Kritik an Elternzeit
«Drei Monate daheim hätten uns 12’000 Franken gekostet»

Väter wie Simon Preisig, die nach der Geburt länger als die gesetzlichen zwei Wochen zu Hause bleiben möchten, müssen das selbst finanzieren. Preisig erzählt, was das bedeutet – und wie eine echte Familienzeit auch Müttern helfen könnte.
Publiziert: 27.05.2025 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2025 um 15:52 Uhr
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Simon Preisig hätte seine Partnerin nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes gerne mehr unterstützt – doch die Kosten dafür waren zu hoch.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • Mit ihrer Mutter- und Vaterschaftszeit hinkt die Schweiz anderen Ländern hinterher
  • Das hat oft Folgen für die Eltern und führt zu einer Traditionalisierung der Rollen
  • Die geforderte Elternzeit von 36 Wochen würde 1,89 Milliarden kosten, könnte sich aber auszahlen
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Deborah BischofRedaktorin Politik

Als seine Frau schwanger ist, setzt sich Simon Preisig (35) ein Ziel: Er will ein gleichberechtigter Vater sein. Von Anfang an möchte er ähnlich viel Zeit in die Erziehung stecken und seine Partnerin in ihrer Karriere unterstützen. Dafür plant er eine Auszeit von drei bis vier Monaten.

Doch das System macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Gesetzlich hat er Anspruch auf zwei Wochen Vaterschaftszeit, sein Arbeitgeber schenkt ihm zwei weitere. Den Rest muss er selbst zahlen. Bei einem Pensum von 70 Prozent kommt er auf einen Verlust von 1200 Franken pro Woche. Davon zieht er die Steuern ab, die er durch den Erwerbsausfall sparen würde. Am Ende würden ihn drei zusätzliche Monate 12’000 Franken kosten.

Zu teuer, entscheiden er und seine Partnerin. Seine Auszeit schrumpft auf sechs Wochen. «Im Nachhinein erscheint es mir knauserig», erzählt Preisig, dessen Sohn mittlerweile knapp zwei Jahre alt ist. Als Mitarbeiter von Alliance F setzt sich Preisig politisch für eine längere Elternzeit ein.

Jede neunte Mutter verlässt Arbeitsmarkt

Als Folge übernimmt seine Partnerin damals mehr Betreuungsarbeit. Doch das Baby verweigert das Fläschchen. Als sie wieder arbeitet, muss sie täglich zur Kita fahren und das Kind stillen. Das Resultat: Sie ist erschöpft und ihr Wiedereinstieg in den Job misslingt.

Ein Szenario, das in der Schweiz häufig vorkommt. So arbeiten heute zwar 82 Prozent der Mütter, jede neunte steigt jedoch nach dem ersten Kind aus dem Arbeitsmarkt aus. Das zeigt eine Studie des Bundes von 2021. Zudem verdoppelt sich der Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen ab diesem Zeitpunkt. Auf die Erwerbsarbeit von Vätern hat die Geburt dagegen wenig Einfluss.

Dem entgegenwirken will die Elternzeit-Initiative. Sie fordert, dass die gesetzlichen 14 Wochen für Mütter und die zwei Wochen für Väter auf je 18 Wochen aufgestockt werden. Lanciert wurde die Initiative von Alliance F, Grünen, GLP, Travail Suisse und den Mitte-Frauen.

Schweiz weit hinter OECD-Ländern

«Das heutige System unterstützt das Ungleichgewicht», sagt Fabienne Forster (35). Sie ist Psychotherapeutin und berät vorwiegend junge Eltern. Bei vielen Paaren erlebe sie nach der Geburt einen «Traditionalisierungs-Shift». Verstärkt dadurch, dass Mütter nach der Geburt oftmals lang alleine zu Hause seien. Die Folge: Sie seien häufiger erschöpft, jede sechste erlebe gar eine postpartale Depression

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Die geplanten 18 Wochen pro Elternteil hält Forster für das Minimum. Für viele Mütter sei 14 Wochen zu früh für den beruflichen Wiedereinstieg, so Forster. Die Schweiz hinkt mit ihren 14 und 2 Wochen zudem weit hinterher. So liegt der Schnitt vergleichbarer Länder bei 52 Wochen Elternzeit. «Studien aus diesen Ländern zeigen, dass eine längere Elternzeit sich positiv auf die Gesundheit der Eltern und Kinder auswirkt», so Forster.

Gegner warnen vor hohen Kosten

Die Gegnerinnen und Gegner argumentieren, dass 36 Wochen zu teuer wären. «Das wäre eine erhebliche finanzielle Belastung für die Schweizer Wirtschaft und würde den Fachkräftemangel weiter verstärken», sagt FDP-Ständerat Josef Dittli (68, UR). Nach so einem langen Unterbruch könne es zudem insbesondere für die Mütter schwieriger werden, ihre Karriere nahtlos fortzusetzen, was der Gleichstellung entgegenwirke.

Stattdessen schlägt Dittli vor, bewährte Modelle weiterzuentwickeln, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, etwa durch flexiblere Kita-Angebote oder durch Stärkung individueller Lösungen im Dialog mit der Wirtschaft. Kürzlich sprach sich auch die zuständige Nationalratskommission gegen eine Ausdehnung der Elternzeit aus.

Tatsächlich würden 36 Wochen erhebliche Kosten verursachen. Eine Studie von Ecoplan schätzt die Entschädigungen auf 1,89 Milliarden Franken – doppelt so viel wie heute. Die Studie geht jedoch – gestützt auf Vergleiche mit anderen Ländern – davon aus, dass Frauen nach einer Elternzeit später im Schnitt 2,5 Prozent mehr verdienen. Damit wären die Mehrkosten durch Steuerbeträge und Sozialabgaben nach 25 Jahren gedeckt.

Kosten tragen die Familien

Von weit mehr geht Simon Preisig in seinem Fall aus. «Meine Partnerin würde heute 10 bis 20 Prozent mehr arbeiten und auch eher Karriere machen», sagt er. Weil die Belastung zu hoch war, habe sie den Job gewechselt und ihre Führungsposition abgegeben. Alles, was damals gefehlt habe, sei Zeit.

«Ich hätte mich als Vater auch mehr in der Verantwortung gefühlt», so Preisig. Denn es sei einfach zu sagen, dass eine Vaterschaftszeit zu viel koste – was auch stimme. «Die Kosten für ein Kind tragen wir als Familie, den Nutzen dagegen hat am Ende die Gesellschaft.» Für Preisig ist eine Elternzeit deshalb auch entscheidend, ob er ein zweites Kind haben will oder nicht.

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