Lamborghini-CEO im Interview
«Es ist nicht wichtig, bei Elektrifizierung der Erste zu sein»

Der Berliner Stephan Winkelmann führt die Luxus-Automarke Lamborghini seit 2020 erneut. Im Interview erzählt der CEO über Wachstumsmöglichkeiten für seinen Konzern und wann der erste volle Elektro-Lambo auf den Markt kommt.
Publiziert: 02.07.2025 um 21:58 Uhr
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Lamborghini-Chef Winkelmann im Exklusivinterview: «Wenn Lady Gaga anruft, gibt es ein Problem!»
Foto: Paolo Dutto für BILANZ

Darum gehts

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Marc Kowalsky
Bilanz

Motor Valley wird die Gegend in der Emilia-Romagna genannt: Man findet hier den Rennkurs von Imola, Ferrari hat den Hauptsitz in Maranello, Maserati in Modena, Pagani in San Cesario, es gibt zahllose Dienstleister und Zulieferer. An Ducati kommt vorbei, wer sich von Bologna ins Nirgendwo nach Sant’Agata Bolognese zu Lamborghini durchschlägt. Hier montieren auf 200'000 Quadratmetern 3000 Mitarbeiter rund 60 Sportwagen pro Tag – fast ausschliesslich in Handarbeit. CEO Stephan Winkelmann, gebürtiger Deutscher, trägt die typische italienische Alta Moda – und rund ein Dutzend Armbändchen, sein Markenzeichen.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Herr Winkelmann, wir möchten Sie mit einem Zitat konfrontieren. Es lautet: «Ich denke nicht, dass wir die Marke von 2000 Einheiten pro Jahr überschreiten sollten.» Wer hat das gesagt?
Nicht ich, hoffentlich!

Doch, Sie, in einem Interview im Jahr 2006. Damals produzierte Lamborghini 1600 Fahrzeuge im Jahr, inzwischen sind es knapp 10'700. Wie weit kann Lamborghini noch wachsen, ohne dass die Exklusivität darunter leidet?
Der Markt der Supersportwagen und Super-SUVs ist ja ziemlich klein mit weltweit 120'000 Fahrzeugen. Davon haben wir neun bis zehn Prozent Anteil. Es gibt immer mehr Leute, die schon in jungen Jahren genügend Geld zur Verfügung haben, sich so ein Fahrzeug zu leisten. Es gibt also noch Chancen, die Volumen zu steigern, ohne die Visibilität zu erhöhen. Das magische Dreieck ist, weniger zu verkaufen, als Nachfrage besteht, auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass die Autos einen hohen Restwert behalten, und das Ganze bei einem hohen Ertrag, um die Investitionen in die Zukunft finanzieren zu können.

Gibt es Druck aus dem VW-Konzern, mehr in die Stückzahl zu gehen?
Nein, weil für den Konzern die Unabhängigkeit der Marke ein hohes Gut ist. Jede Marke ist verantwortlich für das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Jede Marke hat eine Entwicklungsabteilung, hat eine Produktion und hat einen Vertrieb. Wir ziehen natürlich Nutzen aus dem Konzern, können aber sehr autonom agieren.

Wo wollen Sie denn noch wachsen?
Wachstumsmöglichkeiten gibt es überall, weil die Marke sehr attraktiv ist. Heute beträgt die Wartezeit für ein Auto von uns im Schnitt anderthalb Jahre. Wir sind bereits von zwei auf drei Modelle gestiegen und nun dabei, ein viertes, rein elektrisches Modell zu entwickeln. Für solche strategischen Entscheide brauchen wir dann natürlich grünes Licht vom Konzern.

Sie haben viel später auf die Elektrifizierung reagiert als etwa Ferrari oder Porsche. Wieso?
Weil wir glauben, dass es bei der Elektrifizierung nicht wichtig ist, der Erste zu sein, sondern erfolgreich zu sein. Wir wollten dann kommen, wenn der Markt reif ist, und in diesem Moment der Beste sein. Deswegen haben wir weiterhin einen V12-Motor bei unserem Topmodell Revuelto, der aber ein Hybrid ist und eine bessere Leistung bringt als die Generation davor, bei weniger CO2-Emissionen. Und das hat der Kunde nicht nur verstanden, sondern auch vollkommen akzeptiert. Die Verkaufszahlen geben uns da recht.

