Der Regen in Lausanne ist so stark, dass das altehrwürdige Dach im Pontaise-Stadion nicht mehr überall ganz dicht hält. Die Tribünen an den Stirnseiten sind sowieso dem Wasser schutzlos ausgeliefert. Doch die Fans harren in ihren Pelerinen dennoch aus, vor allem die Schweizer Athletinnen und Athleten erhalten jeweils viel Lärm.
Mit einer Ausnahme: Angelica Moser (27). Völlig schuldlos natürlich – denn es gibt nichts zu jubeln, der Stabhochsprung wird bei dieser denkwürdigen Regenschlacht an der Athletissima früh abgebrochen. Moser hat gerade erst ihre Einstiegshöhe von 4,35 Metern übersprungen, als der Regen immer stärker wird. Die Jury schreitet ein und macht frühzeitig Schluss. Zu gefährlich!
Moser schnappt sich einen Schirm und sagt dann: «So kann man einfach nicht mehr springen. Am Anfang war die Hoffnung noch da, dass der Regen wenigstens so bleibt wie am Anfang oder vielleicht weniger wird. Doch dann gings einfach nicht mehr.»
«Für einen Sprung will man nicht das Leben riskieren»
Ansonsten zeigt sich die Leichtathletik äusserst wetterfest, auch Weitsprung und Hochsprung gehen trotz prekärer Bedingungen über die Bühne. Warum ist Stabhochsprung besonders heikel im Nassen? Moser schildert, dass es weder die rutschige Anlaufbahn noch der nasse Einstichkasten ist, wo sich der Stab seinen Halt sucht. «Dort geht es, solange sie das Wasser jeweils rausbringen. Unser Problem ist der Griff. Bei zu viel Regen bringst du ihn einfach nicht mehr trocken. Dann wirds gefährlich. Für einen Sprung will man nicht sein Leben riskieren», so die Olympia-Vierte.
Es ist der Alptraum der Luftartistinnen und -artisten: Mitten in der heiklen Phase, wenn man sich zur über vier Meter hohen Latte hochschraubt, am Stab mit den Händen wegzurutschen und aus grosser Höhe abzustürzen. Mit jeweils neuem Tape am Griff bleibt das Risiko bei Regen überschaubar. Aber in Lausanne schüttet es so stark, dass in Sekunden alles pitschnass ist. «Jetzt vor der WM will man auf keinen Fall eine Verletzung riskieren», sagt Moser.
Die WM findet im September in Tokio statt, die Europameisterin reist mit viel Ambitionen nach Japan. Doch die Vorbereitung hatte sie sich anders vorgestellt. Ihr letzter Wettkampfblock mit vier Events in Folge ist empfindlich gestört, denn schon am Samstag am Berner Citius-Meeting gabs viel Wetterpech. «Dort mussten wir wegen des Gewitters eineinhalb Stunden pausieren. Und nun auch Lausanne. Von den vier Wettkämpfen sind nun eigentlich zwei weggefallen.»
In der Not holt nun Moser am Donnerstag im Training in Magglingen BE das Athletissima-Springen nach, um zumindest die Belastung zu simulieren. Dann folgt vor der WM am Wochenende die SM in Frauenfeld TG und nächste Woche Weltklasse Zürich.