«Werden weitere Schritte prüfen»
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Anwalt der Hinterbliebenen:«Werden weitere Schritte prüfen»

Urteil gefallen
Regenschirm-Killer (22) von Mels SG ist schuldig!

Kevin P. tötete den italienischen Pizzaiolo Salvatore N. im Februar 2022 brutal mit einem Regenschirm. Jetzt wurde das Urteil gefällt.
Publiziert: 22.05.2025 um 08:45 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2025 um 18:28 Uhr
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Kevin P. tötete Salvatore N. im Februar 2022. Im Februar 2024 wurde die Verhandlung gegen den heute 22-Jährigen wegen eines neuen psychiatrischen Gutachtens pausiert. Am Donnerstag geht es weiter.
Foto: Siggi Bucher

Darum gehts

  • Brutaler Fall in Mels: Kevin P. tötet Pizzaiolo Salvatore N. (†45) mit Regenschirm
  • Staatsanwaltschaft bezieht sich auf psychiatrisches Gutachten und fordert milde Strafe
  • Gericht fordert neues Gutachten an – Prozess geht nach einjährigem Unterbruch weiter
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandro ZulianReporter News
22.05.2025, 17:25 Uhr

Ende

Damit ist die Urteilseröffnung gegen Kevin P. vorüber. Wir bedanken uns fürs Mitlesen und wünschen einen schönen Abend. 

22.05.2025, 17:24 Uhr

Ein paar Sätze an die Hinterbliebenen

«Wir wissen, dass kein Strafmass die Trauer wiedergutmachen kann», sagt der Richter an die Geschwister von Salvatore N. gerichtet. «Als Gericht können wir diesen Schmerz nicht lindern. Auch wenn Sie unser Urteil nicht gutheissen können, so hoffe ich, dass Sie diesen Entscheid zumindest nachvollziehen können.»

22.05.2025, 17:23 Uhr

«Mit blutigen Händen aufgewacht»

«Dass Sie sich in einen derartigen Zustand versetzt haben, liegt in Ihrer Verantwortung und liegt im Sinne des Gesetzgebers, das zu bestrafen», sagt der Richter. «Diese Verantwortung haben Sie zu tragen.» 

Der Richter redet Kevin P. ins Gewissen: «Was Sie von anderen Fasnachtsgängern unterscheidet, ist, dass sie am nächsten Morgen nicht mit einem Kater, sondern mit blutigen Händen aufgewacht sind.»

Der vorsitzende Richter kommt auf den Alkohol an sich zu sprechen. «Dieser Fall zeigt nicht nur, wie schnell eine solche enthemmte Nacht in eine Tragödie münden kann, er zeigt auch, wie gross der kollektive blinde Fleck der Gesellschaft im Bezug auf Alkohol ist.»

22.05.2025, 17:19 Uhr

Hinterbliebene gehen fast leer aus

Für die Hinterbliebenen wird es jetzt ernst: Die Kosten für die Beerdigung des Toten werden bezahlt, sagt der Richter. Die Genugtuung aber nicht. Der Richter bezieht sich auf ein Bundesgerichtsurteil, wonach keine Genugtuung bezahlt werde, wenn die Geschwister nicht mehr im selben Haushalt wohnen. 

Die Forderungen der Hinterbliebenen werden auf den Zivilweg verwiesen. «Es war uns zu wenig, wenn pauschal für alle gesagt wird, es habe eine besonders enge Beziehung zwischen den Geschwistern geherrscht.» Zur Erinnerung: Salvatore N. hat sieben Geschwister, fünf davon sitzen jetzt im Gerichtssaal. Sie sind über zehn Stunden lang aus Italien angereist. 

22.05.2025, 17:16 Uhr

«Für das Töten im Rausch kann man Sie nicht verantwortlich machen»

«Für das Töten im Rausch kann man Sie nicht verantwortlich machen, für das Zufügen des Rausches aber schon», sagt der Richter. Kevin P. nimmt die Äusserungen ruhig auf. «Ich wiederhole mich, aber das ist wichtig: Zwei Jahre bedingt sind nicht für das Tötungsdelikt. Sie bekommen zwei Jahre für das Verüben einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit.»

