Darum gehts
- Italiens Fussball in der Krise: Angst vor erneuter WM-Qualifikation-Verfehlung
- Mangelnde Jugendstrategie und veraltete Infrastruktur behindern Entwicklung
- Nur 3 von 20 Serie-A-Klubs haben U23-Teams in der Serie C
Es sind gerade (mal wieder?) die dunkelsten Stunden des italienischen Fussballs. Der Auslöser war die 0:3-Schmach gegen Norwegen am letzten Freitag. Seither geht in Italien die Angst um, dass man zum dritten Mal in Folge eine Weltmeisterschaft verpasst. Ein Horrorszenario für das Land des vierfachen Weltmeisters.
Dabei ist erst zwei Jahre her, als der italienische Fussball mit dem Slogan «Calcio is back» für sich warb. Damals hatte man eine fantastische Europacupsaison hinter sich, in der man in den drei Wettbewerben fünf von zwölf Halbfinalisten stellte. Zudem war die «Squadra Azzurra» zu jenem Zeitpunkt Europameister. Doch zum Leid der Italiener ist daraus kaum etwas Nachhaltiges entstanden.
Zwei Probleme machen Italien zu schaffen
Mag sein, dass die Klubs in den letzten Jahren vereinzelt zu überzeugen wussten. Doch das wahre Problem ist das System drumherum, welches sich kaum weiterentwickelt hat. Da ist die marode Infrastruktur. Noch immer verhindert die Bürokratie an vielen Orten den Bau von modernen Stadien. Juventus und Atalanta gehören zu den Ausnahmen, die über ein eigenes Stadion verfügen.
Das viel grössere Problem: Dem Verband sowie den Klubs fehlt es an einer konsequenten Jugendstrategie. Statt auf junge Wilde setzt die Mehrheit immer noch auf Altbewährte. Das, weil der kurzfristige Erfolg über dem langfristigen steht. Begründet wird es oft damit, dass man die «ragazzi» nicht verheizen wolle. Zumal in Italien die Jungen bei Fehlern schneller als anderswo ins Kreuzfeuer der Fans und Medien – und wohl auch intern – geraten. Deshalb bleiben die Eigengewächse bis 19-jährig meist in der Primavera, der höchsten Jugendstufe, bevor sie in die Serie C ausgeliehen werden.
«Yamal hätte in Italien nie gespielt»
Dabei steckt in den jungen Italienern Potenzial. Das zeigen sie nicht zuletzt in den Jugendauswahlen. Bis zur U20 gehört Italien noch immer zur Weltspitze. Im Klub kriegen die Youngsters bei den Profis aber erst mit Anfang 20 eine echte Chance.
«Lamine Yamal hätte in Italien nie gespielt», bringt es Trainerlegende Fabio Capello (78) auf den Punkt. Zwischen den Talenten aus Italien und jenen aus Spanien, England und Frankreich entsteht im Alter von 18 bis 21 ein kaum einholbarer Graben. In der Offensive ist das derzeit gut zu sehen. Während die erwähnten Länder jüngst reihenweise Top-Leute rausgebracht haben, hat Italien schon lange keinen Weltklassestürmer mehr präsentiert.
Ist Gattuso der Retter der Nation?
Daran hat auch nichts geändert, dass die Serie-A-Klubs seit einigen Jahren U23-Teams in der Serie C anmelden können. So wollte man sicherstellen, dass die jungen Talente schneller im Profifussball Fuss fassen. Allerdings haben einzig Milan, Juventus und Atalanta diese Chance wahrgenommen – mit überschaubarem Erfolg. Und für die kleineren Klubs kommt eine zweite Mannschaft aus finanziellen Gründen nicht infrage. Deshalb setzen sie lieber auf jene Spieler, von denen sie wissen, was sie bekommen.
Leidtragende ist die Squadra Azzurra. Seit der Entlassung von Luciano Spalletti (66) steht sie nun erst einmal ohne «Commissario Tecnico» da. Der Wunschkandidat Claudio Ranieri (73) hat abgesagt. Nun sucht man nach einem Motivator, der um die Bedeutung der Nationalmannschaft weiss. Gennaro Gattuso (47) gilt als Favorit. Auf die Schnelle mag das erfolgversprechend sein. Langfristig braucht Italien aber mehr, um wieder die grosse Fussballnation zu sein, die sie einmal war.