Prozess in Uster ZH – Urteil folgt nächste Woche
Ex-SVP-Kantonalchef wegen Rassismus vor Gericht

Der frühere Präsident der Zürcher SVP Patrick Walder stand am Mittwoch wegen Rassendiskriminierung vor dem Bezirksgericht Uster. Vor Gericht fand eine Debatte über Meinungsfreiheit und Rassismus statt.
Publiziert: 14.05.2025 um 07:13 Uhr
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Aktualisiert: 14.05.2025 um 17:01 Uhr
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Der Zürcher SVP-Politiker Patrick Walder, hier 2019 als Parteichef, muss sich vor Gericht verantworten.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • SVP-Kantonsrat musste sich heute vor Gericht wegen Rassendiskriminierung verantworten
  • Während die Klägerschaft auf Rassismus und Hetze plädierte, setzte die Verteidigung auf die freie Meinungsäusserung
  • Am Schluss kam das Gericht zu keinem Urteil, dieses wurde auf den kommenden Mittwoch vertagt
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Was ist rassistisch und was ist freie Meinung? Mit dieser Frage befasste sich am Mittwoch das Bezirksgericht Uster. Vor Gericht stand der ehemalige Zürcher SVP-Präsident und heutige Kantonsrat Patrick Walder (38). Ihm wird vorgeworfen, eine Medienmitteilung zu verantworten, die Eritreerinnen und Eritreer aufgrund ihrer Ethnie herabsetze und eine Ideologie verbreite, die zu Hass und Diskriminierung aufrufe. 

Die Verteidigung von Walder übernahm der ehemalige SVP-Kantonsrat und Milieu-Anwalt Valentin Landmann (74). Dieser berief sich unter anderem auf die freie Meinungsäusserung, einen der wichtigsten demokratischen Werte, wie er sagte. Dies liessen die Anwältinnen der Privatklägerschaft jedoch nicht gelten. «Verbale, rassistische Tritte in die Menschenwürde sind nicht durch Meinungsfreiheit zu begründen», sagte Rechtsanwältin Magda Zihlmann.

Auf einem Campingplatz in Österreich

Hintergrund des Prozesses war eine Medienmitteilung, welche die SVP im Juli 2019 verschickt hatte. Diese bezog sich auf einen tödlichen Fall aus Frankfurt (D), bei dem ein in der Schweiz lebender Eritreer ein Kind vor einen Zug stiess. Die SVP schrieb dazu in ihrer Mitteilung: «Die abscheuliche Tat zeigt einmal mehr auf, dass es sich bei solchen Personen um nicht integrierbare Gewalttäter handelt, die in der Schweiz nichts verloren haben.»

Für die Anwältinnen der drei Privatkläger steht damit fest: Hier sei ein Einzelfall mit ketzerischen Details angereichert worden – und für die pauschale Verunglimpfung aller Eritreerinnen und Eritreer verwendet worden. Dies sei typisch für die SVP.

Walder, der damals die Partei interimistisch leitete, sagte dagegen, dass damit die Asylpolitik des Bundes kritisiert werde – und nicht die Ethnie der Eritreer. Es sei absolut richtig, dass die SVP Stellung zu aktuellen Themen beziehe, wenn diese wegen politischer Verfehlungen passieren würden. Dies sei beim Vorfall in Frankfurt der Fall gewesen.

Walder sagte zudem, dass er zum Zeitpunkt des Versands auf einem Campingplatz in Österreich war. Er sei nur «sporadisch» per Telefon mit dem Sekretariat in Kontakt gestanden. Ob es dabei auch um die Medienmitteilung ging, daran könne er sich nicht erinnern. Er betonte zudem, dass er als Parteichef zwar die «politische Verantwortung» habe. «Aber dass man mich als Person nun juristisch belangen will, ist komplett falsch.»

«Noch nie so unwohl in der Schweiz gefühlt»

Dies lassen die Anwältinnen der Gegenpartei jedoch nicht gelten. Für sie ist klar, dass Walder die Medienmitteilung gesehen hat. Zudem habe Walder sich selbst in einer E-Mail als den Verantwortlichen für die Medienmitteilung genannt.