Der Richter weiter: «Wir haben die Gefängnisstrafe bedingt ausgesprochen, im Gegenzug aber die Weisung zur Alkoholabstinenz angeordnet.» Das sei keine Bestrafung, sondern «eine Chance auf ein normales Leben», sagt der Richter. 


22.05.2025, 17:10 Uhr

«Im Normalfall weiss jeder Mensch, dass Töten unrecht ist»

«Wir haben Sie nicht wegen vorsätzlicher Tötung, sondern des Verübens einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit verurteilt», beginnt der Richter seine Urteilsbegründung. «Dass das Gericht jemanden schuldigsprechen kann, muss die Person schuldfähig sein.» Der Richter liest den Artikel aus dem Strafgesetzbuch vor. Dieser lautet: «War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar.» Das sei ein fundamentales Prinzip der Schweizer Rechtsprechung. 

«Im Normalfall weiss jeder Mensch, dass Töten Unrecht ist», führt der Richter weiter aus. «Wir haben heute aber eindrücklich vom Psychiater gehört, dass Ihnen die Einsicht und die Steuerungsfähigkeit fehlt. Sie befanden sich in einem schweren Rauschzustand», sagt der Richter an Kevin P. gewandt. Das Denken und Handeln des Verurteilten sei schwer beeinträchtigt gewesen. 

Jetzt werden die Ausführungen des Richters technisch-juristisch. Hat sich jemand aber selber in einen starken Rausch versetzt und dann eine Straftat begangen, dann zieht gemäss Schweizer Gesetz der Artikel 263 des Strafgesetzbuches. Die Vorschrift hat das Ziel, die Tat eines Täters zu bestrafen, der sich durch Trunkenheit oder Betäubung selbst in einen Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt und in diesem Zustand eine Straftat begeht. «Sie werden nach dem Willen des Gesetzgebers dafür bestraft, dass Sie sich selbst in diesen Zustand gebracht haben.»


22.05.2025, 17:01 Uhr

Weisung zur Alkoholabstinenz

Ausserdem wird Kevin P. die Weisung auferlegt, für die fünfjährige Probezeit abstinent zu leben. Zudem muss er sich in Behandlung zur Unterstützung seiner Alkoholabstinenz begeben. Zudem muss er die Verfahrenskosten tragen. 

22.05.2025, 16:59 Uhr

Schuldspruch

Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland hat entschieden: Kevin P. ist des Verübens einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit schuldig. Die Strafe wird bedingt ausgesprochen mit einer Probezeit von fünf Jahren.

22.05.2025, 16:50 Uhr

In wenigen Minuten kommt das Urteil

Gleich werden wir wissen, ob Kevin P. verurteilt oder freigesprochen wird. Im Falle einer Verurteilung möchte die Staatsanwaltschaft in ihren Anträgen Kevin P. lediglich zu zwei Jahren bedingt verurteilt sehen. Heisst: er müsste nicht ins Gefängnis, es sei denn, er wird wieder straffällig. Setzt sich das Gericht über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinweg?

Um 17 Uhr wissen wir mehr. 

22.05.2025, 12:14 Uhr

Ende der Verhandlung

Kevin P. darf das Schlusswort halten. Er sagt: «Es tut mir sehr leid, dass Salvatore N. tot ist.»

Das Urteil wird um 17 Uhr mündlich vorgetragen. Blick berichtet live. 

Der Fall Mels SG ist so brutal, wie er verwirrend ist. Am frühen Morgen des 27. Februar 2022 tötete Kevin P.* (22) im Restaurant Schäfli in Mels SG den Pizzaiolo Salvatore N.* (†45). Nach einem Kampf sticht Kevin P. dem Italiener mit einem Regenschirm heftig in beide Augen. Salvatore N. stirbt an schweren Schädel-Hirn-Verletzungen. «Der Angeklagte hat das Leben eines wunderbaren Mannes ausgelöscht», sagte die Schwester des Opfers zu Blick

«Seinetwegen fliessen jeden Tag Tränen über mein Gesicht»
2:02
Schwester von Salvatore N.«Seinetwegen fliessen jeden Tag Tränen über mein Gesicht»

Die Verhandlung vom Februar 2024 musste unterbrochen werden, weil das Gericht beim vorhandenen, psychiatrischen Gutachten über den geständigen Kevin P. noch zu viele offene Fragen hatte. Ein Neues sollte eingeholt werden. Nach über einem Jahr ist dieses jetzt da – der Prozess geht weiter.

