Wer Novak Djokovic bei seinem sechsten Melbourne-Triumph beobachtet hat, muss zum Schluss kommen: nur ein Roboter kann diesen Mann schlagen. Für alle anderen ist der Serbe unschlagbar. Auch dank Boris Becker, der wieder Anerkennung statt Spott erntet.
Was macht Djokovic so stark? Er hat nicht die Kraft eines Rafael Nadal, nicht die Grundlinien-Schläge eines Stan Wawrinka oder die Brillanz eines Roger Federer. Und doch hat gegen ihn keiner eine Chance. Nicht die Vorhand, nicht der Aufschlag, nicht die Rückhand ist sein Geheimnis.
Das Geheimnis seines Erfolgs liegt dort, wo Tennis-Matches entschieden werden: im Kopf. Dass er auch einen Match gewinnt wie jenen im Achtelfinal gegen den Franzosen Gilles Simon in dem ihm 100 Fehler unterlaufen, sagt alles über seine Nehmer-Qualitäten.
Jahrelang steht er im Schatten von Federer und Nadal. Djokovic – die ewige Nummer 3. Aber der Serbe ist vom Erfolg besessen, mehr als alle anderen. Er stellt die Ernährung um, wird dünner, drahtiger, und zum perfekten Tennis-Athleten.
Der letzte Stein im Erfolgs-Puzzle ist Boris Becker. Dessen Präsenz lässt Djokovic glauben, er sei unschlagbar, unverwundbar. Unzählige Einträge in die Rekordbücher sind die Folge. Becker warnt: «Novak ist noch lange nicht am Ende.» Sein Mann ist derzeit unschlagbar.
Mit unbedarften Äusserungen wie jenen zu Federers Halbvolley-Return «Sabr» («Wir hätten ihn einfach abgeschossen») oder zur Beziehung der beiden Konkurrenten («Es ist ein offenes Geheimniss, dass Djokovic und Federer sich nicht wirklich mögen») legt Becker immer wieder Feuer.
Umso überraschender ist, dass er nun ein Erfolgstrainer ist. Noch vor zwei Jahren fand Boris Becker, der wegen eines Hüftleidens nur noch aus dem Stand Tennis spielen kann, nur in den Klatschspalten statt. Es gab kaum ein Fettnäpfchen, das das einstige Tennis-Idol ausliess.
Nach seinem Karriereende im Jahr 1999 zeugt er in der «Besenkammer-Affäre» ein uneheliches Kind, spricht danach von «Samenraub». Er muss sich wegen Steuerbetrugs verantworten und treibt die Angestellten seiner Finca auf Mallorca in den finanziellen Ruin.
Den traurigen Tiefpunkt der Becker-Charade bildet ein Auftritt in einer TV-Show, wo sich der einstige Tennis-Held Deutschlands mit einer Fliegenklappen-Mütze der Lächerlichkeit preisgibt. Ausserhalb des Tennis-Zirkus ist Becker gescheitert. Kaum zurück ein gefeierter Trainer.
Becker ist für Djokovics Erfolg mindestens so wichtig wie der Serbe umgekehrt dafür, dass Becker nun wieder Anerkennung statt Spott erntet. Eine Kombination, die nur Sieger kennt. Zwei Fliegen auf einen Streich – die Fliegenklappen-Mütze als Symbol des Erfolgs.
Als Grösster aller Zeiten geht trotz Djokovics Dominanz aber noch ein anderer in die Geschichte ein: Roger Federer. Weil sein Repertoire im Gegensatz zu jenem des Serben vollständig ist. Eine Erfolgsgarantie ist das indes nicht. Das hat auch Melbourne wieder gezeigt.