Sie bringen zudem vor, dass die Mitteilung Folgen für ihre Mandantinnen und Mandanten hatte. Vor Gericht äusserte sich eine 24-jährige Eritreerin aus Zürich, sie ist eine der Klägerinnen. «Ich habe mich noch nie so unerwünscht in der Schweiz gefühlt, wie in dem Moment, als ich die Medienmitteilung gelesen habe», sagt sie. Seither erlebe sie vermehrt Rassismus, sobald sie sage, dass sie aus Eritrea sei. Auch Christian Fischer, Co-Präsident des Eritreischen Medienbunds Schweiz, bestätigte vor Gericht, dass sie seit der SVP-Medienmitteilung vermehrt Meldungen zu rassistischen Vorfällen erhielten.

Bedingte Geldstrafe und Busse gefordert

Die Staatsanwaltschaft forderte für Patrick Walder eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 210 Franken sowie eine Busse von 800 Franken. Die Privatkläger verlangen zudem eine Entschuldigung von Walder. 

Anwalt Landmann dagegen beantragte Freispruch und Entschädigung. Er sagte auch, dass sein Mandant keine Entschuldigung auf der Webseite der SVP veröffentlichen könne, da er nicht mehr deren Präsident sei. 

Das Gericht wird sein Urteil am nächsten Mittwoch sprechen.

14.05.2025, 12:53 Uhr

Urteil wird vertagt

Damit endet der Prozess. Der Richter erklärt, das Urteil werde am kommenden Mittwoch 8.30 Uhr bekannt gegeben. Eine Zusammenfassung folgt.

14.05.2025, 12:52 Uhr

«Bereit die politische Verantwortung zu übernehmen»

Weiter betonte Walder, dass er bereit sei, die Verantwortung zu übernehmen, deshalb sitze er auch hier. «Ich bin bereit, die politische Verantwortung zu übernehmen.» Er wolle aber nochmals betonen, dass er in den Ferien gewesen sei und nicht permanent in Kontakt, weder online noch telefonisch, sondern sporadisch. Er verweist zudem erneut auf die unmögliche Anforderung, dass ein Parteipräsident alle Dokumente sichte und dies in einem Amt, das er freiwillig ausübe neben einem Beruf.

Zum Schluss sagt er: «Es war nie die Absicht der Partei mit der Medienmitteilung, jemanden zu diskriminieren.» Gegen Diskriminierung setze er sich auch als Politiker vehement ein. Es sei lediglich darum gegangen, aufzuzeigen, was in der Politik korrigiert werden müsse. Zudem hoffe er auf Verständnis, dass er sich nach vier Jahren Befragung nicht mehr an alles genau erinnern könne.

14.05.2025, 12:47 Uhr

«Rein politisches Motiv»

Verteidiger Landmann verzichtet auf einen zweiten Vortrag. Das letzte Wort hat Patrick Walder: Es seien diverse Äusserungen zur SVP genannt worden, zudem weitere Anzeigen gegen die SVP sowie das eidgenössische Kampagnen-Sujet von 2019. Das bestätige seinen Eindruck, dass es sich hier «um ein rein politisches Motiv» der Privatkläger handle, das ihn eher an eine Debatte aus dem Parlament erinnere. «Ich möchte daran erinnern, dass es in diesem konkreten Fall nicht um die Politik der SVP geht, sondern um mich als Person.» Er werde beschuldigt, ein Rassist zu sein, wogegen er in aller Form nochmals widersprechen wolle.


14.05.2025, 12:29 Uhr

«Meinungsfreiheit soll Minderheiten zu schützen»

In ihrer Replik betonen die Anwältinnen der Privatklägerschaft erneut, dass die Medienmitteilungen sich klar auf Eritreer beziehe und Pauschalisierungen enthalte. Zudem sei die Medienmitteilung an einen breiten Kreise gesendet worden. Dass Patrick Walder heute sage, er könne sich nicht erinnern, die Medienmitteilung gesehen zu haben, lassen sie nicht gelten.

Zur Meinungsäusserung sagen sie: In der politischen Debatte möge Überspitzes zugelassen sein. Politik müsse aber sachlich bleiben und sich auf objektive Gründe stützen. «Meinungsfreiheit in unserer Verfassung dient dazu, Minderheiten zu schützen», so Zihlmann. Und Anwältin Motz: Nur weil eine Äusserung eine Meinung sei, heisse das nicht, dass sie strafrei sei. «Meinungsfreiheit findet ihre Schranken in der Menschenwürde.»