Stimmt die Zielmarke noch, dass 2028 der erste reine Elektro-Lamborghini kommen soll?
Wir haben das neu adjustiert: Ende des Jahrzehnts.

Ist das eine Reaktion auf die neuen Zeiten von «Drill, Baby, Drill»?
Es ist eine Reaktion auf die Abflachung der Akzeptanz der Elektrofahrzeuge. Die sehen wir auch im Segment von Lamborghini. Wir müssen nicht heute entscheiden, wir haben noch etwas Zeit, um zu sehen, ob die Technologie, die Infrastruktur und auch die weltweite Gesetzgebung so weit ist. Und natürlich auch die Akzeptanz unserer Kunden.

Ist das Thema Nachhaltigkeit für Ihre Kunden überhaupt wichtig? Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mensch einen Lamborghini kauft aus Gründen des Umweltschutzes.
Es gibt Gesetze, an die wir uns halten müssen. Wir haben als Kleinserienhersteller ein Abkommen mit der Europäischen Union für die nächsten Jahre, wie wir die CO2-Emissionen reduzieren. Dort sind wir im Plan. Aber es geht ja nicht nur um Europa, wir verkaufen weltweit. Und unsere Kunden stehen mit beiden Beinen im Leben und wissen, was vor sich geht. Daher glaube ich schon, dass es von unserer Seite eine Verantwortung gibt, vor der Welle zu schwimmen und nicht einfach zu warten, bis sie uns überrollt. Wir sind hier in Sant’Agata etwa schon seit 2015 CO2-neutral, obwohl wir seitdem die bebaute Fläche, die Produktion und die Anzahl Mitarbeiter mehr als verdoppelt haben. Wir arbeiten auch am Thema synthetische Kraftstoffe.

Wie häufig werden Sie denn von Ihren Kunden nach Ihrem Sustainability Report gefragt?
Wir sind da proaktiv. Bevor sie fragen, geben wir schon die Antwort.

Das Modell 350 GT aus dem Jahr 1964.
Foto: Paolo Dutto für BILANZ

Kann ein Elektro-Lamborghini noch ein Lamborghini sein? Der markante Motorensound ist ja auch ein Markenzeichen von Ihnen.
Da haben Sie recht, der Sound ist ein Riesenthema. Deswegen lassen wir uns auch genügend Zeit. Wir müssen einen Einklang haben zwischen dem, was die Gesetzgebung verlangt, was die technischen Möglichkeiten sind und was die Akzeptanz der neuen Generation Kunden ist. Und wenn es diesen Einklang nicht gibt, dann müssen wir es halt noch mal verschieben.

Trotzdem: Mit einem Elektroauto riskieren Sie einen Teil Ihres Markenkerns.
Elektrische Fahrzeuge können sehr emotional sein. Wir haben schon zig Versuche gestartet. Wir wissen, was die Technologie in Zukunft bringen kann. Das einzige offene Thema ist der Sound. Alles andere kann man gleich oder besser machen.

Wie führt man überhaupt ein Unternehmen, in dem so viele Emotionen stecken?
Die Emotionen sind absolut notwendig, weil wir nicht Mobilität verkaufen, sondern Träume. Wir haben eine Mannschaft, die sehr an den Fahrzeugen hängt, die mit Herzblut dabei ist und die deswegen auch sehr einfach zu motivieren ist. Auf der anderen Seite muss man natürlich viel Disziplin mitbringen, damit man nicht nur vom Herzen getragen wird, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht.

Ist das der Kern von Lamborghini: italienische Emotion, deutsche Disziplin – auch bei Ihnen persönlich?
Weiss ich nicht. Ich bin ja in Berlin geboren und in Rom aufgewachsen, aber ganz generell braucht es Disziplin im Berufsleben, wenn die Dinge nicht aus dem Ruder laufen sollen. Und die hat nichts mit Nationalitäten zu tun. Die erste Führungsebene hier besteht grossmehrheitlich aus Italienern. Und selbstverständlich können die von Haus nicht nur emotional, sondern auch diszipliniert sein.

