Darum gehts
- Mann erpresst Immobilienfirma bei Neubauprojekt
- Gericht verurteilt ihn wegen Erpressung
- Einsprecher fordern häufiger Geld für Rückzug von Rekursen gegen Bauprojekte
- Kompensationszahlungen liegen meist zwischen 5000 und 20'000 Franken
Das Haus einer Seniorin bietet beste Aussicht auf den Zürichsee. Doch eine Immobilienfirma will auf der Nachbarparzelle einen Neubau hinstellen, mit dem die Seesicht futsch wäre. Der Sohn der Seniorin legt Einspruch ein und fordert 165'000 Franken, damit er den Rekurs zurückzieht. Die Firma zahlt, zieht ihn dann aber vor Gericht, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Nun hat das Bezirksgericht Horgen den Mann wegen Erpressung verurteilt. Neben einer bedingten Haftstrafe über zwölf Monate muss er die 165'000 Franken plus Zinsen zurückzahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Anwalt des Angeklagten argumentierte, dass die Immobilienfirma zuerst 20'000 Franken angeboten hätte, damit der Rekurs zurückgezogen wird. Das Gericht hielt fest, dass der Rekurs nur vorgeschoben war, um Druck auf die Firma auszuüben. Der Beschuldigte habe nie eine Diskussion zu seinen Beanstandungen am Bauprojekt gesucht. Die Bauherren haben den Neubau inzwischen realisiert.
«Abschreckende Wirkung»
«In diesem Fall war der Betrag stossend und wurde als missbräuchlich eingestuft. Ich bin überzeugt, dass dieses Urteil eine abschreckende Wirkung hat», sagt Cornel Tanno (61), Leiter Rechtsberatung des Hauseigentümerverbands Zürich.
Dass Einsprecher ihren Rekurs gegen eine finanzielle Entschädigung zurückziehen, kommt immer häufiger vor, wie man aus der Baubranche hört. Zentral dabei ist, wer den Deal anbietet. Bauherren dürfen auch bei voraussichtlich aussichtslosen Einsprachen Geld bieten, damit der Rekurs vom Tisch ist.
Will ein Kläger in einem solchen Fall Druck aufbauen und Geld sehen, kann dies von einem Gericht als Erpressung ausgelegt werden. «Das ist rechtlich sehr verwerflich und Beklagte können vor Gericht auch schadenersatzpflichtig werden», so Tanno. Den Bauherren entsteht durch eine ungerechtfertigte Einsprache ein finanzieller Schaden, da sich die Realisierung um Jahre hinauszögern kann.
Wann eine Entschädigung gerechtfertigt ist
Das Gesetz gewährt nur unter sehr engen Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Entschädigung. Der Verlust einer schönen Aussicht oder ein Schattenwurf gehören nicht dazu. Schliesslich muss man beim Kauf einer Immobilie damit rechnen, dass auf einer freien Nachbarsparzelle eines Tages ein Wohnhaus erstellt wird.
Wird beim Bauprojekt hingegen das Baureglement nicht eingehalten, sind die Chancen für Einsprecher schon deutlich höher. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Grenzabstand unterschritten wird oder das Gebäude zu hoch ist. «Das wird aber bereits von der Baubehörde geprüft und kommt ganz selten vor. Möchte ein Bauherr ein Näherbaurecht, sucht man in der Regel frühzeitig das Gespräch mit den Nachbarn, damit man hierfür vor einem möglichen Rekurs eine Lösung findet», sagt Tanno.
Meist würden die Kompensationszahlungen im Bereich von 5000 bis 20'000 Franken liegen, so der Rechtsexperte. «Werden 6-stellige Beträge gefordert, wird es kritisch.» Kann die Wertminderung einer Immobilie, die das Bauprojekt verursacht, durch ein Gutachten genau quantifiziert werden, können auch deutlich höhere Beträge fliessen. In der Regel ist es schwierig, den vermeintlichen Schaden zu beziffern.