Kokainwelle überrollt das Land
Chef der Bundeskriminalpolizei warnt vor Drogenkrieg in der Schweiz

Die Kokainwelle in Europa treibt die Gewalt an. In der Schweiz hat sich der Konsum in zehn Jahren verdoppelt. Der Chef der Bundeskriminalpolizei warnt eindringlich – und fordert 5 bis 10 neue Stellen jährlich zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
Publiziert: 19.04.2025 um 05:21 Uhr
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Aktualisiert: 19.04.2025 um 10:06 Uhr
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Kriminelle Gruppen, die in den Kokainhandel verwickelt sind, stellen die Strafverfolgungsbehörden vor grosse Herausforderungen.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Bundeskriminalpolizei-Chef warnt vor zunehmender Drogengewalt in der Schweiz
  • Kriminelle Gruppen infiltrieren Politik, Verwaltung und Finanzplatz
  • Kokainkonsum in der Schweiz hat sich in zehn Jahren verdoppelt
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Der Chef der Bundeskriminalpolizei, Yanis Callandret (50), hat in einem Interview eindringlich vor einer Zuspitzung der Drogengewalt in der Schweiz gewarnt. Diese sei bereits angekommen, etwa in Form von Schiessereien in Genf, sagte Callandret zu den Tamedia-Zeitungen. «Es steht ausser Frage: Die Situation in der Schweiz verschärft sich.»

«Wir befinden uns in Europa in einer Eskalation der Gewalt. Wir sehen keinen Grund, wieso die Schweiz vom Drogenkrieg verschont bleiben sollte», fügte der Chef der Bundeskriminalpolizei hinzu. Selbst in bislang als ruhig geltenden Ländern wie Belgien, Holland oder Schweden führten Banden ihre Abrechnungen inzwischen mit Sprengstoffanschlägen statt mit Pistolen durch.

Die zunehmende Gewalt werde teilweise durch die Kokainwelle ausgelöst, die derzeit über Europa hinwegrolle. Die kriminellen Gruppen seien international organisiert, ihr Ziel sei es, Geld zu verdienen, sich in der Wirtschaft zu etablieren und Einfluss auf die Politik zu nehmen. In der Schweiz habe sich der Kokainkonsum in den letzten zehn Jahren verdoppelt, sagte Callandret unter Verweis auf Abwasseranalysen.

Zahlreiche kriminelle Gruppen

Laut Callandret sind auch hierzulande mehrere Organisationen aktiv, darunter die kalabrische ’Ndrangheta, Gruppen aus Albanien, Serbien, Nigeria und der Türkei sowie Motorradclubs wie die Hells Angels. 

Es bestehe die Gefahr, dass solche Gruppierungen Politik, Verwaltung oder den Finanzplatz infiltrierten. «Diese kriminellen Organisationen pflegen Kontakte und nisten sich in Kreisen ein, die es ihnen ermöglichen, informiert, geschützt und begünstigt zu werden», sagte Callandret. Besonders bei der italienischen Mafia sei das Infiltrationsrisiko erhöht.

Zur Bekämpfung forderte Callandret mehr Personal. Derzeit seien rund 40 Ermittler im Bereich Drogen und organisierte Kriminalität tätig – zu wenig, wie er betonte. Sparmassnahmen hätten dazu geführt, dass Personal in den letzten Jahren eher ab- als ausgebaut worden sei.

«Vernünftig wären 5 bis 10 Stellen pro Jahr über eine längere Zeit», sagte er über das benötigte zusätzliche Personal. Bundesanwalt und Kantone würden ebenfalls Alarm schlagen, unterstrich Callandret abschliessend: «Wir malen nicht den Teufel an die Wand.»

Eskalation der Gewalt in anderen Ländern

Verhältnisse wie in anderen Ländern? Auch Bundesanwalt Stefan Blättler (66) ist besorgt über die Bandenkriminalität – und weist auf die knappen Ressourcen der Behörden hin. Er sagte Anfang Jahr in einem Interview: Die Schweiz müsse aufpassen, «dass wir nicht irgendwann Verhältnisse haben wie in den Vororten in Belgien oder Schweden, wo die Spuren von Bandenkriminalität jetzt deutlich sichtbar geworden sind – mit Schiessereien, Dutzenden Toten und Schutzgelderpressung».

Besonders Belgien kämpft mit den Folgen des Kokainhandels. Die Stadt Antwerpen ist ein zentraler Umschlagplatz für Drogen, was zu einer Eskalation der Gewalt zwischen rivalisierenden Gruppen führte. Die Probleme verlagern sich zunehmend in die Vororte Brüssels.

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