«Mein Traum ist immer noch, vom Fussball leben zu können»
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Cup-Held Ris war einst bei YB:«Mein Traum ist immer noch, vom Fussball leben zu können»

Als Junior spielte er bei YB
So tickt Chams Cup-Held Ris

Joël Ris ist der «Chomer», der Lugano spektakulär aus dem Cup geschossen hat. Dies ist die Geschichte eines Berners, der Fussball, YB und neu die Innerschweiz liebt. Und dessen Profitraum geplatzt ist. Oder doch nicht ganz?
Publiziert: 19.08.2025 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 13:05 Uhr
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Chams Cupheld Joël Ris zusammen mit den SSBL-Klienten Stefan, Alessandro und Dominik (v.l.), die ihm einen gewaltigen Schub verleihen.
Foto: TOTO MARTI

Halb neun. Das war die Ansage von Cupheld Joël Ris (24) für seinen Arbeitsbeginn am Tag nach der Cup-Sensation des SC Cham gegen den grossen Favoriten Lugano samt anschliessender Party. «Ich glaube, es könnte etwas später werden», sagte der Matchwinner breit grinsend.

Montag. Das Versprechen wird nicht eingehalten. Ris ist doch schon um Viertel vor acht im Büro! Zu wenig gefeiert? «So lange ging die Party dann doch nicht. Schliesslich war das Spiel ja bereits um 14.30 Uhr. Und der Alltag geht auch nach solch einem Spiel weiter.»

Auf dem riesigen Gelände der Stiftung SSBL in Rathausen, Emmen, herrscht munterer Betrieb um die Mittagszeit. Die Stiftung für selbstbestimmtes und begleitetes Leben betreut und begleitet Erwachsene mit Behinderung, die auf Unterstützung angewiesen sind. Sie bietet ihnen Wohnplätze sowie Arbeits- und Freizeitangebote. Ris arbeitet seit Anfang Jahr in diesem kleinen Paradies in Emmen gleich neben der Reuss. Es ist der grösste von zehn Standorten der Stiftung mit 858 Mitarbeitenden.

Komparsen schnell gefunden

Fotoshooting mit dem Shootingstar. Sofort melden sich einige Fussballfans unter den Klienten, wie sie hier genannt werden. Stefan, Alessandro und Dominik spielen Komparsen für das Bild mit Ris auf der Schaukel. Roman, der sich das Nati-Dress übergezogen hat, ziert sich. Noch. Später ist auch er mit von der Partie.

Dieses Tor besiegelt das Cup-Aus von Lugano
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In der 93. Minute:Dieses Tor besiegelt das Cup-Aus von Lugano

Das Leben von Ris hier ist ein völlig anderes als jenes der Fussballstars. Kein Glanz und Glamour. Keine pöbelnden Fans. Keine Etepetete-Entouragen. Kein Nimbus der Unberührbarkeit. Eine Welt, die dich erdet. «Definitiv», sagt Ris. Der selber eine Vita hat, die auch ihn hat auf dem Boden landen lassen. «Aber das ist gar nichts verglichen mit vielen Schicksalen hier», sagt er. Und hält kurz inne.

Bevor dann der Nächste im Rollstuhl angerattert kommt. «Du bist doch der Tschütteler?», sagt er, als das Interview in vollem Gange ist. «Wie hast du das Tor gemacht? Das war eine Superkiste!» Ris schildert sein 3:2 ausführlich. Wie er das schon zigmal gemacht hat. Dieses Tor in der 93. Minute auf dem «Chomer» Eizmoos, wie man auf Zugerdeutsch sagt. Ein Moment für die Ewigkeit.

Nach Vaduz gabs keinen Profivertrag mehr

Seine Profipläne hatten indes eine eher tiefe Halbwertszeit. Der Junge wächst in Wichtrach BE auf, in der Mitte zwischen Thun und Bern gelegen. Weil er nicht nur talentiert, sondern sehr talentiert ist, kann er Thun absagen und YB zusagen, wo er die Junioren durchläuft. Bis zur U21 kickt er bei seinem Herzensklub. Darf auch in der ersten Mannschaft vorspielen. Doch er überzeugt nicht.

In Vaduz erhält Ris einen Profivertrag. Der damalige Coach Mario Frick hat es ihm angetan. Zwei Jahre spielt er dort. «Aber ich habe mich nicht richtig durchgesetzt, aber auch nie eine richtige Chance gekriegt.» Am Ende stehen 29 Einsätze in der Challenge League. Und kein Profiklub, der ihn mit 22 will. «Ich habe deshalb zu jobben begonnen. Bei der Spitex. Das war eine ganz neue Erfahrung in einer total anderen Welt», sagt der gelernte Kaufmann.

«Ich weiss, dass da ganz viel passieren müsste»

Immerhin findet er ein halbes Jahr später in der Promotion League Unterschlupf. Beim FC Bulle. Noch interessanter ist dann der SC Kriens, seine nächste Station. Weil dieser Verein die Ambition hat, in die Challenge League aufzusteigen. Er macht eine gute Saison. In deren Mitte er einen temporären Job im HR der SSBL annimmt. Es folgt der Wechsel nach Cham und die fixe Anstellung bei der SSBL, als Assistent der Geschäftsleitung.

Der Profi-Traum? «Er lebt. Aber mit viel Demut», sagt der junge Mann. «Ich weiss, dass da ganz viel passieren müsste. Ich habe viel durchgemacht und weiss, was im Leben zählt. Erst recht durch den Job hier. Der Alltag hier holt dich jeden Tag aufs Neue auf den Boden zurück.»

Neue Liebe Innerschweiz

Dennoch: Der Fussball ist und bleibt die grosse Leidenschaft von Ris. Viermal pro Woche trainiert er bei Cham mit seinem höchst ehrgeizigen Trainer Pascal Nussbaumer. Dazu einmal pro Woche die U17-Girls des FC Emmenbrücke. Das Promotion-League-Spiel am Samstag. Jenes mit dem Frauenteam am Sonntag. Und vorbei ist eine Ris'sche Woche. Fussball ist seine ewige Liebe.

«Habe gesagt: Wir können Geschichte schreiben!»
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Cham-Coach bekommt Bierdusche:«Habe gesagt: Wir können Geschichte schreiben!»

Seine neue ist die Innerschweiz. Er wohnt und arbeitet in Emmen und kickt in Cham. «Mittlerweile fühle ich mich hier total zu Hause», sagt er. Und denkt nicht mehr mit derselben Wehmut an die Zeiten bei YB zurück, wo er mit seinen Kumpels Lewin Blum und Fabian Rieder die Juniorenteams rockte, oder mit Aurèle Amenda und Felix Mambimbi. «Mein Vorbild ist Christian Fassnacht», sagt er. Der YB-Star, der mit 21 noch beim FC Thalwil kickte. Und es dann schaffte. Und wenn es als Spieler nicht mehr klappt, gibts da auch noch den Job des Coaches. Joël ist dran am Uefa-C-Diplom. «Trainer? Das ist ein möglicher Weg, ja. Wie auch das, was ich aktuell mache. Hauptsache der Job macht Spass und ich bin glücklich.»

Nochmals Riesentöter?

Aber vielleicht wird ja Ris im Cup nochmals zum Riesentöter. Nicht in der nächsten Runde, da ist Cham gegen den interregionalen Zweitligisten Altstätten klarer Favorit. Doch wenn die Zuger den Job machen, könnte in den Achtelfinals der nächste Riese warten. Der Riesentöter ist jedenfalls bereit für das nächste Tor.

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