Darum gehts
- Blick zurück: Opulentes Bundesfeier-Buffet 1953 im Grandhotel Waldhaus Vulpera
- Luxusmenü mit importierten Delikatessen und üppig Fleisch
- Heute fallen Bundesfeiern meist bescheidener aus
Cantaloupe-Melone mit Portwein, Birchermüesli und helle Schildkrötensuppe – alles zur Vorspeise. Der Lachs kam aus der Loire, die Spargeln wurden aus Kalifornien eingeflogen – kostspielige Delikatessen. Es gab gefüllte Eier, Pastete in der Kruste, eine Galantine von Perigord-Poularden.
Dann Fleisch en masse: Kalbsrücken «Archiduchesse», Zunge «Écarlate», Poularden aus Bourg-en-Bresse – warm und kalt –, Rindskoteletts mit Frühlingsgemüse, diverse Schinken, Milchlammgigot mit Estragon, Rindsbrust mit Vinaigrette. Zum Abschluss: Glace-Coupe «Helvétique», Petits Fours, Früchte, Käse. Und das war nur eine Auswahl.
Was wie das Menü eines königlichen Banketts wirkt, wurde am 1. August 1953 an der Bundesfeier im Grandhotel Waldhaus in Vulpera GR aufgetischt. Das Buffet liess keine Wünsche offen, wie die Menükarte aus Privatbesitz zeigt. Sie ermöglicht einen Blick auf die Essgewohnheiten der damaligen Oberschicht.
Ohne Scheu vor Import und Dekadenz
War das legendäre Luxushotel im Unterengadin Schauplatz eines der opulentesten Bundesfeier-Essens, die die Schweiz je erlebt hat? Sicher sagen lässt sich das natürlich nicht – aber mit dem heutigen 1.-August-Brunch oder einem Grillplausch hatte das «Waldhaus»-Buffet kaum etwas gemein.
Schon damals mahnten Politiker und Kommentatoren am 1. August gern zur Bescheidenheit. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb in ihrem Leitartikel zur Bundesfeier 1953: Man pflege den Schweizer Nationalfeiertag «nach altem Brauch nicht in lärmendem Überschwang, sondern nach schlichter Weise zu begehen».
Aber im «Waldhaus»? Hier war Bescheidenheit kein Konzept. Die Feier setzte nicht auf Verzicht, sondern auf Überfluss. Ohne Scheu vor Import oder Dekadenz.
Selbst das Birchermüesli hatte seinen Platz – ob es ein «schonender Auftakt» war oder in abgewandelter Form serviert wurde, ist nicht überliefert. Unter Kurgästen galt es damals jedenfalls als magenberuhigend. Gut möglich also, dass es als leichte Einstimmung vor dem grossen Schlemmen gereicht wurde.
Wer am 1. August 1953 im «Waldhaus» unter den Gästen war, ist nicht öffentlich dokumentiert. Und auch nicht, ob ein prominenter Gast eine Ansprache hielt – wie es in früheren Jahren vorgekommen war.
Internationale Elite im Engadin
Das Waldhaus war ein Grandhotel von Weltrang – ein Ort, an dem sich die Elite erholte und verwöhnen liess. Zeitweise wurden bis zu 300 Gäste von ebenso vielen Angestellten umsorgt. Auch Bundesräte und ausländische Spitzenpolitiker zählten zu den Stammgästen. Der legendäre Bundesrat und Bauernführer Rudolf Minger (1881–1955) bekam sogar Spezialtarife.
Doch im Mai 1989 fiel das Hotel einem Grossbrand zum Opfer – mutmasslich Brandstiftung. Der Fall blieb ungeklärt, ein Wiederaufbau war nicht finanzierbar. Friedrich Dürrenmatt (1921–1990), langjähriger Gast im «Waldhaus», liess just 1989 in seinem letzten Roman «Durcheinandertal» ein Grandhotel abbrennen – kurz darauf brannte das echte «Waldhaus». Der Zufall beschäftigte ihn tief.
Erneut für Aufsehen sorgte ein 2021 veröffentlichtes Buch über die erhaltene «Waldhaus»-Gästekartei. Darin fanden sich nicht nur schillernde Namen, sondern auch fragwürdige Vermerke zu den Gästen. «Keine Ostergrüsse mehr! Die geheime Gästekartei des Grand Hotel Waldhaus in Vulpera» bietet bisher nie gesehene Einsichten.