Von der Challenge in die Champions League
«GC-Rauswurf war das Beste, was mir passiert ist»

Von der Challenge in die Champions League heisst das Motto für den Zürcher Marc Giger. Bei GC noch aussortiert, gehört er aktuell zu den spannendsten Schweizer Shootingstars im internationalen Fussball. Im Interview spricht er über seine turbulente bisherige Karriere.
Publiziert: 01.10.2025 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2025 um 08:51 Uhr
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Seit Januar spielt der Zürcher Marc Giger bei Royale Union Saint-Gilloise in Belgien.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Marc Giger: Von GC aussortiert zur Champions League mit Royale Union
  • Giger glaubte stets an seinen Erfolg trotz Rückschlägen bei Schweizer Klubs
  • Mit 22 Jahren belgischer Meister und Champions-League-Debüt gegen PSV Eindhoven
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias WedermannFussballchef

Der Karriereweg des Zürchers Marc Giger ist eines der grossen Schweizer Fussballmärchen der letzten Jahre – und noch kein Ende in Sicht. Im Sommer 2022 wird er bei GC aussortiert im Alter von 18 Jahren, über die Umwege Linth (1. Liga Classic), Paradiso (Promotion League) und Schaffhausen (Challenge League) schafft er es doch noch in den Profifussball. Und nicht nur das: Im vergangenen Winter holte ihn Royale Union Saint-Gilloise nach Belgien. Drei Jahre nach seinem Aus bei GC und einem gescheiterten Probetraining beim FC Winterthur wird Giger im Mai belgischer Meister und debütiert beim Sieg über PSV Eindhoven in der Champions League. Am Wochenende hat der 21-Jährige sein erstes Tor erzielt. In einer kleinen Schweizer Medienrunde spricht er über die verrückten Monate seiner Karriere.

Blick: Ihre Champions-League-Geschichte passt zur bisherigen Karriere. Zuerst waren Sie nicht mal im Kader, wurden aufgrund einer Verletzung innerhalb des Teams aber nachnominiert.
Marc Giger: Es war natürlich hart für mich, nicht zum Kader dazuzugehören. Es fühlte sich wie ein Rückschlag an. Doch dann erhielt ich plötzlich einen Anruf vom Trainer, dass man sehr zufrieden gewesen ist mit den Trainingsleistungen und ich trotzdem dabei bin.

Und wie war das Gefühl, als die Champions-League-Hymne erklang?
Ich sass «nur» auf der Ersatzbank, aber ich hatte Gänsehaut pur. Mit dem Wissen, dass ich hier bin, um zu spielen, und nicht nur als Zuschauer. Das Gefühl ist unbeschreiblich. Man muss es erleben, damit man es nachvollziehen kann.

Vor zwei Jahren haben Sie in der Promotion League gespielt. Wie sehr haben Sie damit gerechnet, dass Sie es doch noch auf dieses Niveau schaffen könnten?
Es war bestimmt ein schwieriger Weg, aber wenn ich ehrlich bin mit Ihnen: Mir war immer klar, dass ich das schaffen werde. Ich gebe nie auf, nie. Darum wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis mein Moment kommen wird.

Sie wurden bei GC aussortiert, bei Winterthur hat man Sie nach einem Probetraining nicht genommen. Woher haben Sie dieses Selbstvertrauen genommen?
Ich wusste, was ich kann und was ich erreichen kann. Für mich gab es nie einen Plan B. Ich wusste, dass es nicht an meiner Qualität lag. Bei GC wurden ich und mein Bruder aussortiert aufgrund von Befindlichkeiten einer einzigen fragwürdigen Person in der Verantwortung.

Was war der Grund, wieso es so holprig war? Waren Sie ein Problemspieler?
Ich kann Ihnen das nicht sagen. Generell liegen bei der Förderung von Talenten in der Schweiz und im Ausland Welten dazwischen. Im Ausland wird man gefördert, behutsam weiterentwickelt. Man erhält Vertrauen, es wird ein Plan aufgezeigt. In der Schweiz kriegst du mal eine Chance und kannst auch gleich wieder rasiert werden nach einer schwachen Leistung. Es ist für mich keine Überraschung, dass die Schweiz als Ausbildungsliga international an Boden verliert.

Hat Sie Ihr Umweg stärker gemacht?
Wenn ich jetzt zurückschaue, ist es vielleicht das Beste, was mir passiert ist, dass ich bei GC rausgeflogen bin. Ich habe jetzt noch Kollegen, die auf ihre Chance in der 1. Mannschaft warten, und ich spiele Champions League.

