffdach, das an den Seiten und am Heck komplett offen ist. Planen Sie weitere Modellvarianten?
Die Spiaggina ist ein Fun-Modell. Sehr viel mehr wirtschaftliche Power steckt in unserem jüngsten Modell Spider. Das ist eine Microlino-Variante ohne Dach, mit seitlich ausgeschnittener Karosserie, damit auch etwas korpulentere Menschen einfach ein- und aussteigen können. Der Spider ist speziell designt für die USA, eine Art Golfwagen.
Ein Microlino nur für die Golfer-Community?
Nein, solche Neighbourhood Electric Vehicles, abgekürzt NEVs, brauchen in den USA auch viele Menschen, die gar keine Golfer sind. Sondern Leute, die in ihrer Wohnanlage herumkurven wollen. Und da bringt unser Microlino natürlich mehr Lifestyle rein als die üblichen Golfwägelchen.
Wer sind Ihre Konsumenten und Konsumentinnen in den USA? Wohl kaum solche, die mit dem Auto von einem Bundesstaat in einen anderen fahren?
Unser Auto eignet sich für Wohnsiedlungen, für Gated Communities, für die Fahrt zum Emma-Laden.
Vor allem für Kundschaft im Alter von siebzig Jahren und mehr?
Nein, gar nicht. Amerika ist ein unterschätzter Markt für diese Art von Fahrzeugen. Denn die USA werden für die Dekarbonisierung auf schmalere Fahrzeuge umrüsten müssen. Und auf Velos als Ersatz werden die Amerikanerinnen und Amerikaner niemals umsteigen. So gesehen hat unser Fahrzeug ein grosses Potenzial. Heute noch benutzen die Amis für kurze Fahrten und Besorgungen Golf-Carts, die dafür gar nicht gemacht sind. Unsere Zielmärkte sind auch Ortschaften wie Peachtree im Bundesstaat Georgia. Die Population dort: 13’000 Einwohnerinnen und Einwohner und 9000 Golf-Carts. Dort hat so ziemlich jeder sein Häuschen mit Vorplatz und einer Steckdose. Das ist Microlino-Land.
Ab wann soll der US-Markt wichtiger werden als der Markt Schweiz?
Wir starten 2025 in den USA – 2026 wird es so weit sein. Wenn das US-Geschäft anzieht, wird es in etwa so gross werden wie in Europa.
Woher nehmen Sie den Mut, in die USA zu gehen?
Man kann natürlich nie wissen, was passiert. Wer hat schon damit gerechnet, dass VW zwei Werke schliesst und die gesamte Automobilindustrie ins Schleudern gerät? Da müssen wir uns als kleiner Anbieter irgendwie durchmanövrieren und nötigenfalls weniger produzieren. Und selbst wenn die Rechnung in den USA nicht aufgeht, machen wir zwar nicht so viel Geld dort, verlieren aber auch nicht Unsummen.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Mutig wäre auch, eines der VW-Werke zu übernehmen.
(Lacht) Bei den Tarifverträgen wäre das dumm. Im Ernst, wir hören von den grossen Automobilherstellern, dass sie unser Produkt gut finden. Aber bei einem Stückpreis von 15’000 bis 20’000 Franken im Vergleich zu deren Produkten von 40’000 bis 80’000 Franken ist das für die Hersteller nicht attraktiv genug. Auch wenn sie die Anlagen dazu hätten.
Ist Ihr Unternehmen komplett in Familienbesitz – oder sind auch andere Investoren beteiligt?
Wir sind da gerade an einem Wendepunkt. Heute ist unsere Firma noch voll in Familienbesitz, aber ein neues Steuer-Ruling erlaubt es uns, unsere Dachgesellschaft aufzuteilen. Es wird eine Trottinett-Holding geben, diese bleibt voll in Familienbesitz. In einer zweiten Holding wird der Microlino parkiert – und dort sind wir bereit, uns für neue Investoren zu öffnen. Zusammen mit der Rothschild-Bank sind wir aktuell auf der Suche nach neuen Teilhabern.
An welche Investoren denken Sie da?
An strategische Investoren, die mit ihrem industriellen Background und ihrem Know-how etwas beitragen können bezüglich Produktion und Weiterentwicklung des Microlinos. Gerade eben war ich in China, wo wir neben Turin eine zweite Produktionsanlage für ein neues Microlino-Modell mit Seitentüren planen.
