Darum gehts
- Zürich startet ab 1. November 24-Stunden-Hotline für Gewaltopfer
- Niederschwellige, schnelle und anonyme Hilfe am Telefon für Betroffene
- Die Opferberatung erwartet täglich vierzig bis fünfzig Anrufe
Gewalt kennt keine Bürozeiten. Und trotzdem gab es bisher nur zu Bürozeiten Beratung für Opfer von Gewalt. Das ändert sich ab heute: Julia Jakubowski (28) ist die erste telefonische Nothelferin für Gewaltopfer. Während 24 Stunden stehen sie und ihre Kolleginnen im Kanton Zürich abrufbereit, und nicht wie bisher nur von 9 bis 17 Uhr. Ab dem 1. November um 10 Uhr sitzt sie in der Zürcher Nothilfe-Beratungszentrale. «Wer anruft, den berate oder triagiere ich sofort», sagt die Psychologiestudentin. Ihr Aufgabenspektrum ist breit: von Krisenintervention bis zur psychologischen Beratung. Für sie sei es bedeutend, dass die betroffenen Menschen auch morgens um 3 Uhr anrufen können und die passende Hilfe bekommen.
- Eine Liste mit Frauenhäusern, Beratungsstellen und Nottelefonen schweizweit
- Opferhilfe Schweiz
- Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft (BIF)
- Dachorganisation Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein
- Frauen-Nottelefon: 052 213 61 61
- Dargebotene Hand: 143
- Polizei: 117
- Ambulanz: 144
- Eine Liste mit Frauenhäusern, Beratungsstellen und Nottelefonen schweizweit
- Opferhilfe Schweiz
- Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft (BIF)
- Dachorganisation Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein
- Frauen-Nottelefon: 052 213 61 61
- Dargebotene Hand: 143
- Polizei: 117
- Ambulanz: 144
Denn: Nicht immer stecken Gewaltopfer in akuter Gefahr und benötigen die Polizei oder Rettung. Nicht immer wollen Gewaltopfer eine Anzeige erstatten. Nicht immer wissen Gewaltopfer, was das Vorgehen nach einer Vergewaltigung oder häuslicher Gewalt ist. Dieses Vakuum will Jakubowski füllen. «Niederschwellig, schnell und anonym bieten wir am Telefon Hilfe und Beratung.» Das heisst: Im Gespräch mit Opfern jeglicher Art von Gewalt muss sie die Dringlichkeit herausfinden und die nächsten Schritte organisieren. Braucht die Person dringend medizinische Hilfe? Braucht die Person eine «Forensic Nurse» zur Spurensicherung nach einem sexuellen Übergriff? Ihre Klienten: Frauen oder Männer, junge und ältere Menschen.
Nationale «142»-Hotline verspätet
Was Jakubowski und ihr Team der Opferberatung Zürich im Auftrag des Kantons Zürich machen, sollte eigentlich eine nationale Aktion unter der Telefonnummer 142 sein. Dazu kommt es vorerst nicht. Obwohl die Umsetzung der Opferhotline in der Verantwortung aller Kantone liegt, bremst der Bund sie nun aus. Technische Fragen bei der Swisscom und gesetzliche Fragen beim Bund verhindern die pünktliche Lancierung der Gewaltnothilfe-Nummer 142. Bis im Mai 2026 sollte die Telefonnummer 142 bereit sein.
«Im Kanton Zürich wollen wir nicht warten», sagt Jessica Wolf (42), stellvertretende Geschäftsführerin der Opferberatung Zürich. Dass der Bund nicht termingerecht fertig werde, sei schade und enttäuschend. Denn: Der Bund verpflichtet sich im Rahmen der Istanbuler Konvention dazu, dass ein Opfer von Gewalt jederzeit telefonischen Zugang zu einer Fachperson haben soll. Zumindest in Zürich und einigen Kantonen haben sie das ab heute. Für Wolf war klar: Gewaltopfer benötigen nicht erst im Mai Hilfe, sondern so schnell wie möglich. Das sagt sie deshalb, weil sie per Anfang November dreissig Fachpersonen für die telefonische 24-Stunden-Opferberatung engagierte – wie etwa Jakubowski.
Sie sollen die hohe Nachfrage, aber auch die Verpflichtung der Istanbuler Konvention zum telefonischen 24-Stunden-Beratungsangebot decken. Denn: Seit Jahren steigt die Gewalt im privaten Umfeld. Im Jahr 2024 führten die Schweizer Opferhilfestellen über 51'000 Beratungen infolge einer Straftat gegen die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität durch. Dies sind 5 Prozent mehr als 2023. Über zwei Drittel der Opfer gaben an, den oder die mutmassliche Täter oder Täterin zu kennen. Laut Bundesamt für Statistik waren diese in 78 Prozent der Fälle Männer.
Zurück in der Zentrale bei der 28-Jährigen. Die Verantwortlichen rechnen hier mit täglich vierzig bis fünfzig Anrufen. Jakubowski arbeitete während ihres Studiums in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und kennt den Umgang mit Menschen in Krisensituationen. «Empathie und ein offenes Ohr ist die Grundvoraussetzung, dass sich Opfer überhaupt öffnen können», erklärt sie. Deshalb sei ihr neuer Job nicht mit dem in einer Blaulicht-Notrufzentrale zu vergleichen. Ihr Job wird es sein, die richtige Anlaufstelle für den jeweiligen Fall zu vermitteln. «Das Spektrum ist breit und braucht für jeden Fall seinen Spezialisten», erklärt sie. Da reiche die Polizei eben nicht.