TV-Nachtvogel über Null-Medaillen-Ösis
«Wäre gut, wenn die Athleten dem Lieben Gott mal danken würden»

TV-Nachtvogel Roger Benoit über die vergangene Olympische Nacht.
Publiziert: 12.08.2016 um 08:06 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 17:41 Uhr
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Österreichs Olympia-Pfarrer Johannes-Paul Chavanne.
Foto: Screenshot ORF
Roger Benoit

Sie tanzten Samba auf den Rängen – und wir feierten um 00.33 Uhr mit: Fidschi holte die erste Olympia-Medaille für den Inselstaat. Gold im Rugby – nach der  43:7-Demontage von Grossbritannien! Um 04.09 Uhr gehörte die TV-Nacht dann Michael Phelps. 22. Olympia-Gold.

Es waren wieder Stunden voller Emotionen, Dramen, Sprüchen und Tränen. Als Phelps über 200 Meter Lagen das vierte Rio-Gold holte, wurde der Deutsche Philip Heintz mit Rekord Sechster und heulte im ZDF wie ein Schlosshund: «Ich wollte schon immer eine Medaille. Es fehlten nur vier Zehntel. Es ist einfach alles nur Scheisse.» Können wir sie trösten? «Nein, vielleicht morgen!»

Doping-Thema ohne Ende

Deutschland wird also wie 2012 in London ohne Schwimm-Medaille bleiben. Zum Glück geht der Katzenjammer auf den beiden TV-Kanälen bald zu Ende. Dafür heizte das ZDF das Thema Doping vor dem zweiten Auftritt der Russin Julija Jefimowa um 03.15 Uhr über 200 m Brust wieder an. Der Ex-Wada-Chef Richard Pound, selbst IOC-Mitglied, klagte Präsident Thomas Bach und den internationalen Schwimmverband FINA an: «Sie haben bei den Russen falsch reagiert und sind jetzt für das Desaster verantwortlich.»

Drittes Hosszu-Gold

Und als um 03.45 Uhr die Ungarin Katinka Hosszu über 200 Meter Rücken wieder überlegen zum dritten Gold schwamm, sagte ZDF-Mann Thomas Wark: «Das Misstrauen gegen die Leistungen der Ungarin geht weiter!» Man kann es einfach nicht mehr hören.

Wann hat eigentlich ein TV-Nachtvogel seinen Arbeitsbeginn? Um 22 Uhr MEZ (also 17 Uhr in Rio) wird «offiziell» genau zugehört. Und da stürmte es im SRF-Studio so, dass man dieses verlegen musste. Dem ersten Besuch bei Jann Billeter tat dies keinen Abbruch. Brav sassen die Gold-Boys vom Leichtgewichts-Vierer da.

Das Gespräch kam leider kaum in Gang. Zu stark war wohl die innere Freude – und über die oft gefährdete Chemie bei ihrer Operation «Olympiagold» wollte keiner richtig Auskunft geben. Mario Gyr, Lucas Tramer, Simon Schürch und Simon Niepmann geniessen jetzt noch neun Tage die Stadt am Zuckerhut.

Ein paar Zehntelsekunden...

Um 22.15 Uhr dann ab ins Turnstadion zum wie immer harmonierenden Duo Beni Thurnheer und Roman Schweizer: Mehrkampf-Finale der Damen. Eine Show fürs Auge mit der nur 1,45 Meter kleinen Afro-Amerikanerin Simone Biles (19). Dabei auch unsere Königin, Giulia Steingruber.

Beni lehnte sich mit der Endklassierung dauernd aus dem Fenster. Bis es dann der 10. Platz war. Giulia war enttäuscht, gab offen zu: «Das Ziel war ein Diplom.» Thurnheer sprach dreimal von ein paar fehlenden Hundertstelsekunden … Na ja, der gute Auftritt der Schweizerin entschuldigte auch solche Versprecher.

«Keine Sau kennt mich!»

Kurz rüber ins ZDF-Studio zu Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein. Gast war dort Barbara Engleder, die Goldschützin im Kleinkaliber-Dreistellungskampf. Die Niederbayerin erzählte wild drauflos und hoffte «dass sie im deutschen Quartier ein Weissbier haben!» Ihre Waffen waren kürzlich bei einem Umwetter ins Wasser gefallen und wurden alle geröntgt.

