Gute Nacht, Nachtzug
«Konzeptlos!» – Experte zerreisst neue SBB-Verbindungen

Die Schweiz plant, den internationalen Schienenverkehr mit 10 Millionen Franken jährlich zu fördern. Ein neuer Nachtzug von Basel nach Malmö soll ab 2026 verkehren. Experten zweifeln aber an der Umsetzbarkeit des Projekts.
Publiziert: 19.07.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2025 um 08:46 Uhr
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Das Nachtzug-Angebot der SBB fusst aktuell mehrheitlich auf Nightjet-Routen der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB).
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Nachtzugverkehr in der Schweiz: Begrenzte Auswahl trotz zentraler Lage
  • Neue Verbindung Basel-Kopenhagen-Malmö ab 2026 geplant
  • Experten skeptisch über Machbarkeit neuer Routen
  • BAV unterstützt internationalen Schienenverkehr mit 10 Millionen Franken jährlich
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

«Das Projekt steht auf wackligen Füssen», sagt Bahn-Experte Kurt Metz (73) zu Blick. Er meint damit die Pläne für einen neuen Nachtzug von Basel via Kopenhagen (Dänemark) nach Malmö (Schweden).

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hatte vor wenigen Tagen vermeldet, dass es in den kommenden fünf Jahren den internationalen Personenverkehr auf Schienen mit 10 Millionen Franken pro Jahr unterstützen wolle. 1,2 Millionen Franken sollen davon schon dieses Jahr in die Vorbereitungsarbeiten für die neue Nachtzugverbindung fliessen.

Ab April 2026 soll der Nachtzug Basel-Malmö dann dreimal pro Woche und Richtung verkehren. Dass jede Zugfahrt hin und zurück den Steuerzahler 30'000 Franken kosten soll, wie in Medienberichten kolportiert, will die SBB nicht kommentieren.

Zweifel an der Machbarkeit

Metz hat ohnehin Zweifel, dass die Route zustande kommt. Zum einen sei das Rollmaterial von Projektpartner Railroad Development Corporation (RDC) veraltet und anfällig für Pannen. Dazu werde ein effizienter Betrieb durch eine «suboptimale Trassenführung in Deutschland auf der Rückfahrt während der Morgenstunden» verhindert. Die Fahrt dauerten zudem viel zu lang, als dass sie etwa für Geschäftsreisende interessant wären.

Der Weiterzug nach Malmö – die Stadt liegt gegenüber von Kopenhagen am Øresund – verlängert die Fahrt zusätzlich. Eigentlich nicht zwingend, weil es regelmässige Nahverkehrs-Verbindungen zwischen den beiden Städten gibt. Laut Metz habe der Weiterzug nach Malmö damit zu tun, dass es in Kopenhagen keine geeignete Abstell- und Wartungsinfrastruktur gebe.

Metz fährt mit den Plänen hart ins Gericht. «Die nun bewilligte Subventionierung der Verbindung reiht sich ein in ein konzeptlos erscheinendes Je-Ka-Mi des internationalen Personenverkehrs der SBB.»

Als Beispiele nennt er den diesen Sommer lancierten Direktzug nach Pisa, der mehrere Stunden länger unterwegs ist als die bestehenden Verbindungen mit Umstieg in Mailand. Für 2026 sei zudem ein Direktzug nach Bozen via Innsbruck vorgesehen, der etwa gleich lang benötigt, wie wenn man via Landquart–Zernez–Mals nach Meran und Bozen reisen würde. «Dafür fehlen Prestige- und Marketing-mässig weniger ergiebige, aber vom Markt nachgefragte und geforderte Verbindungen nach Strassburg und Lyon, welche mit einmaligem Umsteigen ganz Frankreich und Barcelona ideal erschliessen würden», schliesst der Bahnexperte.

