Darum gehts
- Streit um Zugang zu kantonalen Steuerdaten für Forschung und Planung
- Bundesrat will Daten zugänglich machen, im Parlament gibt es Widerstand
- Steuerdaten könnten wichtige Indikatoren sein, um Prognosen zu machen
Diese Frage geht alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Schweiz an: Wie viel Einblick sollen Forschende und der Bund in die Daten der kantonalen Steuerbehörden erhalten? Darüber debattiert der Nationalrat am kommenden Montag in der Sondersession.
Stein des Anstosses: Der Bundesrat hat angekündigt, dass die kantonalen Steuerdaten natürlicher Personen für Statistik, Forschung und Planung zugänglich gemacht werden sollen. Dagegen regt sich nun Widerstand im Parlament.
Bund möchte in die Steuererklärung schauen
Forscherinnen und Verwaltungsmitarbeitende sagen: Diese Daten seien wichtig, um beispielsweise aufzeigen zu können, welche Auswirkungen eine künftige Steuerreform hätte.
In einem Brief an die zuständigen Ständeräte stellt die Schweizerische Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik klar: «Gute Wirtschaftspolitik basiert auf einer möglichst verlässlichen empirischen Abschätzung der Folgen.» Doch die relevanten Steuerdaten liegen bisher bei den Kantonen – und der Bund hat so gut wie keinen Einblick.
Speziell: Bis heute verfügt etwa die Bundesverwaltung über keine Angaben zu den Vermögen der Schweizerinnen und Schweizern, weil es keine eidgenössische Vermögenssteuer gibt.
Würden die Kantone diese Daten jedoch dem Bund melden, könnte dieser viel besser prognostizieren, wie viele von der anstehenden Juso-Initiative «Initiative für eine Zukunft» betroffen wären und in welchem Mass, sagt Kurt Schmidheiny (55), Professor an der Uni Basel. Gleiches gelte für die Individualbesteuerung. Darum muss sich der Bund auf Schätzungen verlassen – oder bei den Kantonen um Daten bitten.
Angst vor «gläsernen Bürger»
Eine Mehrheit der Wirtschaftskommission warnt nun vor dem «gläsernen Bürger». In einer Motion fordert sie, dass die kantonalen Daten nur anonymisiert an den Bund übermittelt werden dürfen. «Die nicht anonymisierte Übermittlung von Steuerdaten an den Bund würde dem Vertrauensverhältnis zwischen den Steuerpflichtigen und den kantonalen Steuerverwaltungen schaden», heisst es im Vorstoss der Kommission.
Zudem befürchtet die Mehrheit der Kommission, ein zentrales Steuerregister könnte attraktiv für Hacker werden und somit anfälliger für Cyberdelikte sein.
Das Bundesamt für Statistik, das die relevanten Daten aus den Kantonen sammeln wollte, zeigt sich unzufrieden über die politischen Geschehnisse. Auf Anfrage von Blick heisst es dort, sogenannte «nicht anonymisierte Steuerdaten» seien der Schlüssel für eine zuverlässige Abschätzung der Folgen zahlreicher Reformvorhaben: «So ist zum Beispiel die Untersuchung der Armut in der Schweiz nur dann aussagekräftig, wenn zu den Steuerdaten Daten der Sozialhilfe und der Ergänzungsleistungen hinzugezogen werden.»
Konkret möchte das Bundesamt zum Beispiel untersuchen, wie hoch das Einkommen von Personen mit Sozialhilfe ist – und bei wie vielen von ihnen Kinder im gleichen Haushalt leben. Auch bei Caritas Schweiz heisst es, solche Daten seien entscheidend, um die Armut in der Schweiz realistisch abzubilden und wirksame Massnahmen dagegen zu entwickeln.