Darum gehts
Bleibt ein Zollaufschlag auf Schweizer Güter von bis zu 39 Prozent bestehen, setzt das die heimische Wirtschaft unter massiven Druck. Am schlimmsten ist die Unsicherheit darüber, auf welchem Niveau die Zölle am Ende sein werden. Unmittelbar betroffen sind in erster Linie Unternehmen aus der Industriebranche, die auf den Absatz in den USA angewiesen sind und in der Schweiz produzieren. Der Branchenverband Swissmem spricht von Zehntausenden gefährdeten Arbeitsplätzen.
Dass die Schweizer Börse bisher relativ gelassen auf die Bedrohung reagiert hat, kann daher überraschen. Umso mehr, weil laut Analysten der UBS die in der Schweiz gelisteten Unternehmen 90 Prozent ihres Umsatzes und Gewinns im Ausland erzielen – einen Drittel allein in den USA. Für Lieferungen aus der Schweiz geraten sie entweder direkt durch die US-Zölle unter Druck oder durch einen Konkurrenznachteil gegenüber Anbietern aus anderen Industrieländern mit einer tieferen Zollbelastung.
Vorerst mildernde Faktoren
Die mässige Börsenreaktion liegt zum einen an der Erwartung, dass Donald Trump am Ende mildere Zölle als angedroht verhängt. Zum anderen haben die an der Börse dominierenden Firmen Vorteile, die andere nicht haben: zum Beispiel Produktionsstätten in den USA. Ein Vorteil der Schweizer Exportbranche insgesamt ist auch, dass viele ihrer Spezialitäten wenig preiselastisch sind.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Das heisst, Preiserhöhungen führen nicht zu einem unmittelbaren Einbruch der Nachfrage. Das gilt etwa für Medikamente oder für spezialisierte Industriegüter, weil die Abnehmer auch bei höheren Preisen nicht ohne weiteres auf Alternativen ausweichen können. Bei Luxusprodukten wie Uhren im teuersten Segment schrecken hohe Preise die reiche Kundschaft ebenfalls nicht ab. Anbieter von tiefermargigen Produkten, die einem schärferen Preiswettbewerb ausgesetzt sind, geraten allerdings durch einen massiven Zollanstieg in grösste Schwierigkeiten.
Gefahr von steigender Arbeitslosenquote
Sollten die Zölle anhaltend sehr hoch bleiben, wird das auf die Dauer auf die gesamte Schweizer Volkswirtschaft durchschlagen. Entgegen vielfach geäusserten Befürchtungen dürfte die Schweiz vorderhand aber vor einer Rezession im Sinn einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung über mehrere Quartale verschont bleiben. So lautet die Prognose praktisch aller Prognoseinstitute. Das liegt auch daran, dass die von den Zollturbulenzen bisher noch wenig berührte Binnenwirtschaft stützend wirkt.
Keine Rezession heisst aber nicht, dass alles gut ist. Die Schweizer Wirtschaft war bereits vor der Ankündigung der US-Strafzölle und der neuen Unsicherheit schwach unterwegs. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stagniert seit längerem. Insbesondere die jetzt erst recht bedrohte Industrie und dort vor allem die KMU befinden sich schon seit einiger Zeit auf einer Durststrecke.
Das zeigt sich auch am weit beachteten Einkaufsmangerindex PMI für die Industrie. Seit zwei Monaten zeigt der PMI für die Dienstleistungen und damit die Binnenwirtschaft Werte unterhalb der Wachstumsschwelle an. Ein weiterer Wachstumsrückgang dürfte sich auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Die Arbeitslosenquote im Juni lag saisonbereinigt bereits bei 2,9 Prozent, vor einem Jahr waren es noch 2,4 Prozent.
Der Hammer für die Weltwirtschaft folgt erst
Dass die bereits eingeführten Zölle weltweit noch nicht stärker auf die Realwirtschaft durchschlagen, liegt daran, dass in Erwartung des Zollhammers viele Lieferungen auf Vorrat bereits im Vorfeld ausgeführt wurden. Dazu kommt, dass die Einkäufer in den USA die Zölle bisher auf ihre Kappe nehmen. Deshalb hat in den USA auch das Preisniveau kaum reagiert und auch nicht die Gesamtnachfrage.
Doch diese Effekte werden bei einem fortgesetzten Zollkrieg und angesichts der Unsicherheit darüber, was am Ende gilt, immer mehr auslaufen. Ausbleibende Investitionen, steigende Preise in den USA und der Druck der Zölle auf die Exporteure werden irgendwann ihre volle Wirkung entfalten. Das alles bedeutet, dass die schlimmsten gesamtwirtschaftlichen Folgen erst nach einiger Zeit eintreten.