Ihr Grossvater ist Louis Giger, der die Gidor-Coiffeurkette gegründet hat. Ihr Vater leitet das Unternehmen. Leiden Sie als Sohn einer wohlhabenden Familie auch unter Vorurteilen im Fussballgeschäft?
Das hat mich mein ganzes Leben begleitet. Auch hier in Belgien wurde ich schon von Mitspielern gefragt, wieso ich überhaupt Fussball spiele mit so einem familiären Hintergrund.

Und was antworten Sie?
Ja, ich bin sicher mit gewissen Privilegien aufgewachsen. Doch meine Eltern haben mich nicht so erzogen, dass ich mich darauf ausruhen könnte. Ich muss und will meinen eigenen Weg gehen.

Der frühere Nati-Star Admir Mehmedi hat Sie als Sportchef von Paradiso in der Promotion League zu Schaffhausen geholt. Was hat er in Ihnen gesehen?
Er hat etwas in mir gesehen, was andere verpasst haben. Schon beim ersten Gespräch hat er mir erklärt, dass er ganz genau wisse, was ich könne und was nicht. Er hat mir aufgezeigt, an welchen Schwächen ich arbeiten musste. Er hat mir immer wieder in Gesprächen geholfen und mich gefördert. Ich habe ihm extrem viel zu verdanken.

Im letzten Januar ging es zu Royale Union Saint-Gilloise nach Belgien. Der Klub ist bekannt für seine fortschrittliche Arbeitsweise, die fast ausschliesslich auf Daten basiert ist. Was war Ihr erster Eindruck nach dem Wechsel von Schaffhausen?
Ich habe sehr viel Neues kennengelernt. Analyse hier, Analyse da, Analyse überall. Es wird auf jedes kleine Detail geachtet. Generell sind das Tempo und die Intensität viel höher. Es ist ganz anders, als ich das von GC oder Schaffhausen kennengelernt habe.

Diese Daten und Details haben Sie aber auch nach Belgien gebracht.
Das ist korrekt. Sie haben mir erzählt, dass ich in meinem Jahrgang zu den Spielern gehöre, die am meisten 1-gegen-1-Duelle erfolgreich absolvieren. So wurden sie in Schaffhausen auf mich aufmerksam.

Waren Sie sich dieser Daten bewusst?
Nein, ich wollte einfach immer meiner Mannschaft helfen mit meiner Art, Fussball zu spielen.

Wenige Monate später haben Sie bereits den belgischen Meisterpokal in den Händen gehabt. Wie hat sich das angefühlt?
Das war für mich ganz neu, um Titel und Pokale zu spielen. Das hatte ich zuvor noch nie in meinem Leben. Das letzte Meisterschaftsspiel und die anschliessende Meisterfeier im eigenen Stadion werde ich für immer in Erinnerung behalten. Aber das war hoffentlich erst der Anfang.

Heisst?
Bei meinem Wechsel im Winter war klar, dass ich zuerst keine grosse Rolle spielen werde. Ich bekam Jokereinsätze, der Trainer fördert mich aber sehr stark, und es liegt an mir, diese Chancen zu nutzen. Mein Ziel ist es, Stammspieler zu werden und dass wir als Team weiter um Titel spielen.

Als Nächstes wartet Newcastle United in der Champions League. Aber ohne den Schweizer Fabian Schär, der verletzungsbedingt ausfällt.
Das ist sehr schade. Er gehört zu den grossen Fussballern dieses Landes, und seit ich klein bin, verfolge ich ihn im Fernsehen. Ich hätte ihn sehr gerne kurz kennengelernt und das Trikot getauscht. Vielleicht klappt der Liiblitausch ja mit Yann Sommer, wenn wir gegen Inter spielen.

Wer ist Ihr Vorbild aus dieser Generation?
Schon Xherdan Shaqiri. Als Liverpool-Fan habe ich ihn natürlich besonders verfolgt.

Und ein generelles Vorbild?
Neymar. Ich habe mir lange immer Highlights von ihm angeschaut vor meinen Spielen und habe mich dann selber mit dem Gedanken gepusht: Heute spielst du wie Neymar!

Auch Sie wollen ein Nati-Star werden. Schon im Winter haben Sie Blick selbstbewusst gesagt, dass Ihr Ziel die WM 2026 ist. Sie sind der einzige Schweizer Offensivspieler in der Champions League, Ihre Chancen sind nicht kleiner geworden.
Ja, das ist mein Ziel, mit der Schweiz an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Ich finde nicht, dass das unrealistisch ist.

Sie könnten aufgrund der Herkunft Ihrer Mutter auch für Kamerun spielen.
Das ist korrekt, aber mein Ziel ist es, für die Schweiz zu spielen, wie ich es aktuell schon in der U21 mache.

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