Kontroverse um Kriegsaktien
Was haben Waffenkonzerne in einem grünen Portfolio verloren?

Investitionen in Rüstungskonzerne waren lange Zeit verpönt. Doch die enormen Kursgewinne der letzten Jahre wecken Begehrlichkeiten. Neuerdings sind Hersteller von Panzern und Präzisionsbomben auch in grünen Fonds kein Tabu mehr.
Publiziert: 04.05.2025 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2025 um 20:06 Uhr
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Die Nachfrage nach Kriegsmaterial ist seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs massiv angestiegen.
Foto: IMAGO

Darum gehts

  • Rüstungsindustrie erlebt Comeback. Vermögensverwalter bieten Anlageprodukte für Rüstungsboom an
  • UBS ändert Richtlinien: Waffenkonzerne nun in nachhaltigen Anlageprodukten erlaubt
  • Aktien von Rheinmetall stiegen seit Kriegsbeginn um über 2000 Prozent
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

«Während so viele Menschen auf der Welt unter Katastrophen und Hunger leiden, werden weiterhin Waffen gebaut und verkauft und Ressourcen verbrannt, die grosse und kleine Kriege anheizen. Das ist ein Skandal, den die internationale Gemeinschaft nicht dulden darf.» Das sagte Papst Franziskus im vergangenen Juli.

Als er letzte Woche zu Grabe getragen wurde, kamen Staatschefs aus der ganzen Welt nach Rom, um dem Oberhaupt der katholischen Kirche die letzte Ehre zu erweisen. Im Petersdom kamen Donald Trump und Wolodimir Selenski zu einem Gespräch zusammen. Nur ein paar Tage später unterzeichneten die USA und die Ukraine einen Rohstoffdeal. Am Freitag wurde bekannt, dass die USA der Ukraine weitere Militärhilfen zugesichert haben.

Die mahnenden Worte des Papstes sind verhallt. Deutschland plant, in den kommenden Jahren Hunderte Milliarden in die Aufrüstung der Armee zu investieren. Auch andere europäische Staaten rüsten massiv auf. Das treibt die Umsätze der Rüstungsindustrie in die Höhe – und lässt die Aktienkurse der Branche explodieren.

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Die Titel grosser europäischer Waffenkonzerne verzeichnen Kursgewinne, die Technologieriesen aus dem Silicon Valley alt aussehen lassen. Die Aktie von Rheinmetall aus Deutschland hat allein in den letzten zwölf Monaten um 200 Prozent zugelegt. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs beläuft sich der Zuwachs auf über 2000 Prozent. Leonardo, ein italienischer Rüstungskonzern, verzeichnet seit Kriegsbeginn ein Plus von mehr als 600 Prozent. Saab aus Schweden legte um rund 700 Prozent zu. Die Aktie des Rüstungskonzerns Rolls-Royce Holdings, der sich in den 1970er-Jahren von seiner Luxusautosparte trennte, stieg um rund 600 Prozent.

Ein fulminantes Comeback

Die Rüstungsbranche feiert ein fulminantes Comeback – wirtschaftlich und politisch. Der jahrelange Niedergang der Waffenkonzerne nach dem Ende des Kalten Krieges ist vergessen. Das Geschäft mit dem Krieg ist wieder «Big Business». Das ruft auch die Finanzindustrie auf den Plan, die von den Umwälzungen profitieren will.

Vermögensverwalter bieten vermehrt Anlageprodukte an, die am Rüstungsboom teilhaben sollen. Etliche Anbieter haben vor kurzem Fonds lanciert, die ausschliesslich in Aktien von Waffenkonzernen investieren. Ein besonders kontroverses Signal setzte jüngst die UBS: Die Abteilung für Vermögensverwaltung (Asset Management) hat Ende März ihre sogenannte Sustainability Exclusion Policy geändert. Neuerdings sind Beteiligungen an Waffenkonzernen sogar in nachhaltigen Anlageprodukten erlaubt.

Neu können Portfoliomanager der Grossbank also Aktien von Panzerproduzenten, Lenkwaffen- und Handgranatenherstellern nicht nur in klassischen Fonds, sondern eben auch in «grünen» Fonds berücksichtigen. Damit hat die UBS ein Tabu gebrochen. Bislang machten als nachhaltig etikettierte Fonds einen weiten Bogen um Unternehmen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit der Produktion von Kriegsmaterial erzielen. Nunmehr sind nur noch Hersteller von geächtetem Kriegsmaterial wie Streumunition, biologischen Waffen oder Atombomben verboten.

Auch andere europäische Vermögensverwalter haben ihre Haltung gelockert. So nahmen etwa Allianz Global Investors und die Danske Bank eine ähnliche Anpassung ihrer Richtlinien vor. Andere Vermögensverwalter wiederum bleiben der bisherigen Praxis treu und schliessen Waffenaktien weiterhin von Produkten aus, die eine nachhaltige Wirkung haben sollen – in der Schweiz etwa Swisscanto oder in Deutschland die Fondstochter der Deutschen Bank, DWS.

Es gibt kein Verbot

Verboten ist es nicht, Rüstungsfirmen in als nachhaltig deklarierte Produkte zu integrieren. Der Schweizer Asset-Management-Branchenverband führt keine verpflichtenden Ausschlusslisten. Vor kurzem umgestellt hat Deutschland, das ein Verbot von Waffenkonzernen in grünen Fonds aufhob. Der Verband begründete das mit einer «breiten gesellschaftlichen Debatte über einen Ausbau der Rüstungsindustrie zur Verteidigung unserer demokratischen Grundordnung».

Bei Ausschlusskriterien für nachhaltige Anlagen unterscheidet man zwischen normbasierten Kriterien, die sich an internationalen Standards orientieren (Kinderarbeit, Menschenrechte), und wertbasierten Kriterien, die persönliche oder gesellschaftliche Überzeugungen widerspiegeln. Der Verzicht auf Waffen gilt dabei als ein wertbasiertes Kriterium – und ist damit dem Zeitgeist unterworfen.

Sabine Döbeli ist Geschäftsführerin des Verbands Swiss Sustainable Finance und eine Expertin für nachhaltige Finanzen. Sie sagt zur Debatte: «Der Grund, warum viele Fondsanbieter trotzdem Hersteller konventioneller Waffen ausgeschlossen haben, liegt zum einen daran, dass viele Privatanleger aus persönlicher Überzeugung keine Rüstungsfirmen in ihren Portfolios haben wollten. Es hat aber auch damit zu tun, dass der Einsatz von Waffen viel Leid und Zerstörung anrichtet und damit nachhaltigen Prinzipien zuwiderläuft.»

Zum Boom der Waffenkonzerne sagt sie: «Es ist eine sehr negative Entwicklung, wenn ein wachsender Anteil von nationalen Budgets in die Rüstung investiert wird und damit weniger Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung stehen.»

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