Darum gehts
Das Bankmanagement und die Gewerkschaften haben das Heu eher selten auf derselben Bühne. In der Debatte um die erhöhten Eigenmittelvorschriften für die UBS aber können Ermotti und Co. auf den Bankpersonalverband (SBPV) als Verbündeten zählen.
«Der Bundesrat geht mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Eigenmittelvorschriften ein hohes Risiko ein, den Finanzplatz Schweiz zu schwächen, mit nicht absehbaren Folgen für den Staat, für die Steuerzahlenden und die Volkswirtschaft», warnt der SBPV in seiner Vernehmlassungsstellungnahme. Denn bei einer möglichen Verlegung des Hauptsitzes der UBS würden über 10'000 Jobs in Gefahr sein. Insgesamt beschäftigt die UBS rund 34'000 Menschen in der Schweiz; rund ein Drittel davon sind mit Zentralaufgaben befasst.
Ein Wegzug wäre für die UBS teuer und mit erheblichen Risiken behaftet, weshalb die meisten Experten nicht an dieses Szenario glauben. Sicher ist indes, dass ein Wegzug für die Schweiz keine gute Nachricht wäre. Und das liegt nicht nur am möglichen Verlust von Arbeitsplätzen; der Finanzplatz wäre geschwächt und die Schweiz würde auf der internationalen Bühne an Einfluss verlieren.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Neben dem Verlust Tausender hoch qualifizierter Arbeitsplätze wären sinkende Steuereinnahmen eine direkte Folge des Wegzugs. Im vergangenen Jahr zahlte die UBS in der Schweiz rund 1 Milliarde Dollar. Dieser Betrag würde vermutlich aber nicht vollständig wegfallen, weil die UBS mit ihrer Schweiz AG sowie mit anderen Geschäftsteilen im Land präsent bliebe. Allerdings würde der Wegfall gut bezahlter Stellen die Steuerverluste weiter erhöhen.
Industriemanager warnen vor den Folgen
Da die Schweiz-Tochter der UBS im Land bliebe, würde auch kein unmittelbarer Engpass bei der Kreditversorgung drohen. Doch Topmanager sorgen sich über die längerfristigen Folgen eines Wegzugs: «Für die Industrie wäre es schlecht, würde die UBS ihre Zentrale ins Ausland verlegen», sagt Barend Fruithof, CEO des Spezialfahrzeugherstellers Aebi Schmidt, zur Handelszeitung. «Eine UBS mit Sitz im Ausland würde nicht mehr denselben Fokus auf das Schweiz-Geschäft haben wie derzeit. Und gerade für grosse, mittelständische Firmen würde das zum Problem.»
So hat sich in der Finanzkrise gezeigt, dass Banken ihr Engagement in Auslandsmärkten zurückfahren und ihre Kreditversorgung primär auf die Heimatmärkte fokussierten. Fruithof, der in seiner Laufbahn einmal Chef des Schweizer Firmenkundengeschäfts der Credit Suisse war, hält die geplanten Kapitalverschärfungen für übertrieben, die Schweiz habe bereits weltweit die strengsten Vorschriften. «Wir global agierenden Unternehmer brauchen eine Schweizer Bank, die global ebenfalls wettbewerbsfähig ist.» Nach Angaben der UBS betreut die Grossbank in der Schweiz rund 200’000 Firmenkunden.
So spielt die UBS unter anderem im Bereich Exportfinanzierung eine wichtige Rolle. Dies würden nur internationale Banken anbieten, rein inlandorientierte Banken seien in diesem Feld nicht aktiv, sagen Branchenkenner. Wer hier mit einer Schweizer Adresse arbeiten will, kommt fast nicht an der UBS vorbei.
