Darum gehts
- Jérôme Kym gewinnt bei US Open, feiert grössten Sieg seiner Karriere
- Kym überwindet Verletzungen und Zweifel, trainiert in Kitzbühel seit 2020
- Mit 15 wurde Kym jüngster Schweizer Davis-Cup-Spieler aller Zeiten
Käppli und Schläger fliegen auf den Boden, später folgen mehrere Jubelschreie hintereinander: Jérôme Kym (22) lässt nach seinem Erfolg über Lokalmatador Ethan Quinn den Emotionen freien Lauf. Es ist an den US Open sein vierter Sieg in Folge. Nach drei in der Quali setzt der Fricktaler bei seinem allerersten Einsatz in einem Grand-Slam-Hauptfeld noch einen drauf. Im SRF-Interview ringt er hinterher nach Worten. «Das ist Wahnsinn, die Stimmung hier – das habe ich noch nie erlebt, das ist krank.» Natürlich: Die Zuschauer seien praktisch alle für seinen amerikanischen Widersacher gewesen, «doch zum Glück hatte ich auch noch zehn deutschsprachige Fans auf meiner Seite», meint er schmunzelnd.
Es ist der bislang grösste Sieg seiner Karriere. Und er fügt sich ein in eine zuletzt vielversprechende Entwicklung in diesem Sommer. In Modena (It) und Hagen (De) stand er jeweils in zwei Challenger-Halbfinals und beim ATP-250-Turnier in Gstaad stürmte er vor einem Monat in den Viertelfinal. Nun hat er sich nach jahrelangem Warten endlich auch auf Grand-Slam-Stufe erlöst. Er macht jetzt das, was ihm Experten schon viel früher zugetraut hatten.
Letztes Jahr stand er vor einer Tennis-Auszeit
Mit 15 wurde Kym zum jüngsten Schweizer Davis-Cup-Spieler aller Zeiten, als er im Doppel antreten durfte. Er zählte zu den talentiertesten Nachwuchsspielern der Welt. Doch seine Karriere geriet ins Stocken, weil ihn immer wieder Verletzungen zurückwarfen. Sein Knie spielte nicht mit, 2023 musst er deswegen gar unters Messer.
Die ausbleibenden sportlichen Erfolge nagten am 1,98-Meter-Hünen. Nach einem schlechten Start ins Jahr 2024 stellte er sich gar die Sinnfrage, wie er damals gegenüber Blick verriet: «Ich hatte keinen klaren Kopf. Ich stand kurz davor, eine Auszeit zu nehmen.» Doch ausgerechnet im nächsten Turnier machte es bei ihm Klick. Er gewann das Challenger-Turnier in Prostejov (Tsch) und arbeitete sich immer weiter hoch. Von Platz 444 bis in die Top 200 der Welt. Dank des Exploits in New York wird der Rechtshänder, der den Russen Andrey Rublev (27) und den Südtiroler Weltranglistenersten Jannik Sinner (24) als seine Vorbilder nennt, nun mindestens um Platz 160 klassiert sein.
Muttenzerkurve und Fastnachtszunft
Unterstützt wird Kym in New York weiterhin von seinem österreichischen Coach Markus Hipf (47), der einst die Nummer 63 der Welt war. Die Basis des Duos ist in Kitzbühel (Ö), wo Kym seit 2020 trainiert. Daneben ist er aber weiterhin stark mit seiner Heimat verbunden. Die Tennis-Hoffnung aus Möhlin AG ist riesiger FCB-Fan, stand auch schon in der Muttenzerkurve. Auch die Fasnacht hat für ihn einen grossen Stellenwert, genauso wie seine Tambourengruppe, für die er seit Jahren kaum mehr Zeit findet. Statt mit der Fasnachtszunft Ryburg zu trommeln, macht er es halt auf der Tennis-Tour auf seine eigene Art – mit Gummischlägern, die er überall hin mitnehmen kann. «Es hilft mir, den Kopf freizubekommen», meinte er im Vorjahr, als er sein grosses Potenzial endlich wieder andeutete.
Mittlerweile ist er auf den grossen Bühnen des Tennissports angekommen. Ob sein US-Open-Märchen weitergeht? Sein nächster Gegner ist mit Brandon Nakashima (24, ATP 31) erneut ein US-Amerikaner. Die zehn deutschsprachigen Nasen könnte er also auch in Runde zwei ganz gut gebrauchen.