Kann die Schweiz noch etwas tun? Industrieboss ist skeptisch
«Der Mist ist geführt»

Nach dem Angriff auf die Banken knöpft sich das Weisse Haus die erfolgreiche Pharmaindustrie vor. Mit überrissenen Zöllen will es das Erfolgsmodell schleifen. Was kann die Schweiz tun?
Publiziert: 03.08.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 03.08.2025 um 10:51 Uhr
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Der Aktienkurs von Roche dürfte am Montag gehörig Federn lassen.
Foto: STEFAN BOHRER
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

An den Worten des US-Handelsbeauftragten gibt es nichts zu deuteln: «Wir konnten uns überhaupt nicht auf einen geeigneten Weg zur Reduzierung des Handelsdefizits einigen», sagte Jamieson Greer gegenüber Bloomberg. «Sie (die Schweizer) liefern enorme Mengen an Arzneimitteln in unser Land. Wir wollen diese Arzneimittel jedoch in unserem eigenen Land produzieren.» Mit den Zöllen, so das Verständnis der Amerikaner, will man Schweizer Unternehmen zwingen, in den USA zu produzieren. Das ist ein offen erklärter Wirtschaftskrieg.

Wem es bis jetzt noch nicht klar war: Der wirtschaftliche Feind Nummer eins der Schweiz sind die Vereinigten Staaten von Amerika, die nette «Sister Republic» von Übersee, die der Schweiz am 1. August die Augen auskratzt. Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um voraussagen zu können, dass am Montag die Kurse vieler Schweizer Aktien fallen werden: die Pharma-Titel Roche und Novartis, die Schmuck- und Uhrenunternehmen Richemont und Swatch sowie etliche Techfirmen. Aber auch der Lebensmittelkonzern Nestlé, der aus dem Waadtländer Städtchen Avenches Milliarden Nespresso-Kapseln in die USA exportiert.

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Die Grossbank UBS sieht turbulente Tage auf die Schweizer Börse zukommen. In einem Warnschreiben an ihre Kunden empfiehlt sie – durchaus im eigenen Interesse – kurzfristige «Störgeräusche und Volatilität» auszublenden. «Übereilte Entscheidungen, emotionale Reaktionen wie das Realisieren von Verlusten und den Drang, vermeintlich ‹sichere Häfen› wie Bargeld zu suchen, sollten vermieden werden», schreibt das Team um UBS-Ökonom Daniel Kalt.

Das Matterhorn schenken?

Die UBS hofft weiterhin, dass die Schweiz in den verbleibenden Tagen noch einen besseren Deal aushandeln kann. Das ist nicht unmöglich. Doch was will die Schweizer Delegation Donald Trump jetzt noch anbieten? Eine Verdopplung der Direktinvestitionen auf 60 Milliarden? Den Einkauf von dreckigem US-Schiefergas? Das Rezept für Appenzeller Käse verraten oder das Matterhorn schenken? Hört man tief in die Schweizer Unternehmerszene hinein, macht sich Skepsis breit: «Der Mist ist geführt», sagt ein Industrieboss im Gespräch. Jetzt würden reihenweise Businesspläne neu geschrieben, sagt er. Unternehmer sind Realisten, die mit dem arbeiten müssen, was sie haben.

Gegen den amerikanischen Merkantilismus kann die Schweiz nichts ausrichten. Solange Trump im Weissen Haus sitzt – das sind noch lange drei Jahre –, bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihre Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Staaten auszubauen und weitere Freihandelsabkommen zu schliessen. Sie muss den Blick auch nach innen richten und mit gezielten Massnahmen den Zoll-Schaden möglichst gering halten.

Die einflussreichen Wirtschaftsverbände haben reagiert und flugs alte Forderungen aus der Schublade hervorgeholt. So verlangt der Gewerbeverband ein umfangreiches «Entlastungs- und Revitalisierungspaket» für Schweizer Unternehmen. Nebst dem Regulierungskostenabbau brauche es unter anderem ein sofortiges «Regulierungsmoratorium sowie eine Regulierungsbremse».

Investitionsprogramm auf den Tisch

Das ist nett, auf den Tisch gehört aber auch ein Investitionsprogramm. Die Schweiz befindet sich als eine der wenigen Volkswirtschaften der Welt in der vorteilhaften Lage, Schulden zum Nulltarif aufnehmen zu können. Sie kann Mittel aufnehmen und gezielt in den Bau neuer Stromproduktionsanlagen stecken. Sie kann die künstliche Intelligenz fördern und in Chipfabriken investieren. Sie kann die Produktion eigener Drohnen für die Armee vorantreiben. Warum soll die Schweiz Drohnen aus dem Ausland kaufen, wenn die Schweizer Hochschulen in der Forschung der Fluggeräte führend sind?

Weil aber solche Initiativen oft Jahre in Anspruch nehmen, bis sie Wirkung entfalten, müssen auch Sofortmassnahmen getroffen werden. Wichtiger Punkt: eine Vereinfachung der Kurzarbeitsregelung und eine Verlängerung der Bezugsdauer. Der Bund könnte zudem nach dem Vorbild der Amerikaner einen «Buy Switzerland Act» einführen und verlangen, dass Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen einen bestimmten Anteil an Schweizer Wertschöpfung erfüllen müssen.

Auch zu unkonventionellen Mitteln könnte die Schweiz greifen und die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer auf die lange Bank schieben. Gegenwind in diesen chaotischen Zeiten ist kaum zu erwarten – jedenfalls nicht von amerikanischer Seite. Schliesslich hat die Trump-Regierung vor kurzem definitiv beschlossen, das Programm nicht umzusetzen.

Trump liebt Schweizer Uhren

Blick versuchte diese Woche, mit Swatch-Chef Nick Hayek ein Gespräch über die Folgen des Zollhammers für die Uhrenindustrie zu führen. Es meldete sich eine Sprecherin und meinte: «Keine Schnellschüsse an Negativismus und Spekulationen und vor allem kein Hyperventilieren – vor allem von den Journalisten. Keep calm.»

Was man nicht vergessen sollte: Die Amerikaner versuchen nicht zum ersten Mal, das Schweizer Erfolgsmodell zu zerstören. Mit ihrem Frontalangriff auf das Bankgeheimnis haben sie den Finanzplatz in der Schweiz bereits massiv geschwächt.

Jetzt hat die Trump-Regierung die erfolgreiche Pharmaindustrie ins Visier genommen. Dabei ist seiner Regierung offenbar egal, wenn sie mit ihrer massiven Feuerkraft auch andere Branchen trifft – auch die schönen Schweizer Uhren, die Trump angeblich so sehr liebt. Seine eigene in der Schweiz produzierte «President Tourbillon» jedenfalls wird künftig deutlich mehr kosten als die 100'000 Dollar, die Trump jetzt verlangt.

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