Darum gehts
Es ist ein November-Sonntag auf der Insel Teneriffa, als der damalige Nati-Co-Trainer Giorgio Contini (51) an der Pressekonferenz im Estadio Heliodoro Rodríguez López von Blick gefragt wird, ob Albian Hajdari (22) nun endlich zu seinem Länderspieldebüt kommt, damit das Kosovo-Thema vom Tisch ist. «Die Überlegungen sind immer rein sportlicher Natur», antwortete der heutige YB-Coach, der damals für den kranken Murat Yakin (51) bei den Journalisten eingesprungen ist.
Hajdari wurde im letzten Spiel der Nations League 2024 gegen Spanien nicht eingesetzt, am Montag entschied er sich für den Kosovo. Hinter den Kulissen hiess es schon damals in Spanien, dass man den heutigen Hoffenheim-Verteidiger eigentlich einsetzen wollte. Im Abschlusstraining stand Hajdari in der Startelf, doch dieser habe sich nicht 100 Prozent bereit gefühlt. Eine Woche zuvor war er, damals noch in den Diensten von Lugano, beim Spiel gegen YB heftig mit dem Kopf gegen jenen von Cheikh Niasse (25) geprallt und kämpfte nun noch mit den Folgen.
Auch die Theorie, dass der Respekt vor der spanischen Offensive zu gross war, steht im Raum. Andere Stimmen behaupten rückwirkend, er habe möglicherweise schon dort Zweifel gehabt, ob er wirklich für die Schweiz spielen will.
Was stimmt, weiss nur Hajdari selber.
Riesige Enttäuschung letzten Sommer
Im Mai 2024 stellte sich diese Frage aber definitiv noch nicht. Hajdari, mit einer starken Super-League-Saison im Rücken und dem Cupfinal vor der Brust, wird von Murat Yakin ausgerechnet für die EM-Vorbereitung erstmals für die Nati nominiert. Er habe vor lauter Aufregung nicht mehr schlafen können, erzählte Hajdari anschliessend über das Telefonat mit dem Nati-Coach. Insgeheim machte er sich Hoffnung, dass er als Linksfüsser und mit Stärken in der Spieleröffnung ein Profil erfüllt, das die Schweiz an der EM braucht. Doch es kam alles anders.
Aufgrund des Cupfinals verpasst Hajdari die erste Phase des Nati-Camps, in welchem sich unter anderem der zwischenzeitliche Wackelkandidat Fabian Schär in überragender Form gezeigt hat. Für Yakin war klar: Es passt alles, das Kader für das Turnier in Deutschland ist komplett. Neben dem verlorenen Cupfinal mit Lugano bekommt Hajdari auch noch die Botschaft, dass er gar nicht mehr einrücken müsse. Sommerferien statt EM-Traum. Die Enttäuschung ist riesig.
Nach der EM-Euphorie wird Hajdari für die Nations-League-Kampagne nicht berücksichtigt von Yakin. Die Enttäuschung und das Unverständnis wachsen zunehmend.
Schon da ist aus seinem Umfeld zu hören: «Ist denen eigentlich klar, dass er auch für Kosovo spielen kann?»
Yakin telefoniert mehrfach mit Hajdari
Von der ersten Nati-Nomination und dem grossen Ziel, für die Schweiz zu spielen, bis zum effektiven Debüt in der zweiten Halbzeit im Testspiel gegen Luxemburg vergehen fast zehn Monate. Dass damals ein No-Name-Neuling wie Stefan Gartenmann (28) vor ihm in der Startelf zum Zuge gekommen ist, schmälerte womöglich die Freude über das Nati-Debüt. Es folgt eine schwierige Rückrunde mit dem FC Lugano. Für die weiteren Testspiele in den USA ist Hajdari erneut nicht nominiert.
Der kosovarische Verband sieht seine Chance, bemüht sich intensiv. Schon während des Sommers ist zu hören, dass Hajdari zu einem Nationenwechsel tendieren könnte. Leon Avdullahu (21), ehemaliger U21- und neu auch Hoffenheim-Teamkollege, macht es ihm vor.
Beim Schweizerischen Fussballverband ist man alarmiert, Murat Yakin soll es in den vergangenen Wochen richten. Der Trainer telefoniert mehrmals mit Hajdari, erklärt ihm, wieso er zuletzt nicht nominiert wurde und warum es vor einem Jahr bei der EM nicht geklappt hatte. Es wird ein Weg aufgezeigt, wie die Zukunft in der Schweizer Defensive für den 22-Jährigen aussehen könnte, wenn er in der Bundesliga seine Entwicklung fortsetzt und sein Potenzial abruft. Doch auch Yakin kommt schnell zur Erkenntnis, dass der Zug wohl schon abgefahren ist – Ziel: Pristina.
Gleiche Begründungen wie bei Avdullahu
Hajdari sitzt am 5. September 2025 im St.-Jakob-Park, als seine beiden Länder aufeinandertreffen zum Start der WM-Quali. Der Kosovo wird vor seinen Augen mit 0:4 aus dem Stadion geschossen von Xhaka, Embolo und Co. «Wenn ich mich reinbeisse, könnte ich mit diesem Schweizer Team an die WM fahren», wäre ein möglicher Gedankengang gewesen. «Die kosovarische Defensive ist so schwach, da bin ich direkt Stammspieler», ein anderer.
Der frühere FCB-Junior entscheidet sich für Letzteres. Aus der Schublade werden die gleichen Begründungen hervorgeholt wie bei Avdullahu: Dankbarkeit gegenüber Geburts- und Ausbildungsland Schweiz auf der einen Seite, emotionale Bindung zum Herkunftsland der Familie und die Möglichkeit, fussballerisch Verantwortung in einem jungen Land zu übernehmen, auf der anderen Seite.