Darum gehts
- Langjährige Stadtschreiberin Luzia Meister kritisiert ihren Vorgesetzten
- Nach der Abschaffung der Juristenstelle sei sie überlastet und erschöpft gewesen
- Dazu kam fehlende Wertschätzung, Kränkung und Kritik
Eher unschön muss derzeit Luzia Meister (64) ihr Amt verlassen. 15 Jahre lang arbeitete sie als Stadtschreiberin von Grenchen SO. Nun geht sie in Pension – und packt über ihren Vorgesetzten aus, den amtierenden Stadtpräsidenten François Scheidegger (64, FDP). Wertschätzung habe sie kaum erhalten, stattdessen Kritik und Kränkung, sagt sie gegenüber dem «Grenchner Tagblatt».
Doch damit nicht genug. Das Verhältnis zwischen ihr und dem Stadtpräsidenten sei «belastet». Warum, wisse sie bis heute nicht, sagt Meister. «Aber ich hatte zu viel am Hals, etwas musste immer liegen bleiben. Ich war überlastet, erschöpft und wie die Kollegen und der Chef unzufrieden.» Blick hatte auch mit anderen Personen Kontakt, welche von ähnlichen Vorfällen berichten und die Aussagen von Luzia Meister stützen. Meister selbst wollte sich auf Anfrage nicht nochmals äussern.
Zum unschönen Abgang trägt bei: Bereits als der neue Stadtschreiber anfing, habe man ihr Mailkonto und den Zugang zum Gebäude gesperrt sowie Termine aus ihrem Kalender gelöscht, obwohl sie erst Ende Mai pensioniert wird.
Offenbar war Meister vor allem überlastet, weil 2018 eine 100%-Juristenstelle aufgelöst wurde. Danach habe sie diese Aufgaben grösstenteils übernommen. «Ich sagte immer, dass das nicht zu schaffen ist, auch wenn ich kleinere Aufgaben abgeben konnte. Nach vier Jahren wurde mir wenigstens eine Sekretärin mit kleinem Pensum erlaubt.»
Aufwand sei «überschaubar» gewesen
Anderer Meinung ist dagegen Stadtpräsident Scheidegger. Auf Blick-Anfrage schreibt er, das persönliche Verhältnis sei grundsätzlich gut gewesen. Was die Arbeit angehe, habe es aber unterschiedliche Erwartungshaltungen gegeben. Dies habe tatsächlich zu Spannungen geführt. Von einem «belastenden Verhältnis» sprechen will er aber nicht.
Stadtpräsident Scheidegger bestätigt, dass Luzia Meister im Rahmen ihrer Stadtschreiberfunktion zwar einige rechtliche Aufgaben übernommen habe, der Mehraufwand sei aber «überschaubar» gewesen. Dazu seien Entlastungsmassnahmen gekommen, wie eine vollwertige Stellvertretung, die Entbindung von gewissen Aufgaben oder die Bewilligung einer persönlichen Teilzeitassistenz. Der Rechtsdienst sei zudem ausgelagert worden.
«Er hätte mehr tun müssen»
Dass die interne Stelle für den Rechtsdienst eingespart wurde, kritisiert auch die Grenchner SP-Gemeinderätin Angela Kummer (42). «Damit hat man Luzia Meister zu viel aufgeladen und ihr gleichzeitig immer wieder gesagt, dass sie nicht nachkomme», so Kummer gegenüber Blick. In der vorletzten Gemeinderatssitzung wurde deshalb ein Vorstoss eingereicht, um den internen Rechtsdienst wieder einzuführen.
Zur übrigen Kritik am Stadtpräsidenten könne sie keine Stellung beziehen, da sie als Gemeinderätin zu weit weg vom Tagesgeschehen sei, so Kummer. «Der Stadtpräsident ist jedoch der Vorgesetzte von Frau Meister und bei einer Überlastung hätte er mehr machen müssen.» Kummer will dies bald selbst tun. Die SP-Gemeinderätin ist eine der Kandidierenden für die Nachfolge von François Scheidegger, der per Ende Jahr aufhört, wie er bereits früher bekannt gab.
Per sofort gesperrt
Zu den gesperrten Zugängen von Meister sagt Stadtpräsident Scheidegger, der faktische Austrittstermin sei per Ende März vereinbart worden. Dabei sei auch schriftlich festgehalten worden, dass Meister per dann ihre Zugriffsrechte verliere und bis zu ihrer Pensionierung Ende Mai in eigener Verantwortung ihre offenen Feriensaldi beziehe.
Meister selbst bedauert das Vorgehen im «Grenchner Tagblatt». «Ich hätte gerne die Ferientage so gelegt oder sogar teilweise verfallen lassen, um meine Dossiers möglichst abschliessen und sauber ablegen oder übergeben zu können», sagt sie. Das ist jetzt nicht mehr möglich.