«Einen Djokovic zu sperren, wäre Selbstmord»
Tennis-Wettskandal – jetzt packt ein Insider aus!

Daniel Köllerer war selbst Tennis-Profi. 2011 wurde er lebenslänglich gesperrt. Jetzt spricht er.
Publiziert: 24.01.2016 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:17 Uhr
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Daniel Köllerer packt aus.
Foto: BLICK
Simon Häring

Vor fünf Jahren wird der Österreicher Daniel Köllerer (32) wegen Wettmanipulationen von der ATP lebenslänglich gesperrt. Ohne Beweise, wie er selber sagt. Die zwei Gerichtsverhandlungen haben sein gesamtes Vermögen aufgefressen: «Frau, Kind, Haus – alles war weg und ich schwerst depressiv. Die ATP ist eine Mafia.» Blick erreicht ihn in einem Hotelzimmer auf der Dominikanischen Republik. Zum Wettskandal sagt er: «Für mich war immer klar, dass einmal ein grosser Knall kommen würde.»

Daniel Köllerer, wie überrascht sind Sie über die Enthüllungen?
Einerseits überrascht, andererseits nicht. Was schockierend ist, ist dass auch Top-4-Spieler Spiele manipuliert haben sollen.

Glauben Sie das?
Wenn die ein Spiel für 1500 Euro verkaufen, merkt man das am Konto gar nicht. Darum glaube ich nicht, dass dies der Fall ist. Aber die ATP würde nie einen Djokovic, Federer, Nadal oder Murray sperren. Obwohl ich nicht glaube, dass solche Top-Spieler manipulieren, wäre das für die ATP wie Selbstmord. Top-Spieler werden geschützt, die unwichtigen geopfert.

«Es gibt Spieler, die mehr dürfen als andere.»

Sehen Sie sich als Bauernopfer?
Ich bin einfach das Arschloch der Nation. Ich wurde damals geopfert, um anderen Spielern zu zeigen, was passieren kann. Ich war der ATP ein Dorn im Auge. So konnten sie mich öffentlich zur Schau stellen.

Glauben Sie, dass die ATP von Betrügern weiss, diese aber schützt?
Ja. Hunderprozentig. Es gibt Spieler, die mehr dürfen als andere. Ich kann mir das sehr vorstellen. Es gibt Leute, die der ATP in den Arsch kriechen und dadurch werden gewisse Spieler geschützt. Und dann gibt es Leute wie mich, die man loswerden will. Die ganze Organisation ist für den Arsch.

«Jeder mit dem IQ einer Waschmaschine weiss doch, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht.»

Denken Sie da an Spieler wie Marin Cilic?
Ich nenne keine Namen. Aber dass bei dem auch einiges nicht klar gelaufen ist, braucht man auch nicht diskutieren. Es ist halt einfach traurig bei einem wie ihm. Er wird positiv getestet und gewinnt ein Jahr später die US Open. Seien sie mir nicht böse, aber da weiss doch jeder mit dem IQ einer Waschmaschine, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht.

Sie wurden selber mehrmals angeworben. Wie läuft das ab?
Du wirst von einem Mittelsmann angesprochen. Einmal bin ich im Hotelzimmer angerufen worden, einmal auf dem Handy und einmal wurde ich einfach beim Abendessen angesprochen.

«Mir wurden einmal 100'000 Dollar für eine Niederlage geboten.»

Um welche Summen geht es da?
Bei einem Spiel gegen Dawidenko bot man mir 50'000 Dollar, das gleiche bei einem Spiel gegen Tipsarevic. Einmal wurden mir für eine Niederlage gegen Massu sogar 100'000 Dollar geboten.

Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich habe das sofort abgelehnt und möchte damit nichts zu tun haben. Ich habe schon so genug Blödsinn gemacht auf dem Tennisplatz, Rackets zerstört, Schiedsrichter beschimpft. Ich war einfach disziplinlos, aber mit schwerem Betrug will ich nichts zu tun haben.

Wie gross ist das Problem mit den Wetten?
Es sind 16 von den ersten 50, das heisst, jeder Dritte verliert Matches absichtlich, das ist bedenklich. Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Spieler aus den Top 20 Matches manipuliert.

Haben Sie dafür Beweise?
Nein. Das ist eine reine Vermutung von mir.

«Die ATP ist eine Mafia, die uns Spieler den Wettanbietern zum Frass vorwirft, statt uns zu schützen.»

Wie kann man das Problem lösen?
Die ATP muss die Spieler viel mehr schützen und nicht einfach den Wettanbietern zum Frass vorwerfen.

An welche Massnahmen denken Sie konkret?
Wetten müssen einfach ganz verboten werden. Aber das kann man natürlich nicht machen, weil einige Turniere von Wettanbietern gesponsert werden. Das ist einfach dreckig. Das ist einfach eine Mafia. Statt uns Spieler zu schützen, knebeln sie uns, verbieten uns Sponsorgelder und nehmen das Geld für sich selber. Das ist korrupt und eine Frechheit.

Sie wurden 2011 lebenslänglich gesperrt...
Die Gerichtsverhandlungen haben mich 180'000 Dollar gekostet und die waren in Wirklichkeit nicht zu gewinnen. Du gehst und kämpfst für Gerechtigkeit. Aber wenn sie dich bei den Eiern haben, gibt es keine Gerechtigkeit mehr, dann bist du ein Loser.

Hat Sie das auch finanziell ruiniert?
Haben Sie 180'000 Dollar auf der hohen Kante? Die ATP hat mein gesamtes Leben zerstört. Nach der Sperre waren Frau, Kind und Haus weg, einfach alles. Und ich war schwerstens depressiv. Beim Doping kriegst du deine befristete Sperre, beim Matchfixing wirst du verurteilt ohne Beweise.

«Wenn ich wieder spielen darf, wäre das superschön. Wenn nicht, ist es mir egal, was mit diesem Scheisssport passiert.»

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Tennis?
Ganz ehrlich? Mir ist mittlerweile alles scheissegal, was da passiert. Wenn ich wieder spielen darf, wäre das superschön, weil ich mit meiner Kleinen auf ein Turnier fahren könnte und ich mir das mehr wünsche als alles andere. Wenn das nicht passiert, ist mir egal, was mit diesem Scheisssport passiert. Ich habe so die Schnauze voll von diesem Dreckstennis.

Und wenn Sie morgen begnadigt würden?
Auf die Tour zurück will ich nicht. Aber ich habe mir immer gewünscht, dass mein kleiner Zwerg, meine kleine Tochter, mir bei einem Turnier zuschauen kann. Und das war leider nie möglich.

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