Darum gehts
- Zuger Energielobby-Verein erhielt Mittel aus Lotteriefonds für Jubiläumsanlass mit Bundesrat Rösti
- Finanzierung wirft Fragen auf, da Lotteriegelder nur für gemeinnützige Zwecke verwendet werden dürfen
- Pikant: Frühere Gesuche von politischen Organisationen wurden abgelehnt
Der Energieminister war als Stargast dabei: Die Zuger Sektion der «Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz» (Aves) feierte im Frühjahr 2024 ihr 40-Jahr-Jubiläum. Im Theater Casino Zug referierte SVP-Bundesrat Albert Rösti (57), einst Präsident der nationalen Dachorganisation. Die Aves galt jahrelang als Stimme der Atomlobby.
Was damals kaum ein Thema war: Die Durchführung des Anlasses wurde mit 5000 Franken aus dem kantonalen Lotteriefonds unterstützt – deklariert als «gemeinnütziges Projekt». Das zeigt die nun vorliegende Abrechnung der Zuger Behörden. Zuständig für die Vergabe: SVP-Regierungsrat Heinz Tännler (65) und seine Finanzdirektion.
Nur für gemeinnützige Zwecke
Die Finanzierung wirft Fragen auf. Denn: Lotteriegelder dürfen laut Bundesverfassung nur für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden. In den Richtlinien der Zuger Behörden steht sogar explizit: «Keine Unterstützung erhalten Vorhaben mit politischem, religiösem oder ideologischem Inhalt.»
Die Aves veröffentlicht «energiepolitische Positionen». Sie warnt darin vor einer unsicheren Stromversorgung ohne Kernkraft, kritisiert eine «ineffektive Subventionierung neuer erneuerbarer Energien in Europa» und beklagt sich über die von «staatlicher Planung» geprägte Energiedebatte.
So erklärt Heinz Tännler die Vergabe
Warum also floss das Geld an eine Organisation, die in der Energiepolitik klare Kante zeigt? Klar ist: In Zug können die Direktionen bis zu 10'000 Franken aus dem Lotteriefonds eigenständig vergeben – die Verantwortung trägt der jeweilige Regierungsrat.
Finanzdirektor Tännler verteidigt die Unterstützung für den Jubiläumsanlass, an dem er selbst teilnahm. Die Aves Zug sei ein ideell ausgerichteter Verein, parteipolitisch und konfessionell neutral. «Sein Engagement erfolgt in uneigennütziger Weise zum Wohl der Allgemeinheit», so Tännler zu Blick.
Der Verein informiere die Öffentlichkeit über energiepolitische Themen und organisiere Veranstaltungen. Tännler sagt jedoch selbst: Die Aves mache «zu energiepolitischen Vorlagen auch Empfehlungen zuhanden der Politik und der Stimmbürgerschaft». Und: «Die Versachlichung der Diskussion in der Energiepolitik steht im Mittelpunkt ihrer Bemühungen.»
Die Aves versteht ihr Wirken als gemeinnützig. Laut Statuten setzt sie sich «im Rahmen der freien Marktwirtschaft für eine sichere, wirtschaftliche und nachhaltige Energieversorgung» ein. Ihr explizites Ziel ist aber: «ein möglichst umweltfreundlicher und auslandunabhängiger Strommix, worin Wasserkraft und Kernenergie eine entscheidende Rolle spielen».
Am Jubiläumsanlass wurde denn auch munter politisiert. So kritisierte Aves-Präsident Rudolf Balsiger (76) laut Redetext etwa, dass die Grünen «meist unwidersprochen die zukünftige Richtung der Energiepolitik durchgeben und dabei Physik und Ökonomie ignorieren». Ebenso wurde am Anlass für die sogenannte Blackout-Initiative geworben.
«Erschreckend, dass die Atomlobby diese Gelder kassiert»
Die Zuger Grünen äussern scharfe Kritik: «Es ist erschreckend, dass die Atomlobby diese Gelder kassiert», sagt Kantonsrat Luzian Franzini (29) zu Blick. Die Aves sei «nicht politisch neutral, sondern steht für eine rechte Energiepolitik, die die Kernkraft forciert». Dass die Veranstaltung mit Geldern aus dem Lotteriefonds mitfinanziert wurde, hält er für «absolut fragwürdig».
Franzini verweist auf frühere Entscheide der Zuger Behörden: 2019 wurde ein Gesuch der Jungen Alternativen Zug abgelehnt – es ging ebenfalls um einen Jubiläumsanlass. Begründung: Der Anlass verfolge keinen wohltätigen und nur bedingt einen gemeinnützigen Zweck.
Abgeschmettert wurde 2020 auch das Gesuch eines überparteilichen Komitees. Es hatte für ein Podium zur Kampfjet-Abstimmung Lotteriegelder beantragt. Die Finanzierung solcher Veranstaltungen wurde in Zug zudem schon mit Verweis auf den «Grundsatz der politischen Neutralität» strikt abgelehnt. «Reglemente gilt es zu akzeptieren», sagt Franzini, der auch Generalsekretär der Grünen Schweiz ist. «Aber dann müssen sie für alle gelten.»
Am Montag widersprach Tännler gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: Bei der Aves Zug handle es sich eben nicht um eine Partei, beziehungsweise ein überparteiliches Komitee, sondern um einen «parteipolitisch neutralen Verein».
Jetzt tritt Tännler selbst auf
Die Aves besteht seit 2018 nur noch auf kantonaler Ebene – nach der Annahme des Energiegesetzes löste sich der nationale Dachverein auf. Die Zuger Sektion ist bis heute aktiv. Im Vorstand sitzen Vertreter verschiedener bürgerlicher Parteien.
Aves-Präsident Balsiger erklärt auf Anfrage, man äussere sich nicht zum Vergabeentscheid. Die Aves habe den Kanton ohne Nennung eines konkreten Betrags um Unterstützung für den Jubiläumsanlass gebeten. Aus welchem Topf die Mittel stammen könnten, habe man nicht vorgegeben. «Das ist allein die Entscheidung der Regierung», sagt er. Man sei «dankbar für jeden Beitrag, da wir als kleiner Verein an die Grenzen unserer Möglichkeiten stossen».
Im Herbst lädt die Zuger Aves erneut zu einem Anlass mit politischem Gewicht. Es geht um das umstrittene Stromabkommen mit der EU. Referent diesmal: Regierungsrat Tännler selbst.
Grünen fordern Antworten im Parlament
Der von Blick publik gemachte Fall könnte ein politisches Nachspiel haben: Die Vergabe der 5000 Franken an die Aves wird Thema im Zuger Kantonsrat werden. Grünen-Politiker Franzini erklärte am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, er werde im Kantonsparlament für seine Fraktion eine Interpellation einreichen.