Die Zahlen erschrecken. Machen den Fahrern Angst. Beim WorldTour-Klassiker E3 in Harelbeke starten am vorletzten Freitag 198 Fahrer, 40 davon fliegen im Rennen auf den Asphalt. Zwei Tage später kommen zwei Dutzend bei Gent–Wevelgem zu Fall. «Es gibt zu viele Fahrer, die die Moral haben, aber eben nicht die Beine und das Gefühl für einen Massensprint», sagt Gregory Rast (34).
Redet Fabian Cancellaras Edelhelfer über die vielen Stürze und ihre Ursachen, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Für ihn sind einige Kollegen «Selbstmörder» und «Idioten», die keine Bremsen kennen. «Sie fallen lieber ‹uf d’Schnurre› als einen oder zwei Plätze im Feld zu verlieren. Die können Ertrag und Konsequenzen nicht auseinanderhalten.»
Viele haben aber gar keine Wahl. Bei ihnen ist die Existenzangst grösser als die Furcht vor Stürzen. Für alle Teams geht es um WorldTour-Punkte, die an diesen Rennen zu gewinnen sind. «Bringst du keine Punkte, hast du keinen Vertrag mehr», klagt BMC-Fahrer Klaas Lodewyck (Be).
In Flandern wollen heute auch alle Ausländer Flamen sein: unerschrocken, gnadenlos, ohne Angst vor Verlusten. Früher fuhren nur die Einheimischen die gefährlichen Rennen auf den Karrenwegen. Dann kamen die Ausländer, weil ihre Sponsoren es so wollten. Jetzt kommen sie, um zu siegen.
Dank Funk im Ohr kennen auch sie die Strecken. Sie wissen, wann sie sich einreihen müssen. Sie wissen, aus welcher Richtung der Wind nach der nächsten Biegung weht. Grösser werden auch die Schikanen auf der Strasse. Immer mehr Kreisel, Pfosten und Fahrbahnschwellen, schlafende Polizisten genannt, erschweren den Rennfahrern das Leben.
Aus Angst zu versagen, greifen viele Radprofis zu Schmerzmitteln, die nicht auf der Dopingliste stehen. Taylor Phinney (USA), aus dem Team BMC, klagt: «Gegen Ende der Rennen passieren zu viele unbegreifliche Stürze. Es gibt Fahrer, die haben in ihren Trinkflaschen Schmerzmittel wie Tramadol.» Dieses Medikament ist rezeptpflichtig, gehört zu den opioiden Schmerzmitteln, Hauptwirkstoff ist Morphium. Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Tramadol gehören Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Benommenheit. Und diese Nebenwirkungen schmälern die Konzentration der Fahrer.
Gregory Rast wird auch heute für den Chef den Schneepflug spielen. Aus dem Weg räumen, was nicht hingehört. Die Ellbogen ausfahren, um Cancellaras Position zu verteidigen. «Uns werden die 17 Rampen helfen», sagt Rast. An den Steigungen könne nicht mehr «jeder Clown einfach dreinhalten». Er weiss: «Geht es bergauf, sind viele limitiert. Auf den Geraden können sie dann zeigen, was sie können – aber dann sind sie abgehängt.»
Flandern-Rundfahrt: SRF info, live ab 13.30 Uhr
25 Mannschaften starten heute zur Flandern-Rundfahrt. Die meisten ohne einen Sieganwärter in ihren Reihen. Ihr Ziel: Sich sofort nach dem Start zeigen!
«Was bringt uns ein 20. Rang«, sagt Walter Planckaert (66), Sportlicher Leiter des Teams Vlaanderen-Baloise. Der Gewinner der Flandern-Rundfahrt von 1976 muss seine Fahrer rechtzeitig ins TV-Bild rücken. «Drei meiner acht Fahrer haben den Auftrag, sofort in einer Fluchtgruppe mitzufahren. Denn unsere flämischen Sponsoren sitzen am Sonntag mit der Stoppuhr in der Hand vor dem Fernseher.»
Eine TV-Minute mit dem Mannschaftstrikot hat für den Sponsor einen Werbe-Effekt im Wert von 73 000 Franken. Bart Walreat, Marketingchef der «Basler Versicherungen»: «Seit 2013 sind wir auf dem belgischen Markt. Dank dem Radteam Vlaanderen-Baloise haben wir bereits einen
Bekanntheitsgrad von 25 Prozent.» Von Hans-Peter Hildbrand
25 Mannschaften starten heute zur Flandern-Rundfahrt. Die meisten ohne einen Sieganwärter in ihren Reihen. Ihr Ziel: Sich sofort nach dem Start zeigen!
«Was bringt uns ein 20. Rang«, sagt Walter Planckaert (66), Sportlicher Leiter des Teams Vlaanderen-Baloise. Der Gewinner der Flandern-Rundfahrt von 1976 muss seine Fahrer rechtzeitig ins TV-Bild rücken. «Drei meiner acht Fahrer haben den Auftrag, sofort in einer Fluchtgruppe mitzufahren. Denn unsere flämischen Sponsoren sitzen am Sonntag mit der Stoppuhr in der Hand vor dem Fernseher.»
Eine TV-Minute mit dem Mannschaftstrikot hat für den Sponsor einen Werbe-Effekt im Wert von 73 000 Franken. Bart Walreat, Marketingchef der «Basler Versicherungen»: «Seit 2013 sind wir auf dem belgischen Markt. Dank dem Radteam Vlaanderen-Baloise haben wir bereits einen
Bekanntheitsgrad von 25 Prozent.» Von Hans-Peter Hildbrand