Wollten Sie das zweite Werk ursprünglich nicht in Indien realisieren?
Das war bis vor kurzem noch so geplant, und wir hatten auch einen Letter of Intent unterschrieben. Unser Partner dort hat nun aber entschieden, mit der Produktion so lange zuzuwarten, bis das Land einen ausreichend starken Heimmarkt für kleine Elektroautos aufweist.
2015 gründete Wim Ouboter zusätzlich zum Geschäft mit Scootern die Firma Microlino, die den gleichnamigen Elektrokleinstwagen entwickelt. Charakteristisch für den Zweisitzer sind die Kabinenrollerform und der Fronteinstieg. Bisher wurden 4000 Wagen produziert. Wichtigste Märkte sind die Schweiz, Deutschland und Belgien. Hergestellt wird der «Knirps mit grosser Klappe» («Spiegel») in La Loggia bei Turin. Eine wichtige Rolle im Unternehmen spielen Ouboters Söhne Oliver (30) und Merlin (29), die 2020 auf der «30 under 30»-Liste von «Forbes» standen. Kürzlich kürte das deutsche Mobilitätsmagazin «Electricar» den Microlino zum besten elektrischen Leichtfahrzeug 2025, vor dem Fiat Topolino und dem Citroën Ami.
2015 gründete Wim Ouboter zusätzlich zum Geschäft mit Scootern die Firma Microlino, die den gleichnamigen Elektrokleinstwagen entwickelt. Charakteristisch für den Zweisitzer sind die Kabinenrollerform und der Fronteinstieg. Bisher wurden 4000 Wagen produziert. Wichtigste Märkte sind die Schweiz, Deutschland und Belgien. Hergestellt wird der «Knirps mit grosser Klappe» («Spiegel») in La Loggia bei Turin. Eine wichtige Rolle im Unternehmen spielen Ouboters Söhne Oliver (30) und Merlin (29), die 2020 auf der «30 under 30»-Liste von «Forbes» standen. Kürzlich kürte das deutsche Mobilitätsmagazin «Electricar» den Microlino zum besten elektrischen Leichtfahrzeug 2025, vor dem Fiat Topolino und dem Citroën Ami.
In Indien setzte der einheimische Tata-Konzern einst viel Hoffnung auf den Kleinstwagen Nano. Doch dessen Produktion wurde dann wieder eingestellt. Hat das auch eine Rolle gespielt?
Das kann schon sein. Das Problem mit dem Tata Nano war immer auch, dass man darin als Fahrerin oder Fahrer wie ein Loser aussah. Mit dem Microlino ist das komplett anders. Wir sind nicht ein Zwerg für Verlierer, kein gesichtsloser chinesischer Kleinstwagen, sondern wir positionieren uns als «Next Bella Figura». Ein pfiffiges und sympathisches E-Wägeli für Gewinner.
Klingt gut. Können Sie das auch an klingenden Kundennamen festmachen?
Ja, kann ich. Unser erster Kunde überhaupt war der CEO von Gucci. Und auch der Chef von Rolex hat schon drei Microlinos bestellt.
Und bald soll auch in China ein «Bella Figura» gebaut werden?
So ist es. Das indische Unternehmen, das ein strategischer Partner hätte werden sollen, hält sich nach wie vor alle Türen offen. Für uns wird nun aber China wichtiger, was auch preisliche Gründe hat. Schon heute kommen viele Teile für den Microlino aus China, doch die Produktion in Europa ist grundsätzlich immer noch zu teuer. Wir haben vieles optimiert, aber weiter runter bringen wir den Preis mit der europäischen Kostenstruktur nicht mehr.
Heute kostet ein Microlino zwischen 18’000 und 20’000 Franken. Wo müsste der Preis liegen?
Einfach gesagt: Wir sind immer noch 5000 Franken zu teuer. Der Sweet-Spot liegt sicher um die oder unter 15’000 Franken. Dort müssen wir hin.
Wie soll das gehen?
