Interlaken nimmt Abschied von Marco
1:30
Nach Rodelbahn-Unfall:Interlaken nimmt Abschied von Marco

Berner Behörden hielten Anlage in Interlaken fälschlicherweise für sicher
Warum blieb die Heimwehfluh-Bahn trotz Mängeln offen?

Nur einen Tag nach dem tödlichen Unfall öffnete die Rodelbahn Heimwehfluh wieder. Erste Begutachtungen fanden keine gravierenden Mängel. Seit Mittwoch ist jedoch klar, dass die Bahn nicht betriebssicher ist und geschlossen wird. Doch wie kam es zur ersten Entscheidung?
Publiziert: 10.07.2025 um 12:21 Uhr
|
Aktualisiert: 10.07.2025 um 13:16 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/6
Sechs Tage nach dem tödlichen Unfall eines Mitarbeiters auf der Rodelbahn Heimwehfluh sind viele Fragen offen.
Foto: Beat Michel

Darum gehts

  • Tödlicher Unfall auf Rodelbahn Heimwehfluh, viele Fragen offen, Warnsignale ignoriert
  • Betrieb trotz Unfall fortgesetzt, später Mängel festgestellt und Benützungsverbot erlassen
  • 2008 gab es schon einen Todesfall und seitdem mehrere Unfälle
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Ganze vier Tage lang galt die Rodelbahn Heimwehfluh als sicher. Behördlich geprüft und für sicher befunden. Trotz des tödlichen Unfalls letzten Freitag. Dutzende Touristen nutzten die Rodelbahn seither. Nicht ahnend, dass die Rodelbahn nämlich vieles ist, nur nicht sicher. Zu dieser fatalen Erkenntnis sind die Behörden nur wenige Tage später gekommen.

Sechs Tage nach dem tödlichen Unfall eines Mitarbeiters auf der Rodelbahn Heimwehfluh in Interlaken BE sind viele Fragen offen. Unklar ist auch, warum verschiedene Warnsignale über Jahre ignoriert wurden. Denn Fakt ist: Der Todesfall des Mitarbeiters während einer Kontrollfahrt am 4. Juli ist kein Einzelfall. Auf der Rodelbahn Heimwehfluh gab es seit 2008 bereits einen ersten Todesfall, zudem mehrere Unfälle. Und schon vor zwei Jahren waren teils eklatante Mängel bemerkt worden. 

Fragwürdig ist zudem, warum bereits einen halben Tag nach dem tödlichen Unfall auf der Rodelbahn wieder Touristen gen Tal sausen durften. Die Kantonspolizei Bern erklärt auf Nachfrage von Blick: «Bei ersten Begutachtungen vor Ort durch einen Spezialisten der Kantonspolizei Bern konnten keine gravierenden Mängel festgestellt werden, die eine unmittelbare Schliessung der Bahn erfordert hätten.» Erst am Dienstag schloss die Bahn – laut Betreiber wegen des Regens. Inzwischen ist klar, die Bahn war wegen einer Sonderinspektion gesperrt.

Rodelbahn-Chef äussert sich zum tödlichen Unglück
0:54
«Die Rodelbahn ist in Ordnung»:Rodelbahn-Chef äussert sich zum tödlichen Unglück

Neue Erkenntnisse offenbaren doch Mängel

Am Mittwoch kamen dann aber andere Töne seitens der Polizei. Es gäbe neue Erkenntnisse! Hintergrund: weiterführende technische Untersuchungen. Das Ergebnis: «Es gibt doch Mängel festzustellen, weshalb eine Sonderinspektion durch die Kontrollstelle des Interkantonalen Konkordats über Seilbahnen und Skilifte (IKSS) in Auftrag gegeben wurde.»

Heisst, nach einem Hin und Her zwischen Bahnöffnung und Bahnschliessung ist jetzt klar: Die Rodelbahn ist nicht betriebssicher! 

Schon 2023 fielen Mängel auf

Das Amt für öffentlichen Verkehr des Kantons Bern (AÖV) führt alle zwei Jahre Kontrollen an der Anlage durch. Gegenüber «20 Minuten» erklärt AÖV-Ingenieur Thomas Gisi, dass die Hauptverantwortung für die technische Prüfung beim Interkantonalen Konkordat über Seilbahnen und Skilifte (IKSS) liege. Bereits bei der letzten Kontrolle vor zwei Jahren seien Mängel an der Rodelbahn Heimwehfluh festgestellt worden, sagt er weiter.

Damals erteilte Auflagen seien allerdings vom Betreiber umgesetzt worden. Die Mängel hätten zudem keine Gefahr für die Benutzer der Anlage dargestellt, betonte Gisi gegenüber «20 Minuten». In den letzten Jahren ereigneten sich mehrere Unfälle auf der Rodelbahn, und Besucher beschwerten sich in Google-Rezensionen über mangelhafte Zustände an der Bahn. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Hätten die Kontrollen häufiger als im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführt werden sollen?

Interlaker würden nicht mehr rodeln gehen
0:42
Amelie (18) aus Interlaken:«Ich persönlich würde damit nicht mehr fahren»

Wer trägt die Verantwortung?

Die Baupolizei der Gemeinde Matten erliess am Mittwoch ein Benützungsverbot. Von der Bau- und Verkehrsdirektion (BVD) des Kantons Bern hiess es auf Anfrage: «Betreffend die Betriebsbewilligung zur Rodelbahn läuft aktuell eine Sonderinspektion durch die kantonale Aufsichtsbehörde in Zusammenarbeit mit der Kontrollstelle IKSS.» Hierzu wird die BVD am Donnerstag eine Medienmitteilung herausgeben.

An der Entscheidungsfindung über die Schliessung der Rodelbahn waren daher mehrere Parteien beteiligt. Doch in Bezug auf die technische Überprüfung verweisen die Kompetenzstränge auf das IKSS. Eine Anfrage von Blick an die Kontrollstelle blieb jedoch bisher unbeantwortet. Damit bleibt weiterhin unklar, auf welchen Grundlagen das IKSS die Rodelbahn Heimwehfluh beurteilte.

Zudem fällt auf, dass die ersten Begutachtungen durch die Kantonspolizei Bern ausgeführt wurden, wodurch die Schliessung nicht sofort erfolgte. In Hinblick auf die zentrale Stellung des IKSS für die technische Überprüfung wirft das Fragen auf – hätte die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt so getroffen werden sollen und hätten die Kompetenzen klarer verteilt werden müssen? Fragen, die aktuell noch offenbleiben.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?