Familie kämpft nach Schicksalsschlag um ihre Existenz
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«Geld ist weg»:Familie kämpft nach Schicksalsschlag um ihre Existenz

Nach dem Tod ihres Mannes steht Ariane Bleiker (51) in Sulgen TG vor dem Nichts
«Sein Beistand hat unser ganzes Vermögen ruiniert»

Die Hirnblutung des Vaters stürzt Familie Bleiker in eine finanzielle Notlage. Mutter Ariane (51) sucht Hilfe bei der Kesb. Diese setzte einen Beistand ein. Doch nach dem Tod des Vaters kommt heraus: Der Beistand hat überhaupt keine Rechnungen bezahlt.
Publiziert: 04.08.2025 um 09:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2025 um 19:43 Uhr
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Ariane Bleikers Mann Bernhard (†60) ist vergangenes Jahr gestorben.
Foto: Helena Graf

Darum gehts

  • Bernhard Bleiker (†60) erleidet Hirnblutung. Familie gerät in finanzielle Notlage
  • Beistand vernachlässigt Finanzen, Witwe steht vor finanziellem Desaster
  • Zahlungsbefehle über 570'000 Franken nach Bleikers Tod an Witwe geschickt
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Helena GrafReporterin

Am ersten Sonntag der Sommerferien 2019 sackt Bernhard Bleiker (damals 54) in der Dusche zusammen. Ein gedämpfter Knall. Seine Frau Ariane (51) sitzt in der Küche, trinkt Kaffee, schreckt hoch. Der Krankenwagen kommt. Kantonsspital St. Gallen, Intensivstation. Diagnose: Hirnblutung. Zwei Wochen Koma. Als Bernhard Bleiker erwacht, ist er ein anderer Mann.

Der Alltag der Familie steht kopf. Sie gerät mehrmals in finanzielle Notlagen. Trotz IV, trotz Versicherung, trotz Eigenheim. Ariane Bleiker sucht Hilfe bei den Behörden in Appenzell Ausserrhoden. Später wird ein Beistand eingesetzt, der sich um die Finanzen kümmert.

Im Herbst 2024, fünf Jahre nach der Hirnblutung, stirbt Bernhard Bleiker. Die Finanzen muss nun wieder seine Frau übernehmen. Ein dicker gelber Ordner, darin Mahnungen, Zahlungsbefehle, Androhungen. Ein finanzielles Desaster. Ariane Bleiker ist fassungslos: «Der Beistand hat unser ganzes Vermögen ruiniert.»

Hypotheken mit Lebensversicherung

Die Witwe sitzt in ihrem Wohnzimmer in Sulgen TG und kämpft mit den Tränen. Besonders, wenn sie über ihren Mann spricht. «Er hat auf der Baustelle gearbeitet, ich blieb zu Hause bei den Kindern», erzählt sie. «Das wollte er so. Da war er einfach alte Schule.»

Die beiden Söhne kommen in den frühen 2000ern zur Welt. 2016 kauft der Vater ein Doppelhaus in Herisau AR. Drei Wohnungen und eine Scheune. In einer Wohnung lebt die Familie, die anderen werden vermietet. Die vorherige Eigentümerin gibt ihnen ein Darlehen. Zur Absicherung der Hypotheken schliesst Bernhard Bleiker eine Lebensversicherung ab. «Er wollte, dass wir weiterhin dort leben können, sollte ihm etwas passieren», erzählt Ariane.

Diese beiden Häuser hat Bernhard Bleiker 2016 gekauft.
Foto: Helena Graf

Als er 2019 die Hirnblutung erleidet, muss sie sich um alles kümmern. Vieles kommt zusammen. «Einem Mieter musste ich kündigen, weil er nicht bezahlte», erinnert sie sich. «Und die Gläubigerin des Darlehens starb, ihre Erben wollten das Geld sofort zurück.»

Ihr Mann wird aus dem Spital entlassen, kommt in ein Heim. Die Krankenkasse zahlt nicht. Er sei kein Pflegefall, heisst es. Ariane sucht sich einen Job. Als das Ersparte aufgebraucht ist, nimmt sie ihren Bernhard im Juni 2020 zu sich nach Hause, kümmert sich selbst um ihn. Bis es irgendwann nicht mehr geht. «Sein mentaler Zustand verschlechterte sich, und er wurde aggressiv», erzählt sie.

«Beistand hat Interessenten abgeschmettert»

Nach eineinhalb Jahren zu Hause kommt ihr Mann also wieder in ein Heim. Diesmal zahlt die Krankenkasse. Zumindest einen Teil. Trotzdem: Die Betreuungskosten kann Ariane kaum stemmen. «Mir wuchs alles über den Kopf», sagt sie. «Ich wollte, dass sich jemand Professionelles um die Finanzen kümmert.»

Die zweifache Mutter beauftragt einen Makler, um das Haus zu verkaufen, und meldet sich bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) in Appenzell Ausserrhoden. Ihr Mann bekommt im Frühjahr 2023 einen Beistand. Dieser soll sich unter anderem um sein Vermögen und das Haus kümmern.

Familie Bleiker zieht indes aus, will dem Verkauf nicht im Weg stehen. Doch monatelang passiert nichts. «Irgendwann rief mich der Makler an und sagte, er könne nicht mit dem Beistand zusammenarbeiten», erzählt Ariane. «Offenbar hat dieser alle Interessenten abgeschmettert.»

Dennoch: Sie vertraut den Behörden. Letzten August verschlechtert sich Bernhard Bleikers Zustand drastisch. Seine Familie schafft es nur noch unregelmässig, ins Heim zu kommen. «Die Besuche waren sehr schmerzhaft. Er hat nicht verstanden, warum er im Heim sein musste und uns Vorwürfe gemacht», erinnert sich Ariane.

Zahlungsbefehle über 570'000 Franken

Fünf Tage nach Bernhard Bleikers Tod schickt das Betreibungsamt zwei Zahlungsbefehle an die Witwe. Einmal über 316'370, einmal über 256'899 Franken. Sie forscht nach, findet heraus: Der Beistand hat die Hypothekarzinsen kein einziges Mal bezahlt. Die Bank hat die Hypotheken einen Monat vor Bleikers Tod gekündigt. Die daran gekoppelte Lebensversicherung wurde entsprechend automatisch aufgelöst.

Doch es kommt noch schlimmer. Bernhard Bleiker hatte eine zweite Lebensversicherung in seiner dritten Säule abgeschlossen. Wegen der Hypothekenschulden wurde dieses Konto aber verpfändet und die Versicherung aufgelöst. Für Ariane Bleiker bricht eine Welt zusammen.

Weder die Kesb noch die Beistandschaft wollten ihre Sicht gegenüber Blick schildern, verweisen auf das Amtsgeheimnis. In einem Kontrollbericht zum vorliegenden Fall, der Blick vorliegt, schlussfolgert die Kesb: Alles richtig gemacht.

Ariane Bleiker muss den Lebensunterhalt der Familie nun mit einem Teilzeitjob stemmen. Das Geld reicht nicht, auf den Nachlass und die Versicherungsgelder wäre sie angewiesen. Sie hat sich einen Anwalt genommen. «Mein Mann und ich haben versucht, uns für alle Fälle zu rüsten, haben Versicherungen gezahlt», sagt sie. «Doch nun stehe ich mit nichts da.»

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