Bei den ersten Microlinos waren wir manchmal etwas zu mutig und zu naiv. Könnten wir noch einmal neu beginnen, würden wir zwei Dinge ändern: Die Fronttür ist zwar cool, aber auch sehr kostspielig. Dass wir hinten einen anderen Radstand als vorne haben, ist schlicht dumm – weil es in der Logistik sehr hohe Kosten verursacht. Da hatten wir zu wenig gut recherchiert. Diese beiden Dinge – Seitentüren und gleicher Radstand – würden wir in einem chinesischen Zweitwerk ändern – und mit den dortigen tieferen Kosten sollten wir unser Preisziel dann erreichen.
Im neuen Modell würde zugunsten von Einzelsitzen auch die charmante Sitzbank wegfallen. Geht so nicht viel vom Microlino-Zauber verloren?
Nein. Man muss schon genau schauen, um die Änderungen zu bemerken. Wir glauben: Es wird gleich viel Zauber zu einem besseren Preis.
Fördergelder für Elektroautos könnten den Preis auch attraktiver machen.
Das dachten wir auch. Aber leider kamen wir mit dem Microlino nie in solche Vergünstigungs- und Kaufprämienprogramme rein.
E-Autobauer lebten auch lange gut mit Subventionen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten.
Richtig, nur schon Tesla soll damit pro Jahr 700 Millionen Dollar eingenommen haben. Aber uns gelang es leider nie, in solche Programme reinzukommen. Besonders enttäuscht waren wir da von der Schweizer Landesregierung.
Warum?
Wir schrieben dem Bundesrat einen Brief und baten darum, so wie Tesla in das Programm der CO2-Anrechnung reinzukommen. Die Antwort war aber, dass der Microlino gemäss EU kein Personenwagen sei, und deshalb kommen wir nicht in dieses Programm.
Trifft das Wort «Kabinenroller» auf Ihr Fahrzeug zu – oder ist das eine Beleidigung?
Das Wort ist okay, damit können wir gut leben.
Sie waren eben auf Geschäftsreise in China. Was wird dort nun als Nächstes passieren?
Wenn wir in China in einem Werk produzieren lassen, werden wir von dort aus in ganz neue Märkte liefern können. Unsere Idee ist, in China mit einem Lohnfertiger zusammenzuarbeiten, der in uns investieren würde, als Commitment. Was ich auf ersten Reisen durch China gesehen habe: Dort stehen nigelnagelneue Autofabriken, die noch nichts hergestellt haben.
Aufgrund einer zu optimistischen Industriepolitik?
So ist es. Für uns bedeutet das: Wir kommen, wenn alles gut läuft, mit wenig Aufwand zu einem zweiten Werk – und zu einem Investor.
Sie versprühen ja Mut und Optimismus ohne Ende. Wer ist der natürliche Feind des Microlinos? Eher das E-Bike, die marokkanische Billigbüchse Citroën Ami oder der Tesla?
Als eine Konkurrentin sehe ich die Vespa. Aber mit uns fährt man wettergeschützt. Reguläre Autos sehe ich nicht als Konkurrenten. Der Microlino ist ein Zweit- oder Drittfahrzeug. Wir sind kein Autoersatz, sondern ein Fun-Fahrzeug für kurze Distanzen. Ein Wagen für Leute, denen sogar der Mini Cooper noch zu gross ist. Mittlere und grössere Distanzen kann man ja mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestreiten. Wenn man grössere Güter transportieren will, nimmt man sich den Firmenwagen oder ein Mobility-Auto.
Small is beautiful. Aber wenn wir aus Ihrem Büro an der Zürcher Goldküste hinausschauen, sehen wir genau das Gegenteil: Dicke SUVs ohne Ende. Passt der Microlino wirklich zum automobilen Zeitgeist?
Ja, das passt. Wenn es ein Fahrzeug wie der Microlino schafft, seine Fahrerin oder seinen Fahrer gleichzeitig cool und umweltbewusst aussehen zu lassen, dann kommt das gut an. Immerhin fahren ja heute schon über tausend Microlinos auf Schweizer Strassen.
Sie sagten zu Beginn, dass Sie manchmal zur falschen Zeit zu mutig waren. Inwiefern?
