Verschärfte Kontrollen ärgern Schweiz – Migrationsforscher spricht Klarext
«Was wir an deutscher Grenze erleben, ist Theaterpolitik»

Deutschland hat die Asylschraube angezogen und verschärft die Kontrollen an den Grenzen weiter. Die Schweiz reagiert mit Kritik. Migrationsforscher Gerald Knaus hält die Massnahmen für wirkungslos – sie seien reine Symbolpolitik.
Publiziert: 21.05.2025 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2025 um 13:02 Uhr
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Deutschland kontrolliert seine Grenzen wieder strenger – mit Folgen für Nachbarländer wie die Schweiz.
Foto: imago/Eibner

Darum gehts

  • Neue deutsche Asylpolitik laut Migrationsforscher Gerald Knaus weitgehend wirkungslos
  • Grenzkontrollen in Mitteleuropa laut Knaus schlicht illusorisch
  • Alternativen wie Asylverfahren in Drittstaaten gefordert
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Die neue deutsche Regierung unter CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz (69) hat die Asyl-Schraube angezogen – mit Folgen für die Schweiz. Neu sollen alle illegalen Migranten direkt an der Grenze zurückgewiesen werden, selbst wenn sie einen Asylantrag stellen wollen. Die Schweiz pocht indes auf eine rechtsstaatlich abgestimmte Vorgehensweise und erwartet eine enge Koordination unter den Nachbarländern.

Der Migrationsforscher Gerald Knaus (54) sagt nun deutlich, was er von der neuen deutschen Asylpolitik hält: Sie sei weitgehend wirkungslos! «Das, was wir an der deutschen Grenze erleben, ist Theaterpolitik», erklärt der Chef der Denkfabrik European Stability Initiative im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung».

Sind Massnahmen nur Symbolpolitik?

Die jüngsten Rückweisungen durch die Bundespolizei – Deutschland hatte die Massnahmen an der Grenze schon in den Jahren zuvor verschärft – seien kaum mehr als Symbolpolitik. Knaus macht ein Beispiel: «Anfang Februar teilte die Bundespolizei mit, sie habe in Bayern in zwei Tagen dreissig Personen nach Österreich zurückgeschoben. Ich habe mich in Wien erkundigt: Angekommen sind sechs Personen, die alle in Österreich kein Asylgesuch stellen wollten. Sie wurden kurz verhört, dann waren sie wieder weg.»

Knaus bezweifelt im «NZZ»-Interview grundsätzlich, dass eine solche Grenzpolitik die Migration wirksam eindämmen kann. «EU-Staaten haben die letzten zehn Jahre versucht, an den EU-Aussengrenzen Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu kommen – teilweise mit grosser Brutalität», sagt er. Gelungen sei das nur dort, wo Zäune gebaut wurden: zwischen Belarus und Polen, Griechenland und der Türkei respektive Bulgarien und der Türkei.

In Mitteleuropa sei das illusorisch: «Wer es ohne Zaun in den Weinbergen bei Lörrach und Basel versucht, wird sicher scheitern. Der letzte Zaun wurde dort übrigens im Zweiten Weltkrieg unter Himmler gebaut – um Juden an der Flucht in die Schweiz zu hindern.»

Knaus fordert Strategiewechsel

Tatsächlich würden heute weniger Syrer und Afghanen nach Europa kommen als noch vor drei Jahren. In Österreich seien die Asylzahlen sogar schneller gefallen als in Deutschland – und das ganz ohne zusätzliche Kontrollen.

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Knaus fordert in der «NZZ» deshalb einen Strategiewechsel: Statt ineffektive Rückweisungen brauche es Alternativen. Ein Schlüssel sei die Auslagerung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten. Das könne den Anreiz für irreguläre Migration wirksam senken – wie bereits im Jahr 2016 mit dem EU-Türkei-Abkommen geschehen.

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