Schon damals versuchten Staatsanwaltschaft, Gericht und Medien Licht ins Dunkle zu bringen. Denn auch heute noch beschäftigt eine Frage wie keine andere: Warum?

Im Hasenkostüm einen Menschen umgebracht

«Ich musste gegen einen russischen Soldaten kämpfen», sagte der damals 19-jährige Täter Kevin P.* zu den Rettungskräften, nachdem er neben der blutüberströmten Leiche von Salvatore N.* (†45) aufgewacht war. Dort war der stark betrunkene Täter eingeschlafen. «Im ersten Moment glaubte ich, es handle sich um Fasnachtsleichen», sagte der Schäfli-Wirt Willi Meier (76) damals im Blick. Er fand die beiden.

Rückblende: Am Abend vor der Tat erlebte Kevin P. in Mels SG an der Fasnacht eine durchzechte und merkwürdige Nacht. «Ich weiss es nicht», war die häufigste Antwort des Angeklagten auf die Fragen des Richters während der Gerichtsverhandlung. Maximal 2,09 Promille soll der junge Mann im Blut gehabt haben. Auch Salvatore N. war gemäss Anklageschrift betrunken und hatte Kokain konsumiert.

Um kurz vor 6 Uhr morgens ging Kevin P., mit einem Hasenkostüm verkleidet, im «Schäfli» in den zweiten Stock und betrat das Zimmer 22. Dort habe ihm Salvatore N. ans Geschlechtsteil gefasst, es kam zum Streit, der blutig und tödlich endete. Das Opfer und der Täter sollen sich nicht gekannt haben. Warum Kevin P. überhaupt dort war, konnte der Mann dem Gericht genauso wenig erläutern, wie die Frage, warum ein Schirm in beide Augen eine angebrachte Reaktion auf einen Streit sein soll.

Neues Gutachten soll Klarheit bringen

Der Promillewert ist unter anderem der Grund, weshalb die Staatsanwaltschaft von Anfang an auf «Verüben einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit» plädierte und nicht die volle Härte des Gesetzes anwandte. Das psychiatrische Gutachten stützte die Unzurechnungsfähigkeit des Täters.

Doch der forensische Psychiater, der das Gutachten erstellte, war in der Zwischenzeit verstorben. Er kann nicht mehr befragt werden.

Für das Gericht Grund genug, die Verhandlung zu unterbrechen. «Zu viele Fragen sind noch offen», sagte der vorsitzende Richter vor einem Jahr. Ein neues psychiatrisches Gutachten wurde in Auftrag gegeben – und liegt jetzt vor.

Täter muss wahrscheinlich nicht ins Gefängnis

Die Staatsanwaltschaft fordert gemäss Anklageschrift lediglich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedingt. Von einer psychiatrischen Massnahme ist in der Anklageschrift ebenfalls nichts zu lesen – beides eine Folge des Gutachtens. 

Für den Anwalt der Opferfamilie, Daniele Moro, ist das zu wenig. Er begrüsste ein neues Gutachten und sagte damals: «Es kann nicht sein, dass ein Mann einen anderen Mann umbringt und dann nie eine Zelle von innen sehen muss.»

Die Schwester des Verstorbenen fügt im Hinblick auf den Beschuldigten an: «Seinetwegen fliessen jeden Tag Tränen über mein Gesicht.» Die Opferfamilie klagt auf Genugtuung und Schadenersatz im Wert von knapp 800'000 Franken.

Die Verteidigerin von Kevin P. forderte damals im 2024 einen Freispruch. Sie und ihr Klient wollten sich am Mittwoch auf Blick-Anfrage nicht äussern. Die Verhandlung gegen Kevin P. wird am Donnerstag um 9 Uhr weitergeführt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Blick berichtet live.

* Namen geändert 

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