Manchmal hatte ich tatsächlich mehr Mut als Verstand. Zum Beispiel, wenn man als Schweizer in Italien einfach mal unternehmerisch loslegt, ohne vorab zu recherchieren, was das mit sich bringt. Das kann einem dann schon als Dummheit oder Naivität ausgelegt werden.
Was bringt es mit sich?
Als ausländischer Unternehmer gilt man dort grundsätzlich mal als eine Art Schwerverbrecher: Warum macht der das, wo kommt das ganze Geld her?
Wir hätten eher vermutet, dass man sich im Bel Paese businessmässig auch mal unter dem behördlichen Radar durchwursteln kann.
Das war vielleicht einmal so, heute gilt das Gegenteil. Weil früher zu viel beschissen wurde, hat man es heute mit einem Bürokratiemonster zu tun. Kleines Beispiel: Wenn wir die Mehrwertsteuer quartalsweise zurückfordern wollen, stuft uns Italien als Startup ein, das zunächst einmal eine Bankgarantie einreichen muss. Italienische Banken aber sagen, dass sie uns nicht kennen und daher keine Garantie ausstellen können.
Capito. Und was macht man in so einem Fall?
Um das zu regeln, muss ich meine Schweizer Hausbank losschicken. Aber nicht nur einmal. Sondern jedes Mal. Denn das ganze Prozedere beginnt mit jeder Quartalsabrechnung aufs Neue.
Damit Ihr Kleinstwagen weltweit so bekannt wird wie Ihr Trottinett, müsste man vielleicht eine Rennserie starten oder eine verrückte Rallye, von Küsnacht nach Kasachstan oder so. Genügend Mumm dafür?
An Mut fehlt es nicht. Was mir fehlt, ist ein Partner, der das finanziert. Aber ich sehe auch andere Möglichkeiten, zum Beispiel, dass eine weltweit bekannte Automarke eine Microlino-Version baut. Etwa so wie damals, als der britische Luxussportwagenbauer Aston Martin basierend auf dem Toyota IQ die Kleinwagensonderedition Aston Martin Cygnet lancierte.
Der E-Zwerg Microlino im Haifischbecken der grossen Autobauer – kann das gut gehen?
Auch dafür reicht der Mut. Klar, im Autogeschäft sind Riesen tätig – aber sie interessieren sich meist mehr für grosse Wagen, mit denen sie in der Regel ihr Geld verdienen. Fakt ist auch: Das US-Unternehmen Tesla und die chinesische Marke BYD stehen heute an der Spitze der E-Autos – aber beide waren zuvor nicht Teil der etablierten Verbrennerautowirtschaft, sondern kamen von aussen. So wie wir auch.
Noch cooler wäre es, wenn Ihr Wagen Swiss made wäre. Eine Microlino-Gigafactory im Bergell – dream big. Oder nicht?
Das ist leider aus verschiedenen Gründen zu gross geträumt. Das zeigt sich nur schon in der Art, wie wir vom Bundesrat behandelt werden. Als wir anfragten, ob wir für den Handel von CO2-Zertifikaten entschädigt werden können, wurde das abschlägig beurteilt. Da gelten wir also offenbar nicht als E-Auto. Wenn aber Elektrowagen seit 2024 im Import mit 4 Prozent besteuert werden, gelten wir plötzlich als E-Auto. Der Bundesrat richtet es sich, wie er es braucht.
Und passt in Ihrer Wahrnehmung Gesetze so an, dass er Ihnen Geld wegnehmen kann?
Genau. Der Bundesrat kann mir den Buckel runterrutschen. Es ist nun einmal so: Ohne Subventionen geht es bei einer Zukunftstechnologie nicht. Ein Tesla ohne Subventionen wäre nie so erfolgreich geworden, wie er heute ist.
Ihren Wagemut kann der Bundesrat aber nicht bremsen. Bis 2029 wollen Sie 1 Milliarde Franken Umsatz machen. Ist das realistisch?
Mehr als 1 Milliarde. Wir planen, bis 2030 weltweit mehr als 100’000 Stück pro Jahr zu produzieren. Da sind die USA mit eingerechnet.
Wie viel der gesamten Produktion kommt in einer perfekten Welt jeweils von Ihren Standorten in Turin und China?
Ein Drittel aus Turin, zwei Drittel aus China.
Das ist, was Sie Ihren Investoren erzählen?
