Mit lachenden, grossen braunen Augen fläzt sich der kleine Ahmar (3) auf der Rückbank des Schweizer Mietwagens. In der Hand hält er die Videokamera, mit der seine Eltern die glücklichen Momente ihrer Familienferien in der Schweiz festgehalten haben.
Was der Bub noch nicht weiss, es sind die letzten Aufnahmen seiner Mutter. Wenige Tage später, am 19. Juli, in Interlaken BE.
«Wir stehen unter Schock», sagt Sabas Ehemann Muhammad Ajmal Chaudry (31) zu BLICK. «Am schlimmsten ist es für unseren kleinen Sohn. Er kann nicht verstehen, dass sein Mami auf einmal nicht mehr da ist. Er weint jede Nacht um sie.»
Muhammad und Saba heirateten 2006. Ein Jahr darauf kam Ahmar zur Welt. Zu dritt lebten sie in der südpakistanischen Millionenstadt Karachi, wo Muhammad als Manager in der Spezialitäten-Firma seiner Eltern arbeitet.
Der Geschäftsmann beginnt vom Unglückstag zu erzählen, der sein Leben und das seines Sohnes für immer veränderte. In seine Trauer mischt sich Wut. Wut auf die Verantwortlichen und die Betreiber der Heimwehfluh-Bahn. «Wir wollten den Park über die Rodelbahn verlassen. Ich bin mit Ahmar vorgefahren, meine Frau sollte den Schlitten direkt nach uns nehmen.» Unten angekommen, warten Muhammad und Ahmar vergebens auf Saba. «Nach zehn Minuten kam eine Gruppe Jugendlicher heruntergefahren, sie haben einen leeren Schlitten vor sich hergeschoben. Da wusste ich, irgendwas ist schiefgelaufen.»
Sofort läuft der Pakistaner zur Ticketstation, um Hilfe zu holen. «Aber die Frau an der Kasse hat nur gesagt, dass Saba aus dem Schlitten ausgestiegen sei – das wäre nicht das Problem der Betreiber.»
Doch damit gibt sich der besorgte Ehemann nicht zufrieden. «Saba wäre nie ausgestiegen, wenn sie weiss, dass ich mit Ahmar unten auf sie warte.» Nach mehrmaligem Bitten wird endlich nach der Verunfallten gesucht.
Muhammad fährt mit seinem kleinen Sohn wieder auf den Berg, er will möglichst nahe bei seiner Frau sein. «Als wir oben waren, kam ein israelisches Mädchen auf mich zu. Sagte, es wäre in dem Schlitten hinter Saba gewesen. Der Mann, der die Gurte festmacht hatte, hätte nur ihnen die Instruktionen gegeben – auf Deutsch. Saba hätte er nichts erklärt, sondern ihr einfach einen Schubs gegeben», erzählt der Witwer.
Wenig später sei eine Polizistin zu ihm gekommen. «Sie hat mir gesagt, dass sie Saba 20 Meter von den Schienen entfernt am Berg gefunden hätten. Sie sei schwer verletzt und würde jetzt ins Spital geflogen.» Die Ärzte können der jungen Mutter nicht mehr helfen. Saba Amjad Ali stirbt.
Zurück in Pakistan ist der Albtraum für Muhammad noch lange nicht vorbei. Denn die Betreiber der Heimwehfluh versuchen mit allen Mitteln, die Verantwortung für den schrecklichen Unfall von sich abzulenken. So vermutet der Geschäftsführer der Rodelbahn, dass Saba vielleicht ermordet wurde:
Muhammad ist geschockt und wütend: «Ich liebe meine Frau. Ich kann nicht fassen, dass Herr Tschanz solche unglaublichen Anschuldigungen verbreitet.»
Die Polizei kommt denn auch zu einem anderen Schluss: Laut dem Unfallbericht öffnet sich der Sicherheitsgurt in der drittletzten Kurve.
Muhammad Ajmal Chaudry hat jetzt einen Anwalt engagiert, um die Verantwortlichen für den Tod seiner Frau zur Rechenschaft zu ziehen.