Darum gehts
- Schweizer Armee setzt Drohnenprojekt trotz Verzögerungen und Einschränkungen fort
- Drei wichtige Funktionen werden nicht umgesetzt, darunter das automatische Ausweichsystem
- Von sechs geplanten Drohnen könnten nur drei ohne Auflagen betrieben werden
Sechs israelische Aufklärungsdrohnen wollte die Armee bis Ende 2019 in Betrieb nehmen. Bis heute ist daraus nichts geworden: Das Hightech-Projekt ADS-15 verzögerte sich immer und immer wieder. Die Beschaffung der 300 Millionen Franken teuren Fluggeräte wurde für das Verteidigungsdepartement (VBS) zur Herkules-Aufgabe.
Der neue VBS-Chef Martin Pfister (62) liess deshalb direkt nach seinem Amtsantritt, das Projekt erneut durchleuchten. Es sollen Optionen aufgezeigt werden. Auch ein Abbruch war für den Mitte-Bundesrat denkbar. Jetzt ist klar: Das Millionen-Projekt wird weitergeführt – jedoch mit grossen Abstrichen. Armee-Kritiker wollen dagegen bis vor Gericht.
Drei Funktionen werden nicht umgesetzt
Schuld am Debakel ist laut den VBS-Verantwortlichen hauptsächlich die Lieferantin Elbit. Technische Probleme und Lieferschwierigkeiten brachten das Projekt nahe an den Absturz. «Die Lieferantin ist schwierig», sagte Pfister am Donnerstag vor den Medien.
«Doch auch wir haben nicht alles richtig gemacht», fügte der Verteidigungsminister an. Die «Helvetisierungen», also die zusätzlichen Funktionen, die die Schweizer Armee forderte, seien ebenfalls Teil des Problems.
Die Beschaffung abzubrechen und den bereits investierten Betrag zurückzufordern, würde jedoch in einem «Scherbenhaufen in Millionenhöhe» resultieren, sagte Rüstungschef Urs Loher (58) vor den Medien. Denn der Grossteil der rund 298 Millionen Franken wurden bereits an die israelische Firma Elbit überwiesen – es würden langwierige Rechtsstreitigkeiten drohen.
Stattdessen sollen die Drohnen in einer abgespeckten Variante in Betrieb genommen werden. Auf das automatische Ausweichsystem «Detect and Avoid», das System für GPS-unabhängige Starts und Landungen sowie auf Enteisungsgeräte für die hiesigen klimatischen Bedingungen soll verzichtet werden.
Drohnenflug nur unter Auflagen
Damit unterliegen die Hightech-Drohnen empfindlichen Einschränkungen: Im sogenannten «unkontrollierten Luftraum» – also auf einer Flughöhe bis 3000 Metern im Flachland und 4000 Metern in den Alpen – benötigen die Geräte ein Begleitflugzeug. Und bei eisigen Temperaturen sowie bei Bodennebel sind gar keine Flüge möglich. An wie vielen Tagen dies der Fall ist, können die Projektverantwortlichen aktuell noch nicht beziffern.
Damit nicht genug: Trotz der Verzichte harzt es weiterhin bei der Software und der Steuerung. Zudem hat Elbit laut Armasuisse bis heute nicht nachweisen können, dass die Drohnen regelkonform gefertigt wurden. Heisst: Sie heben aktuell nur unter Auflagen ab.
Armee-Kritiker wollen das Projekt stoppen
Zumindest bei zwei der sechs Drohnen könnte die Zulassung zu einem späteren Zeitpunkt doch noch eintreffen. Bei einem weiteren Modell steht ein Austausch in Aussicht. Neben bereits bezahlten Konventionalstrafen und Kompensationen hofft die Armee zudem auf weitere Zugeständnisse der Lieferantin. Sie übernehme etwa die Fixkosten des Servicevertrags über mindestens acht Jahre.
Dafür müsse jedoch zuerst noch ein verbindlicher Vertrag ausgearbeitet und unterzeichnet werden. Finden sich die Armee und Elbit nicht, könnte das Projekt doch noch gekappt werden. «Es gilt als letzte Option – ganz ausgeschlossen ist es aber nicht», sagte Loher.
Die Entwicklungen beim lahmenden Drohnenprojekt der Schweizer Armee rufen die Kritiker auf den Plan: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GsoA) hat angekündigt, gerichtlich gegen den Kauf vorzugehen. Man sei «empört», teilte die Organisation mit. Mit dem Verzicht auf wichtige Funktionen werde die Beschaffung mehr und mehr zur Farce.
Grosse Frust bei den Linken
Auch bei den linken Parteien ist der Frust gross: SP und Grüne fordern einen sofortigen Beschaffungsstopp «Das VBS ist ein Fass ohne Boden», sagt etwa Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli (53).
«Die sechs Hermes-Drohnen werden niemals leisten, was versprochen wurde», schreiben die Grünliberalen in einer Mitteilung. Der Verzicht auf bedeutende Funktionen müsse immerhin mit einer Senkung der Beschaffungskosten kompensiert werden. Zudem solle der Bundesrat endlich eingestehen, dass Schweizer Sonderwünsche immer wieder im Debakel enden.
Die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Mitte begrüssen dagegen grundsätzlich den Entscheid des VBS. «Wir bekommen zwar wesentliche Funktionen nicht, das tut weh», sagt SVP-Nationalrat Mauro Tuena (53). «Das Projekt abzubrechen bringt uns aber gar nichts. Damit verzichtet die Schweiz etwa auf einen wichtigen Teil des Grenzschutzes.» Das VBS solle nun schauen, dass es immerhin seine restlichen Projekte in den Griff kriege, so der Zürcher Politiker.
Vorteile würden dennoch überwiegen
«Ein Verzicht würde zu Lücken in der operationellen Fähigkeit unserer Armee führen», sagte auch Laurent Michaud (60), Chef Kommando Operationen, der neu für die Inbetriebnahme zuständig ist. Neben einfachen Aufklärungsmissionen im Ernstfall könnten die Drohnen auf Sparflamme der Armee etwa auch zu Ausbildungszwecken oder zur Überwachung von Armeestandorten dienen.
Ebenfalls sei denkbar, dass die Fluggeräte bei Katastrophenfällen, den Zoll- und Polizeibehörden sowie dem Geheimdienst als Unterstützung dienen. Laut Michaud sollen die Drohnen bis 2027 vollständig in Betrieb sein.