Ja, es gibt dazu einen klaren Businessplan. In einem früheren Plan hatten wir noch eine zusätzliche eigene Fabrik vorgesehen. Diese brauchen wir definitiv nicht mehr, in China gibt es bereits genug davon, und dort ist man froh, wenn man die bestehenden Anlagen auslasten kann. Damit fällt schon einmal ein zweistelliger Millionenbetrag weg, den wir sonst investieren müssten.
Welche Weltgegend soll den Absatz wie stark stützen?
In der nahen Zukunft werden die USA für 70 Prozent und Europa sowie der Rest der Welt für 30 Prozent stehen. Bei welchem Markt wir noch etwas unsicher sind, ist Korea. Das ist unser zweitstärkster Markt für Trottinetts. Unsere Marke hat dort das Ansehen von Victorinox. In Korea haben wir sicher sehr gute Chancen, müssen uns aber noch um die Zulassung kümmern. Die Anforderungen sind in diesem Land sehr hoch.
Klappt der Imagetransfer, wenn Sie mit dem Trottinett kommen und später auch Ihr Auto verkaufen wollen? Oder liegen diese Produkte zu weit auseinander?
Es sind schon zwei verschiedene Welten, aber bei der Sympathie für den Microlino kann es helfen. Viele Käufer und Käuferinnen, die ein Fahrzeug von uns kaufen, hatten schon mit zwölf ein Trottinett von uns. Der Imagetransfer ist ganz klar da.
In China wollen Sie für den Lokalmarkt produzieren, aber nicht von dort exportieren?
Beides. Man muss sich das so vorstellen: Unser bestehender Microlino in Europa ist das ikonische Modell, vergleichbar mit dem, was der 911er für Porsche ist, wenn es darum geht, Brand-Value zu generieren. Unsere neue Seitentürversion wollen wir ausschliesslich in Asien produzieren. Das Modell ist, analog zum Porsche Macan, massentauglicher und utilitaristischer.
Haben Sie keine Angst vor neuen Handelszöllen?
Das können wir lösen, indem wir die Seitentürversion in China in ihre Einzelteile zerlegen, als Bausätze exportieren und in Italien wieder zusammenbauen. Was die USA betrifft, würden wir uns einen Partner in den USA oder in Südamerika suchen.
Wer soll in China Ihr Auto kaufen? Gibts dort nicht schon genug kompakte E-Autos?
Das meistverkaufte Elektroauto in China ist der Wuling Hongguang mit bis zu einer halben Million Stück pro Jahr. Das Auto ist vielleicht sogar noch etwas besser als unser Produkt. Mit Lifestyle und Italianità können wir bestimmt 30’000 bis 40’000 Stück in China pro Jahr verkaufen. Das ist nicht unmöglich und würde uns schon genügen.
Haben Sie keine Sorge, dass die Chinesen Ihr Fahrzeug kopieren?
Nein, entscheidend ist der starke Brand. Wir haben gerade für die Verhandlungen ein Testfahrzeug nach China geschickt, in den Norden, wo unser neuer Batterielieferant sitzt.
Wo sass der alte?
In Deutschland. Aber die Preise wurden zu hoch, und wir haben gewechselt.
Gibts auch Schweizer, die zuliefern?
Auf uns zugekommen ist nie jemand. Aber wir arbeiten mit dem Autozulieferer Angst+Pfister zusammen. Die haben einen Spezialgummi zur Dämpfung von Elektromotor und Getriebe entwickelt. Diesen kaufen wir genauso ein wie Tesla.
Werden Sie die Autos, die Sie in den USA verkaufen, auch vor Ort produzieren, so wie in China?
Laut Businessplan würden wir von China und Europa aus die Fahrzeuge in die USA schicken. Derzeit sind die US-Einfuhrzölle für Europa nicht so hoch. Und wenn wir die Fahrzeuge als Golf-Carts aus China in die USA liefern, dann sind die Zölle auch niedriger als für reguläre Elektroautos. Wenn die Zölle steigen sollten, dann könnten wir aus Indien liefern oder die Fahrzeuge in China auseinandernehmen und in den USA wieder zusammenbauen und so Einfuhrzölle auf ganze Fahrzeuge umgehen.
Klingt auch mutig.
Sag ich ja.