14.05.2025, 11:58 Uhr

Weitere Pause

Bevor die zweiten Anträge erfolgen, wird eine weitere Pause eingelegt.

14.05.2025, 11:57 Uhr

«Wichtigster Wert unserer Demokratie»

Eine weitere Frage sei, ob der Inhalt der Mitteilung tatsächlich strafrechtlich relevant sei. Landmann betont, dass die Passage aus dem Kontext gerissen sei und sich die Aussage «solche Personen» auf den Täter aus Hamburg beziehe. Wie die Staatsanwaltschaft auf die Idee komme, dass die Eritreer als Ethnie gemeint seien, sei nicht nachvollziehbar. «Die SVP kritisiert im Text ausschliesslich die Asylpolitik des Bundes.»

Übertriebene Aussagen seien in der Politik – und gerade im Wahlkampf – zudem üblich – und wichtig im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit. Dies begründet er auch mit einem früheren Entscheid des Bundesgerichts. Zuletzt kommt Landmann nochmals auf die Meinungsfreiheit zu sprechen und betont, dass diese einer der wichtigsten demokratischen Werte sei.

Für seinen Mandanten Patrick Walder beantragt er Freispruch. Die von der Privatklägerschaft geforderte Entschuldigung auf der Webseite der SVP sei zudem nicht möglich, weil sein Mandat nicht mehr Präsident der SVP sei und das somit auch nicht könne.

14.05.2025, 11:39 Uhr

«Welchen Stellenwert soll Meinungsfreiheit haben?»

Es folgt das Plädoyer von Verteidiger Landmann. Es gehe um die Frage, welchen Stellenwert wir der Meinungsfreiheit als zentrales Element der Demokratie im Zusammenhang mit einer Partei im Wahlkampf zumessen wollen, beginnt er. Eine Frage, der sich auch die Staatsanwaltschaft nicht ganz sicher sei. Dabei verweist er auf eine Aussage kurz nach dem Vorfall, indem die Tamedia-Zeitungen die Staatsanwaltschaft zum aktuellen Fall befragt hat, und diese eine Anklage verneinten. 

Die Frage sei zudem, ob die Tat überhaupt seinem Klienten zugerechnet werden könne. Dieser sei in der besagten Zeit in der Ferien gewesen und könne nicht bestätigen, dass er die Mitteilung gesehen oder freigegeben habe. «Der Übeltäter kann im vorliegend Fall nicht klar dingfest gemacht werden», so Landmann. 

14.05.2025, 11:24 Uhr

«Rassismus muss bestraft werden»

Beide Nebenkläger-Anwältinnen beziehen sich zudem auf den grösseren Kontext. Rassismus müsse bestraft werden. «Verbale rassistische Tritt in die Menschenwürde sind nicht durch die Meinungsfreiheit zu begründen», so Zihlmann weiter.

14.05.2025, 11:16 Uhr

«Wahlkampf auf Kosten der Eritreer»

Als erstes beginnen die beiden Anwältinnen der Privatkläger. Sie betonen, dass es sich bei der Medienmitteilung, um eine Herabsetzung der Menschenwürde handle und die Verbreitung von Ideologien, die das friedliche Zusammenleben stören. Die Mitteilung sei eine Pauschalisierung und vermittle den Eindruck, dass alle Eritreer Gewalttätter seien. Die Medienmitteilung habe zudem Folgen gehabt für Eritrerinnen und Eritrer, wie die heutigen Bespiele zeigen würde. 

Beide Anwältinnen betonen zudem, dass Patrick Walder sich in einer seiner früheren Mail selbst als Verantwortlichen für die Medienmitteilung genannt hatte. Dass er heute sage, er könne sich nicht erinnern, sei deshalb nicht glaubwürdig. Sie betonen zudem, er sei ein Vollblutpolitiker und habe bewusst eine Herabsetzung gewollt – oder diese zumindest in Kauf genommen. «Er hatte die Aufgabe Wahlkampf zu machen und das tat er, auf Kosten der Eritrerinnen und Eritrer», so Anwältin Zihlmann.

14.05.2025, 10:53 Uhr

Nach der Pause geht es weiter

Nach einer Prozess-Pause geht es nun weiter.

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