«Das ist einfach nicht natürlich»
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Manuela über die Abnehmspritze:«Das ist einfach nicht natürlich»

Krankenkassen schlagen Alarm
Abnehmspritze kostet Prämienzahler Hunderte Millionen

2024 wurde ein neues Präparat – eine Abnehmspritze – in die Grundversicherung aufgenommen. Seither schnellen die Kosten in die Höhe. Jetzt fragen sich Politik und Krankenkassen: Gehört die Spritze wirklich in die Grundversicherung?
Publiziert: 05.07.2025 um 12:15 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2025 um 16:32 Uhr
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Abnehmspritzen sind im Trend. Mit einem Piks purzeln die Kilos.
Foto: IMAGO/NurPhoto

Darum gehts

  • Abnehmspritze in Grundversicherung aufgenommen, Krankenkassen schlagen Alarm
  • 2022-2024 über 350 Millionen kosten, Tendenz steigend
  • Kritik wegen fehlenden Studien zu Langzeitfolgen der Abnehmspritzen
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Nastasja HofmannRedaktorin Politik

Die Abnehmspritze ist als Wundermittel gegen überflüssige Kilos bekannt. In der ganzen Welt – auch in der Schweiz – entstand um den Kilopurzel-Piks in kurzer Zeit ein Riesentrend. Angedacht ist das Medikament für die Behandlung von Diabetes oder Übergewicht.

Lange war in der Schweiz nur ein Wirkstoff erhältlich, was durch die hohe Nachfrage zu Engpässen führte. Seit 2024 ist ein neues Präparat zugelassen, das von der Grundversicherung übernommen wird. Allerdings nur, wenn man ein Rezept für die Abnehmspritze erhält. Das gibt es für Personen mit starkem oder sehr starkem Übergewicht. Zusätzlich sind Diät und Sport zwingend. Dennoch schnellen die Zahlen in die Höhe.

Jetzt schaltet sich die Politik ein

Inzwischen schlagen die Krankenkassen Alarm. Denn Fachleute erwarten mittelfristig jährliche Kosten von bis zu 300 Millionen Franken – bezahlt von uns allen. Das sorgt nun für eine politische Debatte. Die grosse Frage lautet: Gehört die Abnehmspritze in die Grundversorgung?

Denn der Aufschrei der Versicherer blieb nicht ungehört. FDP-Ständerat Damian Müller (40, LU) verlangt jetzt in einem Vorstoss Antworten: «Aufgrund der hohen Kosten, die solidarisch von den Prämienzahlenden bezahlt werden, ist es zentral, dass die Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Medikamente genau beleuchtet werden.»

Was ist damit gemeint? Für eine Aufnahme in die Grundversicherung müssen neben der Zulassung durch Swissmedic genau diese drei Kriterien zu Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit erfüllt sein. Darüber entscheiden das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Arzneimittelkommission.

Hat das BAG zu schnell entschieden?

Das neue Präparat wurde in die Grundversicherung aufgenommen. Dieser Entscheid wird inzwischen aber von Kritikern hinterfragt. Erste Studien zeigen, dass Patienten wieder an Gewicht zulegen, sobald sie das Medikament absetzen. Ist die Wirksamkeit des Medikamentes also wirklich genug gegeben? Oder hat das BAG vorschnell gehandelt?

Auf Blick-Anfrage erläutert das BAG, dass das neue Präparat wegen fehlenden Langzeitstudien nur befristet auf 3 Jahre aufgenommen worden sei.«Das BAG wird die Kriterien engmaschig überwachen und vor Ablauf der Frist erneut prüfen.» Von einer überstürzten Aufnahme in die Grundversorgung könne aber nicht gesprochen werden, da die drei Kriterien sorgfältig abgeklärt wurden.

Krankenkassen bleiben skeptisch

Etwas anders sehen das die Krankenkassen. Die CSS betrachtet bei allen Wirkstoffen der Abnehmspritzen «die Wirtschaftlichkeit und die Wirksamkeit im Sinne der Nachhaltigkeit kritisch», wie sie auf Blick-Anfrage schreibt. Die Kasse findet es problematisch, dass beim neuen Wirkstoff die nötigen Kriterien nur erfüllt seien, weil angenommen würde, dass Gewichtsverlust automatisch Folgeerkrankungen oder Diabetes verhindere und so Kosten spare. Die drei angefragten Krankenkassen CSS, Groupe Mutuel und Helsana Versicherung sagen, dass dieser Nutzen bisher nicht ersichtlich sei.

Die Helsana schreibt, es sei «zu klären, ob diese Medikamente tatsächlich und langfristig einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung haben». Helsana vertritt zudem die Meinung, dass das BAG umsatzstarke Medikamente jährlich überprüfen sollte, um «einen Preiszerfall zu beschleunigen».

Fakt ist: Nur ein Unternehmen produziert die in der Schweiz zugelassenen Abnehmspritzen: Novo Nordisk Pharma AG aus Dänemark. Eine Monatspackung kostet knapp 190 Franken. Da der Patentschutz der Medikamente 2026 in Kanada fällt, dürfte es aber so oder so nicht mehr lange dauern, bis die Novo Nordisk Produkte Konkurrenz bekommen.


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