Das Spiel
Mehr Drama geht nicht! 116 Minuten sind im Stade de Genève gespielt, als Schiedsrichterin Ivana Martincic auf den Punkt zeigt. Chloe Kelly winkt die grosse Chance, die Engländerinnen nach einem erneut schwachen Auftritt doch noch in den EM-Final zu duseln. Die eingewechselte Stürmerin scheitert erst an Italien-Goalie Laura Giuliani, bringt den Ball im Nachsetzen aber doch noch zum 2:1 im Netz unter. England steht erneut im EM-Final, Italien verpasst die grosse Sensation.
Dabei fehlt schon vor der Verlängerung nur ganz wenig zur dicken Überraschung. Nachdem die Titelverteidigerinnen bereits im Viertelfinal gegen Schweden spät einen 0:2-Rückstand wettgemacht hatten, liegen sie auch im Halbfinal bis kurz vor Ende der regulären Spielzeit zurück, ehe Michelle Agyemang den Ball nach einem Abpraller zum 1:1 über die Linie drückt.
Dass sich die Engländerinnen überhaupt in die Verlängerung retten können, haben sie Italiens Emma Severini zu verdanken. Die lässt in der Schlussphase aus kurzer Distanz die Mega-Chance zum 2:0 für Italien liegen (86.). Severini ist es übrigens auch, die den entscheidenden Penalty kurz vor Ende der Verlängerung verschuldet.
Wie schon gegen Schweden (damals traf Agyemang nebenbei bemerkt zum 2:2) ist es zuvor ein enttäuschender Auftritt der Lionesses. Viel Ballbesitz, kaum brauchbare Chancen. Die wohl beste vergeigt Alessia Russo nach 20 Minuten, als sie ihren Abschluss aus guter Position knapp neben das italienische Gehäuse setzt. Die von Coach Andrea Soncin defensiv perfekt eingestellten Italienerinnen konzentrieren sich auf schnelle Gegenstösse – und schlagen nach einer halben Stunde eiskalt zu. Eine Flanke von Sofia Cantore findet irgendwie den Weg zu Barbara Bonansea, die den Ball kompromisslos ins Netz knallt.
Der leidenschaftliche Kampf der Italienerinnen fordert nach etwas mehr als einer Stunde sein erstes prominentes Opfer. Viertelfinal-Heldin Cristiana Girelli bleibt nach einem Zweikampf liegen und muss verletzt vom Platz. Die Abwehrschlacht setzen ihre Teamkolleginnen aber auch ohne den Captain fort. England versucht es mit der Brechstange. Doch die zahlreichen Distanzschüsse segeln allesamt weit am italienischen Tor vorbei.
Nach dem glücklichen Ausgleichstreffer finden die Engländerinnen in der Verlängerung endlich den richtigen Gang. Superjoker Agyemang scheitert noch an der Latte. Später erfolgt der Penaltypfiff, der England den glücklichen Finaleinzug beschert.
Die Tore
33. Minute, Barbara Bonansea, 0:1. Ein Einwurf bringt den italienischen Angriff ins Rollen. Nach einem Doppelpass spielt Sofia Cantore zur Mitte. Weder Italiens Captain Cristiana Girelli, noch England-Verteidigerin Lucy Bronze kommen wunschgemäss an den Ball – zum Glück für Barbara Bonansea, die das Spielgerät annimmt und dann volley in die Maschen drischt.
90.+6. Minute, Michelle Agyemang, 1:1. Eine aufs Tor gezogene Flanke lässt Italien-Goalie Laura Giuliani nach vorne abprallen, weil sie von Beth Mead irritiert wird. Michelle Agyemang, in der 85. Minute eingewechselt, steht goldrichtig, schiesst mit rechts und gleicht in extremis für England aus.
119. Minute, Chloe Kelly, 2:1. Die in der 77. Minute eingewechselte Chloe Kelly läuft auf ihre bekannte Art und Weise zum Penalty an – und scheitert zunächst an Laura Giuliani. Im Nachsetzen ist die EM-Final-Matchwinnerin von 2022 dann doch noch erfolgreich. Grenzenloser Jubel bei den Engländerinnen – für die Italienerinnen bricht eine Welt zusammen.
Die Beste
Laura Giuliani. Jeder Ball, der irgendwie durch den italienischen Strafraum segelt, ist Beute der italienischen Keeperin. Auch den Penalty von Kelly kratzt sie, beim Nachschuss ist sie ohne Chance.
Die Schlechteste
Emma Severini. Erst verpasst die italienische Mittelfeldspielerin die grosse Chance zur Vorentscheidung, dann verschuldet sie in der Verlängerung den fatalen Penalty.
Das gab zu reden
Wenig hätte gefehlt und die Italienerinnen wären zum ersten Mal seit 28 Jahren wieder in einen EM-Final eingezogen. Stattdessen spielt am kommenden Sonntag England um den EM-Titel – wie schon vor drei Jahren, als die Lionesses sich zu Hause den Titel sichern konnten.
Die Schiris
Schiedsrichterin Ivana Martincic lässt in einer umkämpften Partie lange sehr viel durchgehen. Zum Glück von Lucy Bronze, die für ihr Einsteigen in der Startphase zwingend hätte Gelb sehen müssen. Insgesamt hat die Kroatin das Spiel aber im Griff, der niederländische VAR Dennis Higler, der vom Schweizer Fedayi San assistiert wird, muss nie eingreifen. Der Penaltypfiff kurz vor Schluss ist völlig korrekt. Als vierte Offizielle steht Sans Landsfrau Désirée Grundbacher im Einsatz.
Die Fans
Mit der tollen Atmosphäre beim Abspielen der Nationalhymnen kann die Partie nie wirklich mithalten. Immerhin wird den 26'539 Fans im Stade de Genève eine unterhaltsame Verlängerung serviert. Mit Abpfiff des Halbfinals verabschiedet sich Genf als drittletzter Austragungsort von der EM-Bühne.
So gehts weiter
Deutschland und Spanien machen am Mittwoch im Zürcher Letzigrund aus (21 Uhr), wer England ins Endspiel folgt. Das Duell um den EM-Titel wird dann am Sonntag in Basel ausgetragen (18 Uhr).