Darum gehts
- Tessiner fordern freien Seezugang in Tenero, Campingplätze versperren Zugang
- Konflikte zwischen Einheimischen und Touristen auch in anderen Schweizer Regionen
- Campofelice verzeichnet 800'000 Übernachtungen pro Jahr am Lago Maggiore
In Tenero TI liegen die Nerven blank! Die Einheimischen sind sauer, weil sie nicht mehr an den Lago Maggiore können. Joggen, Spazieren oder einfach nur auf einem Bänkli chillen, das geht seit Ende März nicht mehr. Gitter und Verbotstafeln versperren den Zugang zum Wasser – den ganzen Sommer hindurch. Jetzt haben die Tessiner genug. Sie fordern einen freien Zugang ans Ufer, wie die CH-Media-Zeitungen schreiben.
Das Problem: Der Seeuferweg – er führt vom Hafen von Minusio zur Mündung der Verzasca – ist von Frühling bis Herbst nicht durchgehend. Sechs grosse Campingplätze und das nationale Jugendsportzentrum (CST) liegen direkt am Ufer. Hunderte Zelt- und Stellplätze, teilweise direkt am Wasser, machen Tenero zum Paradies für Camper. Der Grossteil von ihnen reist aus der Deutschschweiz an. Die Feriengäste schwärmen vom tiefblauen Wasser und dem Ufer mit der tollen Aussicht – und wollen ihren Frieden. Den Seezugang mit Einheimischen teilen? Lieber nicht.
Ufer soll ganzjährig zugänglich sein
SP-Nationalrat Bruno Storni (70) hat genug. Zusammen mit dem Verein Rives publiques fordert er: Das Seeufer muss ganzjährig zugänglich sein! Er spricht von einer rechtswidrigen Privatisierung des öffentlichen Raums. Viele Tessinerinnen und Tessiner geben ihm recht: Ein Stück Heimat sei verloren gegangen, so der Tenor. Storni reichte eine Interpellation ein. Die Antwort aus Bern fiel kühl aus: Kein Handlungsbedarf, teilte der Bundesrat mit. Die jetzige Lösung sei «ausgewogen».
Die Gegenseite verteidigt sich. Simone Patelli, Chef des Campofelice – des grössten Campings der Schweiz – kontert: Alles sei legal, vertraglich geregelt und diene nur der Sicherheit, sagt er im Bericht. Zudem bringe der Tourismus der Region enorme Einnahmen: 800'000 Übernachtungen pro Jahr, das könne man nicht einfach ignorieren.
Auch Oeschinen- und Klöntalersee im Fokus
Das Ansinnen aus der Sonnenstube überrascht. Kippt in der Schweiz die Stimmung gegenüber Touristen? Der Knatsch um den Seezugang im Tessin reiht sich ein in eine ganze Reihe von Konflikten, die schweizweit für Schlagzeilen sorgen. Aktuelles Beispiel ist das Klöntal mit dem gleichnamigen Bergsee im Kanton Glarus. Am Sonntag befindet die Glarner Landsgemeinde über autofreie Sonntage im abgelegenen Tal. Bei Beizern und Campingplatzbetreibern kommt das nicht gut an. Sie befürchten Mindereinnahmen. Die Gemeinde Glarus hat per Anfang Jahr zudem die Parkgebühren im Klöntal verdoppelt, um Besucherinnen und Besucher – ein Grossteil reist jeweils aus dem Raum Zürich an – dazu zu bringen, zu Fuss, mit dem Velo oder per ÖV anzureisen.
Auch in Luzern sind viele Einheimische nicht gut auf Touristen zu sprechen. Neu müssen Busse, die am Schwanenplatz oder am Löwenplatz Fahrgäste aussteigen lassen wollen, 100 Franken bezahlen. Luzern ist die erste Stadt der Schweiz, die mit einer fetten Parkgebühr gegen den Massentourismus kämpft.
Seit dem 1. Mai gilt zudem am Oeschinensee eine Reservationspflicht. Wer mit der Gondelbahn ab Kandersteg BE zum Oeschinensee hochfahren will, muss sich neu einen Time-Slot reservieren – und zwar im Voraus. Besucher müssen angeben, wann sie den Bergsee besuchen wollen. Und wie lange sie beim Instagram-Hotspot verweilen möchten. Zudem sorgen Ranger rund um den See für Ordnung.