In Italiens Sport hat es in den letzten Tagen ordentlich gerumpelt. Nach der 0:3-Blamage der Fussball-Nationalmannschaft zum WM-Quali-Auftakt in Norwegen herrschte – zumindest medial – Staatstrauer. Die Schlagzeilen reichten von «Desaster» bis «Schande». Und die «Gazzetta dello Sport» und «Tuttosport» schrieben unisono hoffnungsvoll: «Zum Glück gibt es noch Jannik Sinner».
Doch dann liefert nicht einmal der an den French Open zuvor so souverän durchmarschierte Südtiroler. Ohne Satzverlust ist Sinner in den Traumfinal gegen Carlos Alcaraz eingezogen – und dann führt er auch noch mit zwei Sätzen, hat drei Matchbälle im vierten Satz und verliert am Ende dennoch 6:4, 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (3:7), 6:7 (2:10). Mehr Drama geht nicht.
Über fünf Stunden Kampf
Titelverteidiger Alcaraz zeigt auf dem Court Philippe-Chatrier ein Wahnsinnsspiel. Zunächst raufen sich seine Fans in der mit 15’000 Zuschauern proppenvollen Arena immer wieder die Haare, weil ihm ungewohnt viele Ungenauigkeiten unterlaufen. Und weil Sinner sein beeindruckendes Programm abspult.
Doch immer, wenn Alcaraz mit dem Rücken zur Wand steht, packt er sein bestes Tennis aus. Wunderschläge, Vorhände wie Raketen. Der Showman schafft es, das Pariser Publikum immer wieder anzuheizen. Er verwandelt das Stadion in einen Hexenkessel – und wiederholt am Ende nach fünf Stunden und 29 Minuten sein Final-Kunststück vom Vorjahr. Auch damals lag er gegen Alexander Zverev zurück, stand am Ende aber dennoch als Sieger da (6:3, 2:6, 5:7, 6:1, 6:2).
Sein fünfter Major-Titel ist ein besonderer
Vor zwei Wochen war Rafael Nadal auf dem Court Philippe-Chatrier für seine 14 Roland-Garros-Siege gewürdigt worden. Jetzt untermauert Alcaraz mit der Titelverteidigung, dass er der neue König an der Porte d’Auteuil ist. Und: Dass er in der neuen, elektrisierenden Rivalität mit Sinner zumindest in den Direktduellen ganz klar die Nase vorn hat. Mittlerweile führt er in der Head-to-Head-Statistik mit 8:4 Siegen. Die nunmehr fünf letzten Affichen konnte der Rechtshänder aus El Palmar für sich entscheiden. Dieser jüngste Sieg im längsten Paris-Final aller Zeiten ist aber mit Abstand sein wertvollster.
Und ebenfalls besonders: Alcaraz steht mit 22 Jahren jetzt schon bei fünf Major-Titeln. Er hat noch kein einziges Endspiel auf allerhöchster Stufe verloren.