Die Marke Lamborghini wird auch genutzt für Mode, Spielwaren, Uhren, Möbel, Parfums, Rennräder, sogar für Hotels. Wie wichtig ist das umsatzmässig?
Das geschieht alles in Lizenz. Umsatzmässig ist das für uns gering, aber ja, es ist ein gutes Zubrot.

Das heisst?
Diese Zahlen geben wir nicht raus. Grundsatz ist, dass man auf Augenhöhe agiert, dass es unsere Sichtbarkeit erhöht und betriebswirtschaftlich Sinn macht.

Haben Sie nicht Angst, dass Sie die Marke irgendwann überdehnen?
Nein, wir überspannen das nicht. Es gibt etwa eine Partnerschaft bei Uhren, konkret mit Roger Dubois, aber auf denen steht nicht Lamborghini drauf.

Stichwort Uhren: Sie hatten auch mit Blancpain eine enge Zusammenarbeit. Warum wurde die 2016 beendet?
Weil sich nach einer gewissen Zeit bestimmte Themen erübrigen, und dann braucht man halt auch wieder neue Ideen. Das war mit Blancpain so. Die entschieden damals, mehr ins Thema Meere zu gehen.

In Ihren Autos steckt viel Audi, die Plattform des Urus ist die des Q8, Sie teilen sich Infotainmentsystem, Software etc. Wie weit kann Technik-Sharing gehen, ohne dass die Kunden irgendwann sagen: «Ich habe eigentlich nur einen etwas schöner belederten Audi?»
Unsere zwei Supersportwagen, Revuelto und Temerario, sind hundertprozentige Eigenentwicklungen von Lamborghini. Und der Erfolg des Urus zeigt, wie sehr auch dort die Lamborghini-DNA durchgeschlagen hat. Wenn der Konzern uns die Möglichkeit gibt, bessere Qualität oder günstigere Einkaufspreise zu erzielen, dann ist uns das willkommen, solange es nicht die DNA der Marke beeinträchtigt.

Drei Modellreihen hat Lamborghini derzeit. Alle paar Jahre wird eine ausgetauscht.
Foto: Paolo Dutto für BILANZ

Warum geht Audi in die Formel 1, nicht aber Lamborghini?
Das wäre weit über unseren Möglichkeiten. Wir haben nur ein sehr kleines Rennteam von ungefähr 60 Mitarbeitern für tiefere Rennserien. Für die Formel 1 müsste man praktisch eine Firma in der Firma aufbauen, und das ist nicht unser Ding. Und im Konzern reicht eine Marke, die Formel 1 macht.

Aber Sie hätten im Konzern die viel höhere Glaubwürdigkeit!
Audi wird das Thema richtig angehen.

Ein Lamborghini lässt sich personalisieren wie kaum ein anderes Fahrzeug, Sie haben 400 Lackierungen im Programm, 80 Ledersorten oder allein zehn verschiedene Arten von Ziernähten. Wie wichtig ist das umsatzmässig?
Ausserordentlich wichtig, weil es bei uns ja nicht um die Stückzahl geht, sondern um den Ertrag pro Fahrzeug. Die Komplexität ist natürlich extrem bei einem so breit gefächerten Angebot, aber unsere Kunden wollen immer mehr ein individuelles Fahrzeug.

Kann man die Wichtigkeit quantifizieren?
Im Schnitt geben die Käufer 50'000 Euro für Personalisierung aus, bei unserem Topmodell Revuelto über 100'000 Euro.