Nachtzüge müssten möglichst selbsttragend sein

Metz, grundsätzlich ein glühender Befürworter von Bahnverbindungen, sieht auch die angedachte Verbindung zwischen Basel und London St. Pancras kritisch. Diese sei «chancenlos»: Sie bedinge den Bau eines spezifischen britischen Terminals in Basel für die Kontrollen von Fahrausweis, Pass, Zoll und Sicherheit. Zudem müssten während der sechsstündigen Fahrzeit die Zugtüren geschlossen bleiben. Demgegenüber stehe ein «bescheidenes Fahrgastaufkommen», das kommerziell die Führung nur eines Zugpaars pro Tag rechtfertige. Ohne Subventionierung sei auch das kaum möglich.

Schon der frühere SBB-Chef Benedikt Weibel (78) kritisierte die Bemühungen um die Nachtzüge. Er meint, Nachtzüge sollten keine Subventionen erhalten, sondern selbsttragend sein – sofern möglich.

Die SBB räumen auf Blick-Nachfrage ein, dass es ohne Subventionen gar nicht geht: Damit die neue Verbindung eingeführt werden kann, ist eine finanzielle Unterstützung durch den Bund auch 2026 notwendig und für den langfristigen Betrieb darüber hinaus. «Nachtzüge sind aufgrund hoher Kosten wie Personal, Rollmaterial und Trassengebühren trotz der grossen Beliebtheit nicht rentabel», sagt eine Sprecherin. Die SBB sehe aber grosses Potenzial: «Mit der Weiterführung des Zuges bis Malmö können mit nur einmal umsteigen auch Stockholm, Göteborg und zukünftig Oslo erreicht werden.»

Zudem entspreche die Verlängerung der Route Zürich-Genua nach Pisa einem Bedürfnis: «Erfahrungen zeigen, dass Reisende eine Direktverbindung schätzen», so die Sprecherin.

Ein überschaubares Nachtzug-Angebot

Grundsätzlich gibt es Nachfrage für Nachtzüge. Damit kommt man über Nacht erholt und umweltfreundlich zum Ziel, jeweils mitten in der Stadt und nicht weit ausserhalb.

Allerdings ist die Auswahl der Nachtzugziele ab der Schweiz überschaubar, trotz unserer zentralen Lage in Europa. Die finanzielle Förderung ist in der Schweiz bislang wegen politischer Sparmassnahmen begrenzt: Letztes Jahr trat der Bundesrat bei der Förderung von Nachtzügen auf die Sparbremse. Die Pläne mit Nachtzügen nach Barcelona und Rom wurden vorerst auf Eis gelegt.

Damit verbleiben bis auf Weiteres im Nachtzug-Angebot ab der Schweiz nur Verbindungen mit den Nightjets von Partner ÖBB nach Deutschland (Hamburg, Berlin), Österreich (Wien, Graz) und in die Niederlande (Amsterdam).

Dazu gibt es noch die Euronight-Verbindungen nach Osteuropa, konkret nach Prag (Tschechien), Budapest (Ungarn), Ljubljana (Slowenien), Zagreb (Kroatien) sowie nach Dresden und Leipzig (Deutschland).

Grenznah gäbe es noch einen Nachtzug von Bregenz nach Wien sowie die Autoreisezüge von Feldkirch nach Wien oder von Lörrach nach Hamburg.

Kaum Chancen für neue Ideen?

Grundsätzlich wäre der Nachtzug von Basel nach Kopenhagen/Malmö zu begrüssen. Bis 2014 gab es mit der CityNightLine (CNL) schon einmal ein Angebot zwischen Basel und Kopenhagen. Endlich wäre Skandinavien also wieder mit Nachtzügen an die Schweiz angebunden!

Aber die Hürden sind hoch. Zudem hat SBB-Partnerin ÖBB vor wenigen Tagen gleich selber einen Dämpfer für das Nachtzugangebot erteilt: Sie wird einen Teil der bei Siemens bestellten Nightjets in Tageszugkompositionen umwandeln. Statt 16 weiterer Nightjets werden nur sieben Züge abgerufen.

«Das verzögert die Ablösung älterer Fahrzeuge und stoppt wohl den Aufbau neuer Verbindungen», schliesst Metz.


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