Staatspartei im Clinch
FDP-Chef sagt Nein zum EU-Deal

Der neue FDP-Co-Präsident Benjamin Mühlemann stimmte gegen das Abkommen mit der EU – die Delegierten seiner Partei hingegen sagten überdeutlich Ja. Kann das gut gehen?
Publiziert: 02.11.2025 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2025 um 11:32 Uhr
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Neues Führungsduo: Benjamin Mühlemann, und Susanne Vincenz-Stauffacher am 18. Oktober in Bern.
Foto: keystone-sda.ch
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Der Freisinn wandelt auf interessanten Pfaden. Am 18. Oktober sagten die Delegierten nach einem Redemarathon mit 330 zu 104 Stimmen deutlich Ja zum neuen Verhandlungspaket mit der EU – und stimmten zugleich für den Verzicht aufs Ständemehr. Drei Viertel der FDP hoben in Bern die Hand für die goldenen Sterne auf blauem Grund – Europa, wir kommen!

Umso deutlicher steht diese Entscheidung in Schieflage zur Wahl des neuen Co-Präsidiums, die am selben Tag erfolgte: Susanne Vinzenz-Stauffacher (58) und Benjamin Mühlemann (46) werden die Partei zur Europaabstimmung führen.

Ein holpriger Start als Parteichef

Die Wahl der St. Galler Nationalrätin Vinzenz-Stauffacher erscheint vor diesem Hintergrund durchaus sinnvoll, zumal sie sich als flammende Befürworterin der sogenannten Bilateralen III geoutet hat. Der Glarner Ständerat Mühlemann hingegen hat nicht nur für das Ständemehr votiert – er gehörte am 18. Oktober auch zur Minderheit der freisinnigen Delegierten, die gegen das Vertragspaket stimmten. Der neue Parteichef steht damit in einer Kernfrage quer zur Basis und zum eigenen Bundesrat. Dieser Umstand wurde in der Öffentlichkeit bisher kaum beachtet und lässt den Start Mühlemanns, der seine erste Legislatur im Bundeshaus absolviert, ziemlich holprig erscheinen. Wie sollen Partei und Co-Chef in diesem wichtigsten Dossier in nächster Zukunft harmonieren?

Während die EU-Kritiker um den Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger (72), den Nationalrat Christian Wasserfallen (44) und den ehemaligen Jungfreisinnigen-Präsidenten Matthias Müller (33) bei der Abstimmung im Wankdorf scheiterten, sind sie im Präsidium nun immerhin mit 50 Prozent vertreten.

Vielleicht ein «Ja mit Knurren»

Seine Hauptsorge im EU-Dossier sei die Souveränitätsfrage, begründet Mühlemann sein Nein auf Anfrage. «Mir ist zu wenig klar, wie Parlament, Kantone und Bevölkerung beim Decision Shaping (der Entscheidungsfindung; Red.) überhaupt eingebunden werden», sagt er. Dass die parteiinterne Arbeitsgruppe solche Aspekte klären will, begrüsse er. Diese Punkte müsse man ernst nehmen.

Wie aber will er mit seiner Co-Präsidentin die Partei in dieser nationalen Schicksalsfrage führen? Mühlemann argumentiert, in seiner Haltung komme auch eine Stärke der Partei zum Ausdruck, indem sie so das gesamte europapolitische Spektrum abbildet und programmatische Breite signalisiere. Ausserdem sei es ja zunächst um eine Antwort der FDP auf die Vernehmlassung gegangen, noch nicht um eine Abstimmungsparole. Je nachdem, wie die Vorlage im Interesse des Freisinns weiterentwickelt wird, könnte sich Mühlemann vorstellen, dass gewisse kritische Stimmen zu einem «Ja mit Knurren» finden.

Zuvor jedoch wird der Bundesrat seine Botschaft zuhanden des Parlaments formulieren, das dann ausführlich über das Thema streiten wird. Fürs Knurren bleibt also noch etwas Zeit.

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