Darum gehts
- Leandro Riedi kehrt nach Knieverletzungen zurück
- Riedi nahm während der Reha fünf Kilo Muskelmasse zu
- Comeback für Mitte Mai geplant, French-Open-Quali als geschützter Spieler
Im Schweizer Männertennis war zuletzt Geduld angesagt. Bis auf den Challenger-Turniersieg von Marc-Andrea Hüsler (28) in Mexiko vor rund einem Monat blieb es in sportlicher Hinsicht ruhig um die Spieler von Hoffnungsträger Henry Bernet (18, angeschlagen) bis Altmeister Stan Wawrinka (40, auf Formsuche). Das lag auch am dramatischen Ausfall von Leandro Riedi, der 2024 furios in die Saison gestartet war und im ersten Halbjahr gleich in fünf Challenger-Finals einzog – und zwei davon für sich entschied.
Der Zürcher, 2020 Endspielgegner von Dominic Stricker (22) in Roland Garros (2:6, 4:6), preschte bis auf Rang 117 in der Weltrangliste vor und schien endlich das riesige Potenzial, das ihm nachgesagt wird, ausschöpfen zu können. Doch dann kam der doppelte Verletzungshammer: Im September erfolgte die erste Knie-OP wegen eines Knochenabrisses. Dann, gegen Ende des Aufbaus im Januar, warf ihn ein unglücklicher Misstritt im Training erneut weit zurück. Knie verdreht. Meniskus-Innenriss. Wieder eine Knie-OP. Wieder eine neue Reha. «Das war mental einfach nur brutal», sagt er jetzt gegenüber Blick, «da ging ich drei Wochen wirklich unten durch und habe auch Aufmunterungsversuche kaum ertragen.»
Eisbad-Challenge in Magglingen
Er sagt, er sei froh, habe er ein gutes, verständnisvolles Umfeld gehabt, das ihn in jenen schwierigen Wochen aufgefangen habe. Familie, Freunde und auch Coach Yannik Steinegger (24) oder Swiss-Tennis-Konditrainer Beni Linder «waren für mich da, auch wenn sie hin und wieder einstecken mussten, wenn ich nicht gut gelaunt war – dafür bin ich sehr dankbar».
Riedi rappelte sich allerdings schnell wieder auf. Ein Tapetenwechsel tat ihm gut. Neben Biel machte er einen Teil des körperlichen Aufbaus auch im Nationalen Sportzentrum in Magglingen, schwitzte dort mit Kunstturnern und teilweise auch mit Athleten der Winter-RS. «Der Austausch mit anderen Sportarten tat mir extrem gut. Wir haben uns gegenseitig motiviert – etwa indem wir schauten, wer länger im Eisbad aushält», scherzt er.
Riedi hat die lange, meist tennisfreie Zeit auch genutzt, um physisch eine noch bessere Basis aufzubauen. Hört man sich ein wenig um, heisst es schnell einmal, «Lele» sei in der Zwischenzeit ein «Tier» geworden. Tatsächlich hat Riedi in der Reha rund fünf Kilo Muskelmasse zugenommen. Er ist auf dem Platz schwerer, hat in den Schlägen aber auch «mehr Power» und kann «schneller servieren», wie er sagt: «Ich spüre den Unterschied zur Zeit vor den Verletzungen. Ich bin jetzt ein anderer Athlet als vorher.»
«Ein allzu radikaler Weg wäre nichts für mich»
Das hat letztlich auch damit zu tun, dass Riedi auch in Sachen Ernährung an gewissen Rädchen geschraubt hat. Süssgetränke sind, «bis auf einen Cheat-Day hin und wieder» tabu geworden. Er arbeitet eng mit einer Ernährungsberaterin zusammen, deren empathische Art er schätzt und von der er sich ernstgenommen fühlt: «Sie verbietet mir nichts, zeigt mir aber auch auf, womit ich etwas bewegen kann. Ein allzu radikaler Weg wäre nichts für mich.»
Mittlerweile ist Riedi so weit, dass er auf dem Platz wieder normal trainieren kann. «Noch keine Matchsituation, aber immerhin schon ein paar Punkte», sagt er. Sein Comeback plant er für Mitte Mai, wo er auf Challenger-Stufe entweder in Zagreb oder in Oeiras antreten will, um danach direkt nach Paris weiterzureisen. Dort kann er mittels seiner eingeforderten, geschützten Weltranglistenposition (Platz 132) in der French-Open-Qualifikation ran. Das «Protected Ranking» wird ihm später auch die (Quali-)Türen für die darauffolgenden Grand Slams in Wimbledon, New York und Melbourne öffnen. Doch so weit denke er noch nicht: «Ab Juli wäre mein Ziel, ein grösserer Turnierblock zu spielen. Bis dahin werde ich wohl immer wieder Pausen einlegen.»
Steinegger weiterhin Hauptcoach
Begleitet wird er zu Beginn von Trainer Thiemo Scharfenberger, weil Steinegger seinerseits mit seiner Weiterbildung in der Prüfungsphase steckt: «Danach wird Steini aber wieder an Bord sein.» Möglichst, um an den Erfolgen vom Vorjahr anzuknüpfen. Vor allem aber, um einfach wieder Spass auf der Tour zu haben, wie Riedi betont: «Mein grösster Wunsch wäre nach all diesen Verletzungsepisoden, nun einmal zwei Jahre durchspielen zu können – und dann schauen wir, wo ich stehe.» Hört man sich bei Experten um, kriegt man bei ihm dieselbe Antwort wie bei seinen fast gleichaltrigen Kumpels Dominic Stricker (22) und Jérôme Kym (22): die Top 50 der Welt? Sie kämen nicht überraschend. Auch Tennis-Legende Andy Murray (37) outete sich einst als Fan von Riedi, als er sagte: «Ich habe noch nie jemanden so retournieren sehen wie ihn.»