Ukraine-Krieg sorgt für Verunsicherung – Schweizer Soldaten suchen vermehrt seelischen Beistand
«Helfen Sie mir, die RS durchziehen!»

Die Sicherheitslage in Europa beunruhigt Schweizer Soldaten. Armeeseelsorger berichten von einer gestiegenen Nachfrage nach Beratung. Der Ukraine-Krieg hat die Wahrnehmung des Militärdienstes verändert.
Publiziert: 03.05.2025 um 12:51 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2025 um 13:19 Uhr
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Die Sicherheitslage in Europa ist angespannt. Der Ukraine-Krieg beschäftigt auch Schweizer Soldaten. Sie setzten sich heute ernsthafter mit ihrer Rolle auseinander.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Schweizer Soldaten beschäftigen sich ernsthafter mit ihrer Rolle im Ukraine-Krieg
  • Armeeseelsorge gefragt wie nie zuvor, Soldaten zweifeln kaum am Militärdienst
  • Zahl der Armeeseelsorgenden während der Covid-Pandemievon 171 auf 242 erhöht
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Die Sicherheitslage in Europa ist angespannt. Der Ukraine-Krieg beschäftigt auch Schweizer Soldaten. Sie setzten sich heute ernsthafter mit ihrer Rolle auseinander. Armeeseelsorgende stellten einen Wandel fest, in Gesprächen, in Begegnungen.

Der reformierte Pfarrer Christian Scharpf leistet als Armeeseelsorger Dienst im Rettungsbataillon 4. Die Vorstellung, dieses könnte im Verteidigungsfall zum Einsatz kommen, sei keine theoretische mehr, wird er in der evangelisch-reformierten Zeitung «Reformiert» zitiert: «Früher hielten wir das für ausgeschlossen. Heute spüren wir, dass die Sicherheit in Europa fragil geworden ist.» Soldatinnen und Soldaten zweifelten kaum mehr am Sinn des Militärdienstes.

«Die Armeeseelsorge ist gefragt wie noch nie»

Das zeige sich konkret in der Zahl von Anfragen. «Die Armeeseelsorge ist gefragt wie noch nie», so Fabian Kuhn, Pfarrer und langjähriger Armeeseelsorger in der Infanterie-Rekrutenschule Gossau. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Zahl der Anfragen verdoppelt. Als Auslöser sieht auch Kuhn den Ukraine-Krieg – und in den letzten Monaten habe sich diese Dynamik noch verstärkt.

Armeeseelsorger Kuhn stelle eine verstärkte Polarisierung fest: «Es kommen aktuell mehr Rekrutinnen und Rekruten auf mich zu, die sagen: ‹Helfen Sie mir, die RS durchziehen, ich will das schaffen, denn ich sehe darin einen Sinn›», wird er weiter zitiert. Gleichzeitig täten sich vermehrt Junge mit dem Dienst an der Waffe schwer. Manchen sei bewusster, dass sie im Kriegsfall allenfalls töten müssten. «Sie sagen mir dann: ‹Eigentlich will ich doch Leben retten und nicht zerstören›.»

Deutlich mehr Armeeseelsorger

Landesweite Zahlen gibt es nicht. Doch auch Samuel Schmid, Chef Seelsorge, sehe die Nachfrage tendenziell steigen. Soldaten seien nicht nur offener gegenüber Seelsorge als früher, auch habe die Covid-Pandemie gezeigt, dass in Zeiten der Unsicherheit existenzielle Fragen vermehrt gestellt würden: «Das sehen wir auch jetzt wieder.»

Während der Pandemie ist die Zahl der Armeeseelsorgenden von 171 auf 242 erhöht worden. Auch heute profitieren die Soldaten davon. Zudem werde die Ausbildung mittlerweile jedes Jahr statt alle zwei Jahre angeboten und dauere länger, um den steigenden Ansprüchen gerecht zu werden.

«Wir begleiten Menschen, die im Extremfall selbst töten müssen oder getötet werden könnten. Dem muss die Ausbildung Rechnung tragen», so Armeeseelsorge-Chef Schmid. Neu werde etwa auch Militärethik behandelt. Und seit 2022 müssten die Seelsorgenden bekräftigen, dass sie auch unter Einsatz ihres Lebens dienen würden: «Diese Frage hätte vor 20 Jahren Stirnrunzeln ausgelöst.» Heute aber sei ein solches Szenario nicht mehr auszuschliessen.

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