Die drei Begriffe enthalten alles, was der besten Kunstturnerin unseres Landes wichtig, ja beinahe heilig ist. So will die 20-jährige Giulia sie bis in alle Ewigkeit mit sich tragen. Und brannte sich die Worte unter die Haut – als Tattoo am linken Fuss, vom Rist bis oberhalb des oft einbandagierten Knöchels.
In schwungvollen japanischen Kanji-Schriftzeichen. Nicht auf Chinesisch, was eigentlich besser zu der aktuellen Weltmeisterschaft in Nanning passen würde, wo Steingruber heute die Qualifikation für den Mehrkampf- und die Gerätefinals bestreitet.
«Die Schriftzeichen gefallen mir einfach, ich finde sie sehr ästhetisch», erklärt Giulia. Anders als die olympischen Ringe, die sie sich nach London 2012 seitlich der Brust hat stechen lassen, hat das neue Tattoo nichts mit ihrer Turn-Karriere zu tun. «Die drei Begriffe sind mir allgemein wichtig und begleiten mich durchs Leben.» Die Ostschweizerin liess sie sich während der Sommerferien daheim in St. Gallen tätowieren. «Ein Geschenk meiner Eltern zum 20. Geburtstag.» Lachend fügt sie an: «Beim Nachstechen hat es ziemlich geschmerzt.»
Aber wenn eine auf die Zähne beissen kann, dann die zweifache Europameisterin im Sprung. Schmerz, Druck, Tränen – das alles geht einher mit der harten Kunstturn-Karriere. Und deshalb ist Steingruber die Familie so enorm wichtig. «Meine Eltern haben mich auf dem Weg nach oben unterstützt und sind noch heute immer für mich da», erklärt sie das erste Element ihres neuen Knöchel-Schmucks.
Schwester macht sie stark
Sie verwarf den anfänglichen Gedanken, den Namen oder die Initialen ihrer Schwester im Tattoo unterzubringen. Désirée Steingruber ist seit Geburt geistig und körperlich stark behindert – Giulias Gegenpol, dem sie sich sehr verbunden fühlt. Vielleicht sei sie so stark, weil sie die Kraft ihrer Schwester noch dazu bekommen habe, vermutet sie.
«Familie» beinhaltet alles. «Bin ich mal down oder wächst mir alles über den Kopf, dann wende ich mich an sie. Daheim in Gossau tanke ich am besten wieder auf.» Dahin zog sich Giulia auch zurück, als sich im Sommer die teuflische Turn-Blockade, die plötzliche Angst vor jahrelang verinnerlichten Drehungen, in ihren Kopf eingeschlichen hat. «Nur dank meiner Familie habe ich diese Krise ohne Psychologen bewältigt!»
«Liebe» – Giulias behütetes Geheimnis. Seit dem Liebes-Aus mit ihrem früheren Freund, dem EHC Biel-Eishockeyaner Kaj Leuenberger, verrät die begehrte Beauty mit einer Schwäche zu sexy High Heels nur wenig aus ihrem Privatleben. An Verehrern mangelt es ihr mit Sicherheit nicht. Aber was sie auf ihrer Homepage schreibt, muss an Information vorerst reichen: «Meine grosse Liebe: das Kunstturnen.»
Nie Kopf hängen lassen
Darauf verwendet Giulia in ihrer derzeitigen Lebensphase auch die meiste «Energie» – das dritte Wort. «Es steht generell für positive Lebensenergie», sagt sie und erklärt, was sie darunter versteht. «Es bedeutet immer aufgestellt sein. Nie den Kopf hängen lassen, auch wenn es mal schwieriger ist.»
Genau das nimmt sich die Schweizer Delegations-Leaderin an der WM in Nanning diese Woche vor. Für sich und fürs Team, das mit einer guten Leistung den ersten Schritt zu den Olympischen Spielen 2016 gehen kann. Die besten 24 Mannschaften qualifizieren sich für die nächste WM 2015 in Glasgow – dort wird in einem zweiten Schritt das Ticket nach Rio vergeben.
Vielleicht holt Steingruber in China ja mit ihren zwei schwierigen Parade-Sprüngen – dem Tschussowitina und dem Jurtschenko mit je doppelten Schrauben – sogar Gold. Das ginge nicht nur ihr unter die Haut! Aber auf ihrem durchtrainierten Körper käme womöglich noch ein drittes Tattoo hinzu.