Österreich gegen die Schweiz: In Graz kommts heute zum erwarteten Endspiel um den zweiten Gruppenplatz in der EM-Quali. Da auch die vier besten Gruppendritten im nächsten Januar in Schweden, Norwegen und Dänemark dabei sind, ist selbst für den Verlierer nicht Hopfen und Malz verloren. Verlassen will sich darauf natürlich niemand. Es reicht der Blick aufs 29:29 im letzten Herbst in Schaffhausen, um die offene Ausgangslage zu erkennen.
Bei den Österreichern fehlt allerdings mit dem verletzten Nikola Bilyk (28) vom THW Kiel der Superstar des Teams. Sie werden deshalb noch mehr auf die Treffer von Tobias Wagner (30) angewiesen sein. Der Kreisläufer war schon im Hinspiel gegen die Schweiz mit acht Toren treffsicherster Österreicher.
Ein Handballer wie aus einer anderen Zeit
Doch Wagner ist nur seiner Tore wegen eine der auffälligsten Figuren im ÖHB-Team: 1,98 Meter und 128 Kilogramm stehen in seinem Steckbrief – ein echter Koloss. Kreisläufer mit solchen Massen sind im modernen Handball selten geworden. In einem Spiel, das von Filigrantechnikern wie dem Dänen Mathias Gidsel oder Ausnahmeathleten wie dem Franzosen Dika Mem dominiert wird, wirkt Wagner etwas aus der Zeit gefallen. Der Handball, in dem Kraft, Masse und Grösse entscheidende Faktoren waren, ist eigentlich längst vorbei.
Dessen ist sich auch Wagner bewusst, wie er der «Kleinen Zeitung» sagte: «Es ist kein Geheimnis, dass ich ein bisschen mehr trainieren muss als andere, um Leistung zu bringen. Meine Gelenke werden auch mehr beansprucht als bei einem 90-Kilo-Spieler. Da muss ich einfach mehr Zeit im Training investieren, um weiterhin auf einem hohen Niveau spielen zu können.»
Nati-Abwehrchef Samuel Röthlisberger sagt über Wagners Qualitäten: «Er ist physisch enorm robust. Man muss ihn deshalb während 60 Minuten immer etwas bearbeiten – am besten als ganzes Team. Und er ist erfahren genug, um zu wissen, wo er stehen und wann er sich bewegen muss.»
Wagner spielt in Erlangen. Der Bundesligist ist seine dritte Station im Ausland. Dazwischen kehrte er immer wieder in die österreichische Liga zurück. Grosse Konstante ist das Nationalteam, für das er schon 118 Mal auflief und seit 2018 an jeder EM teilnahm. Zweimal reichte es für Platz 8. Erfolge, die Wagner zu feiern weiss: «Wenn es einen Bewerb für die dritte Halbzeit gäbe, wären wir ganz vorne dabei.» Der Auftrag an unsere Nati ist also klar: Es gibt gegen Wagner und Co. mehr als nur zwei Halbzeiten zu gewinnen.