Der CEO zur niedrigen Frauenquote: «Die Dunkelziffer der Fahrerinnen dürfte sehr viel höher sein, weil viele Frauen unsere Autos fahren, die auf den Mann oder das Unternehmen angemeldet sind.»
Foto: Paolo Dutto für BILANZ

Gibt es Interessenten, denen Sie kein Auto verkaufen würden, weil Sie diese nicht für Lamborghini-würdig halten – Diktatorensöhne, Gangsterrapper oder Ähnliches?
Wir verkaufen nicht in bestimmte Länder wie Russland. Und die Herkunft des Geldes wird natürlich überprüft. Aber sonst gibt es keine Einschränkungen.

Wie viel Prozent Ihrer Käufer sind eigentlich Käuferinnen?
Im Moment unter zehn Prozent. Ein Anteil, der steigt. Aber die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher sein, weil viele Frauen unsere Autos fahren, die auf den Mann oder das Unternehmen angemeldet sind.

Wenn Lady Gaga anruft und sagt, sie hätte gern eine Probefahrt, dann jetten Sie persönlich nach L.A. und zeigen ihr den neuen Temerario?
Wenn Lady Gaga bei mir anruft, dann gibt es ein Problem. Weil das dann bedeutet, dass die ganze Kette versagt hat. Aber das passiert auch nicht: Wir haben mehrere Händler in Los Angeles und eine grosse Organisation in den USA. Da wird sie bestimmt schon vorher abgefangen und auch zufriedengestellt.

Es ist also nicht Teil ihrer Aufgabe als CEO, besonders wichtige oder prominente Kunden persönlich zu bedienen?
Nein, das wäre nicht der Sinn der Sache.

Wie wichtig ist die Schweiz als Markt?
Sehr wichtig. Er ist in den Top 10, zwischen 250 und 300 Einheiten pro Jahr. Die Lamborghini-Dichte dort ist eine der höchsten.

Winkelmann über anziehende Preise: «Realistischerweise werden wir die US-Zölle in irgendeiner Form an die Kunden weiterreichen müssen.»
Foto: Paolo Dutto für BILANZ

Warum erfolgt der Vertrieb Ihrer Fahrzeuge in der Schweiz nicht wie bei den anderen VW-Marken via Amag?
Wir verzichten auf Importeure, haben dafür 186 eigene Verkaufspunkte weltweit. Das war schon immer so, auch bevor wir 1998 vom VW-Konzern übernommen wurden.

Ihr grösster Markt sind die USA. Was bedeutet die Trump’sche Zollpolitik für Sie?
Das ist ein Thema, an dem wir arbeiten. Wir haben eine klare Strategie, wir werden sehen, was in den nächsten Wochen passiert, und dann werden wir danach handeln. Realistischerweise werden wir die Zölle in irgendeiner Form an die Kunden weiterreichen müssen. Aber wir geben im Moment noch keine Zahlen heraus.

Eine Produktionsverlagerung in die USA ist vermutlich kein Thema?
Nein, bei uns ist das «Made in Italy» eines der grossen Markenversprechen – Lamborghini ist die italienischste aller Automarken. Ausserdem sind die Stückzahlen viel zu klein, um eine Produktion in ein anderes Land zu verlagern.

China ist für Sie ebenfalls sehr wichtig. Dort darf man wegen der Antikorruptionsmassnahmen seinen Reichtum nicht mehr zeigen. Hat das einen Einfluss auf Ihre Verkäufe?
Der chinesische Markt ist der grösste Automobil-, aber ein sehr kleiner Luxusmarkt, weil die Steuern sehr hoch sind. Und der ist nun gesunken durch das, was Sie genannt haben, aber auch durch die Immobilienblase, die seit zwei Jahren dort ein grosses Thema ist. Und wir sehen im Moment keine Anzeichen, dass der Markt wieder steigen wird in den nächsten Monaten. Aber unser Marktanteil ist konstant geblieben.

Sie sind mit einer vierjährigen Unterbrechung seit zwanzig Jahren bei Lamborghini. Wo soll die Firma in zehn Jahren stehen?
Wenn wir alles richtig machen, haben wir dann ein rein elektrisches Auto. Und stehen auch dank diesem noch besser da, finanziell, beim Markenimage, von der Anzahl Mitarbeiter und ihrer Zufriedenheit und auch von der Präsenz hier in der Region her.

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