Keine Schweizer Alternativen
Ähnliches gilt für das Investmentbanking. Das haben auch BNP Paribas, J. P. Morgan oder Goldman im Angebot: Aber nur die UBS ist hier noch als Schweizer Adresse mit umfassenden Dienstleistungen wie Derivaten, komplexen Finanzierungen und Wertpapieremissionen vertreten. Auch bei einem Wegzug der Zentrale würde die UBS mit einer Schweizer Bank präsent bleiben und die Dienste nicht aufs Mal einstellen – aber die Marktteilnehmer fürchten unisono, dass die Schweiz in Sachen Geschäftsstrategie dann weniger wichtig wäre.
Daher wirft sich auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse für die UBS ins Zeug: «Dass die Schweiz über einen international ausgerichteten und starken Finanzplatz verfügt, ist ein klarer Standortvorteil», sagt Chefökonom Rudolf Minsch. «Die Schweizer Unternehmen können für ihre Exporttätigkeit und ihre internationale Präsenz auf die Expertise und auf Finanzierungslösungen des Schweizer Finanzplatzes zählen. Unser Finanzplatz hat diese Expertise, weil er international stark aufgestellt ist und weltweit ein Netzwerk hat. Wenn wir keine Schweizer Grossbank mehr hätten, würde dieses wichtige ‹Know-how› zunehmend verschwinden und die internationale Strahlkraft als Finanzplatz nachlassen», warnt er.
Die UBS ist für Banken eine wichtige Gegenpartei
Bankvertreter betonen zudem, dass die UBS auch für andere Banken ein wichtiger Geschäftspartner ist. «Auch die letzte Regionalbank braucht Dollar-Clearing», sagt ein Branchenkenner. Denn jede Transaktion, bei der Dollars gebraucht werden, wie etwa Wertpapierkäufe, müssen über eine Bank abgewickelt werden, die von den US-Behörden die Lizenz zum Dollar-Clearing hat – wie die UBS. Auch andere Häuser wie die in der Schweiz vertretenen US-Banken können das leisten, doch die UBS ist noch die letzte Schweizer Adresse mit dieser Lizenz der US-Behörden.
«Kleinere Banken agieren oft als Kunden der Grossbanken, um Zugang zu intrasektoralen Dienstleistungen, Anlageprodukten und Know-how zu erhalten», heisst es dazu in einer Studie von Oliver Wyman zum Finanzplatz im Auftrag der Bankiervereinigung. Der Finanzplatz sei ein komplexes Ökosystem, und die letzte verbliebene Grossbank UBS spielt hier eine zentrale Rolle. Unter anderem auch bei der Ausbildung, denn viele Bankmanager in anderen Banken haben früher in ihrer Laufbahn einmal für die UBS oder die frühere CS gearbeitet. Zieht das Headquarter weg, würde es für Schweizer Banker schwieriger, Führungserfahrung in einem internationalen Bankkonzern zu bekommen. Allein die Zürcher Kantonalbank hat laut Studie rund 550 Mitarbeiter von der UBS rekrutiert.
Die Schweiz droht an Einfluss zu verlieren
Zöge die UBS ins Ausland, würde der Schweiz zudem ein Bedeutungsverlust auf der internationalen Bühne drohen. So ist die Schweiz derzeit dank ihrem bedeutenden Finanzplatz in internationalen Gremien vertreten, zum Beispiel im Basel Committee on Banking Supervision (BCBS), in dem die internationale Bankenregulierung vorgespurt wird. Und beim Internationalen Währungsfonds (IWF) hat die Schweiz Einsitz im Internationalen Währungs- und Finanzkomitee. «Gemessen an ihrer Grösse und politischen Einflussmöglichkeit ist die Schweiz in der internationalen Finanzentscheidungsfindung sehr gut vertreten», heisst es in der Oliver-Wyman-Studie.
Und die Experten warnen: «Sollte die Schweiz in Zukunft keine global relevanten Banken mehr stellen oder keinen Bankensektor mit signifikanten ausländischen Aktivitäten aufweisen, könnte dies ihre Mitwirkung an der globalen Politikgestaltung gefährden.»