Darum gehts
Das geheimnisvolle Reich der Pilze zieht immer mehr Menschen in seinen Bann. «Pilzeln» ist trendy, gerade auch bei Jüngeren. Mitverantwortlich dafür sind «Pilzfluencer» wie der 20-jährige Tristan Jurisch, der auf Instagram unter «pilzaddicted» über 200’000 Follower erreicht.
Doch längst nicht alle Pilzsammler sind auf kulinarischen Genuss aus. Immer mehr suchen nicht Steinpilze und Eierschwämme, sondern sogenannte Zauberpilze – Pilze mit halluzinogener Wirkung, die Wahrnehmung, Denken und Fühlen verändern.
Immer mehr Konsumenten
Die Zahl der Menschen, die «Zauberpilze» konsumieren, scheint beträchtlich: Rund 300’000 Menschen gaben 2015 in einer Erhebung von Sucht Schweiz an, schon einmal halluzinogene Pilze eingenommen zu haben. Und eine Studie von Infodrog lässt vermuten, dass es immer mehr werden. 2024 sagten 30 Prozent der Personen, die sich von der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht beraten liessen, sie hätten in den vergangenen zwölf Monaten halluzinogene Pilze konsumiert; vier Jahre zuvor waren es noch 9 Prozent.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Den Eindruck einer Zunahme bestätigt auch Jonas Brännhage, Pilzforscher an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, gegenüber dem Beobachter: «Das Sammeln und Konsumieren von psychoaktiven Pilzen hat in den letzten Jahren gefühlsmässig sicher zugenommen. Ich tausche mich aus mit Leuten, die das machen.»
Selbst Kontrolleurin erkennt Pilz nicht
Für «Zauberpilze» aus – illegalen – Zuchten gibt es gewisse Kontrollmöglichkeiten für einen risikoarmen Konsum: Pulverisierte Kleinstmengen können in verschiedenen Schweizer Städten in sogenannten Drug Checkings auf den Gehalt an Psilocybin und Psilocin getestet werden; das sind die Wirkstoffe in halluzinogenen Pilzen. Wenn Personen aber mit selbst gesammelten Pilzen kommen und sie bestimmen lassen wollen, winken diese Kontrollstellen ab. «Wir haben dafür die Expertise nicht und schicken sie zur Pilzkontrolle», erklärt etwa Joël Bellmont, Teamleiter des Drogeninformationszentrums Zürich (DIZ).
Die Pilzkontrolle bietet aber oft auch keine Hilfe bei den psychedelischen Pilzen, wie ein Selbstversuch zeigt. «Den kenne ich nicht», sagte die Expertin in der Pilzkontrolle der Stadt Zürich beim Anblick eines solchen Pilzes. Auf den Hinweis, es handle sich um einen Spitzkegeligen Kahlkopf (siehe Box), erklärt sie trocken: «In dem Fall habe ich den Test nicht bestanden.»
Der Umgang der Pilzkontrolleurinnen und -kontrolleure mit halluzinogenen Pilzen sei «eine nicht ganz einfache Sache», erklärt Marionna Schlatter, Medienverantwortliche der Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane der Schweiz (Vapko) sowie Grünen-Nationalrätin. «Die einen sind der Meinung, man solle auch solche Pilze kontrollieren, damit die Sammelnden nicht versehentlich etwas Falsches essen. Andere finden, die Kontrolle von Pilzen mit Psilocybin sei nicht unsere Aufgabe.»
Eine interne Empfehlung der Vapko lässt den Pilzkontrollpersonen die Wahl: Je nach persönlicher Überzeugung und Kenntnisstand können sie halluzinogene Pilze entweder identifizieren oder den Kunden sagen, dass sie sie nicht kennen.
Helene Schneider von der Pilzkontrolle Interlaken gehört zu denjenigen, die nicht lange Federlesens machen, wenn ihr Psilocybin-haltige Pilze vorgelegt werden: «Ich nehme solche Pilze den Sammlern weg.» Auch eine andere Pilzkontrolleurin – sie will nicht namentlich genannt werden – zeigt null Toleranz: «Zu mir kamen zwei vierzehnjährige Mädchen mit halluzinogenen Pilzen. Ich habe sie ihnen gleich weggenommen und ihnen mit der Polizei gedroht.» Klar ist gemäss Vapko, dass das Sammelgut grundsätzlich den Sammelnden gehört und ihnen wieder mitgegeben werden muss, wenn sie darauf bestehen.
Warum der Anstieg auch positiv ist
Matthias Müller von der Pilzkontrolle Appenzell setzt auf Transparenz und Aufklärung im Umgang mit «Zauberpilzen». «Ich vermerke auf dem Kontrollschein, dass ich einen Pilz zum Beispiel als Psilocybe identifiziert habe und dass der Kunde diesen mitnehmen will. Dann muss er unterschreiben.»
Müller sieht es grundsätzlich positiv, dass in den letzten Jahren öfter Psilocybin-haltige Pilze wie der Spitzkegelige Kahlkopf in die Kontrolle gebracht werden. So könnten gravierende Verwechslungen vermieden werden, etwa mit dem ähnlich aussehenden, aber giftigen Spitzgebuckelten Raukopf. Dessen Verzehr kann zu potenziell tödlichem Nierenversagen führen.
Auch wenn tragische Fälle selten sind, unterliefen gerade Neulingen Verwechslungen leicht, sagt Marionna Schlatter zum Beobachter: «In neun von zehn Fällen, bei denen mir vermeintliche Psilocybe vorgelegt werden, sind es keine.» Schlatter hält es darum allgemein für unverzichtbar, Pilze kontrollieren zu lassen, die man nicht sicher kennt: «Das Risiko einer Vergiftung ist ein Riesenproblem.»
Eine Kontrollstelle zu finden, ist allerdings gar nicht mehr so einfach. In zahlreichen Gemeinden werden inzwischen keine Pilze mehr kontrolliert. In den letzten 25 Jahren sind aufgrund Sparmassnahmen schweizweit rund ein Drittel aller Pilzkontrollstellen geschlossen worden – in den Kantonen Uri, Nidwalden und Obwalden gibt es gar keine mehr.