Was die Frau wirklich drauf hat und im TV höflich verschwieg, erfuhr man in den digitalen Medien: «Mich kennt doch keine Sau!» Und die 20 000 Euro Siegprämie nahm sie zur Kenntnis: «Die Fussballer bekamen für ihren WM-Titel in Rio 300 000 Euro. Und selbst den Drittliga-Fussballern wird der Zucker in den Arsch geblasen, ohne dass sie dafür viel tun müssen!»

Brasilien schlägt Deutschland

Frust später auch im Handball. Um 23.15 Uhr war die Sensation perfekt. Gastgeber Brasilien hatte Deutschland mit 33:30 vor dem sicheren Viertelfinal-Einzug vorerst gestoppt. Die Halle tobte mit über 10 000 Fans. Der genervte ZDF-Reporter: «Kein Beinbruch, aber unnötig!»

Rad-Jaggi: «Ein Desaster!»

Auf SRF gings gleich weiter mit der Mannschaftsverfolgung im Rad. Claude Jaggi und Sven Montgomery waren sich nicht immer einig über das Schweizer Quartett (ohne den verletzten Superstar Küng). Vor dem Ende nach vier Kilometern floppten Beer und Dillier, nur Platz 7.

Da nur neun mitmachen und acht ins Finale kommen (Holland mit Sturz aus) schlug man also nur China. Jaggi: «Ein absolutes Desater!» Es darf ja auch kurz vor Mitternacht mal Klartext gesprochen werden.

Die sechste TV-Geisterstunde eröffneten unsere beiden Beachvolleyballerinen Heidrich und Zumkehr – mühsames 17:21, 21:11, 15:8 gegen die sieglosen Holland-Girls. Mit elf Blocks war Joana Heidrich die Matchwinnerin. Jetzt sind beide Schweizer Damen-Teams sicher im Achtelsfinal und dann können Sascha Ruefer und Martin Laciga ihren unendlichen Optimismus endlich richtig ausleben. Mit viel Geschrei.

Es sprach Johannes-Paul…

Den besten Auftritt der sechsten Olympia-TV-Nacht hatte um 01.53 Uhr im Austria-Haus – ein Pfarrer. Johannes-Paul Chavanne betreut die österreichischen Athleten: «Ich habe für sie auch viele kleine gesegnete Kreuze im Koffer!»

ORF-Reporter Michael Berger packte den göttlichen Beistand sofort beim Schopf: «Ein Stossgebet zum Himmel, dass wir nicht wieder ohne Medaille bleiben!» Der Pfarrer lächelte: «Ich bete jeden Tag zu Gott. Und es wäre gut, wenn die Athleten dem lieben Gott auch mal danken würden!»

Berger: «Dann schliessen Sie bitte unser Team ins Gebet ein!» Das ORF, Studio-Nachbar von SRF am Strand von Ipanema, wartet mit Ungeduld und Kritik auf Edelmetall. Schon 57 Nationen eroberten eine Medaille…

Badminton: Viel zu schnell…

Keine Hilfe von oben bekam unser Badminton-Star Sabrina Jaquet (29), die seit Jahren in der Schweiz Einzel, Doppel und Mixed dominiert. Gegen die Schottin Kirsty Gilmour (22) verlor sie 17:21, 15:21 – und hat am Sonntag gegen eine Bulgarin eine letzte Chance.

Stefan Hofmänner blieb ein Gentleman: «Sie hat sich gut präsentiert!» Und wir sagen, es ist ein toller Sport, den man aber am TV nur in Zeitlupe  ausstrahlen sollte. Einmal wurde die «Feder» 47 Mal hin und her geschlagen.

Phelps: 41 Minuten Pause

Ab 3 Uhr geht es immer ins Schwimmbecken. Da ist es in Rio ja schon 22 Uhr. Die Athleten stöhnen vergeblich über die nächtlichen Rekordjagden im Wasser. Für den Wahnsinn sorgte der Wahnsinnige selbst: Michael Phelps. 41 Minuten und nach seinem 22. Gold hüpfte er wieder in sein nasses Wohnzimmer – und qualifizierte sich im ersten Halbfinal über 100 Meter Delfin als Zweiter für den Goldkampf am Freitag.

Zwischen der Phelps-Show durften sich noch die Amerikanerin Manuel und
die Kanadierin Oleksiak über 100 Meter Crawl die Goldmedaille teilen!

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