Schwierige Lage für Sans-Papiers: Kein Platz mehr in Notschlafstellen
«Der Kanton Bern verschärft eine bereits prekäre Lage»

Wer keinen Ausweis hat, bekommt keinen Platz in einer Notschlafstelle des Kantons Bern. Obdachlosigkeitsforscher Jörg Dittmann äussert im Interview deutliche Kritik.
Publiziert: 02.11.2025 um 18:03 Uhr
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Sans-Papiers kriegen keinen Platz in einer Berner Notschlafstelle. (Symbolbild)
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Bern verschärft Regeln für Obdachlose ohne Papiere in Notschlafstellen
  • Notschlafstellen sind das letzte Auffangnetz für Obdachlose ohne Unterkunft
  • Mehr als die Hälfte der Obdachlosen in Bern besitzen keine Papiere
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Thomas Angeli
Beobachter

Jörg Dittmann, in Bern muss man sich neuerdings ausweisen, wenn man in einer Notschlafstelle übernachten will. Erleben wir da gerade eine neue Härte im Umgang mit Sans-Papiers?
Jörg Dittmann: Ja, dieser Entscheid trifft Menschen hart, die ohne Aufenthaltserlaubnis sind und auch kein Obdach haben. Diese Menschen sind auf die Hilfe von Stadt und Kanton angewiesen. Von daher ist es für sie eine markante Verschärfung ihrer bereits jetzt prekären Lebenssituation. 

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Gemäss Schätzungen besitzt mehr als die Hälfte der Obdachlosen in Bern keine Papiere. Wie wichtig sind denn Notschlafstellen bei der Betreuung dieser Menschen?
Ohne Notschlafstellen müssen Obdachlose draussen übernachten. Und das stellt die Betroffenen vor erhebliche Herausforderungen, gerade im Winter bei Nässe und Kälte. Notschlafstellen sind für sie das letzte Auffangnetz.

Nun beruft man sich in Bern bei diversen Notschlafstellen auf den Nothilfeartikel in der Bundesverfassung. Es heisst, man sei entgegen den Weisungen des Kantons verpflichtet, Menschen in Not aufzunehmen. Denken Sie, dass sie damit durchkommen?
Das ist eine schwierige und juristisch zu klärende Frage. Wir reden hier über Menschen, die nicht legal im Land sind. Auf der einen Seite können wir mehr vom Menschenrecht ausgehen und argumentieren, dass jeder Mensch Anrecht auf ein Obdach hat. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, dass diese Menschen gar nicht im Land sein dürften. Am Ende wird diese Frage auf dem Rücken von Menschen ausgefochten werden, die aufgrund ihrer Situation jetzt noch härtere Lebensbedingungen haben. 

Der Kanton Bern argumentiert, man müsse die Notschlafstellen für diejenigen zugänglich halten, die sich legal im Land aufhalten. Gibt es denn aus Ihrer Sicht Alternativen zu dieser Haltung?
Es braucht Überlegungen dazu, wie auch Menschen, die sich illegal hier aufhalten, einen sicheren und menschenwürdigen Unterschlupf finden. Da sind alle in der Pflicht. Der Entscheid des Kantons zementiert die Illegalität dieser Menschen. Der Staat verliert zudem eine Möglichkeit, die Betroffenen über ihre Situation und ihre realistischen Perspektiven zu beraten. Es ist eine schwierige Problematik, aber man muss sich ihr stellen. Dazu braucht es Lösungen, die nicht einseitig auf Verdrängung ausgerichtet sind. Mit der Entscheidung, Sans-Papiers aus Notschlafstellen auszuschliessen, löst man das Problem nicht.

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