Kampf um kantonale Mindestlöhne – Gewerkschaften warnen vor neuem Gesetz
«In Genf verliert eine Coiffeuse 250 Franken im Monat»

Fünf Kantone haben kantonale Mindestlöhne eingeführt. Doch dieses stehen unter Beschuss. Nun warnen die Gewerkschaften vor Lohnsenkungen. Und erhalten Rückendeckung aus den Kantonen. Eine Allianz der besonderen Art.
Publiziert: 27.05.2025 um 09:30 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2025 um 09:47 Uhr
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Fünf Kantone kennen derzeit eigene kantonale Mindestlöhne zwischen 20 und 24.50 Franken. Die Bürgerlichen wollen deren Geltung einschränken.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Angriff auf kantonale Mindestlöhne: Gewerkschaften warnen vor Lohnsenkungen
  • Kantone und Bundesrat stellen sich gegen die geplante Gesetzesänderung
  • Fünf Kantone haben Mindestlöhne zwischen 20 und 24.50 Franken pro Stunde
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Die Gewerkschaften wetzen bereits die Messer, das Referendum liegt in der Luft. Und in der Sommersession ist eine hitzige Debatte programmiert, wenn der Nationalrat über kantonale Mindestlöhne diskutiert.

Fünf Kantone kennen bereits eigene Mindestlöhne. Diese variieren zwischen 20 Franken im Tessin und 24.50 Franken in Genf pro Stunde.

Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien wollen diese nun kappen. Zumindest dann, wenn die Sozialpartner in einem allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) tiefere Löhne vereinbaren. Dann gehen Letztere den besseren kantonalen Mindestlöhnen vor. 

Es geht um Hunderte Franken

Dieser Angriff treibt den Gewerkschaftsbund auf die Barrikaden. Er spricht bereits von einem Lohnsenkungsgesetz. «Das Bundesparlament würde erstmals die Löhne von Berufstätigen senken», warnte SGB-Chefökonom Daniel Lampart (56) am Dienstag vor den Medien in Bern. 

Betroffen wären Tausende Angestellte in den Kantonen Genf und Neuenburg, wo der kantonale Mindestlohn tieferen GAV-Löhnen vorgeht. In Genf hätten 6,2 Prozent der Berufstätigen mehr Lohn erhalten, in Neuenburg 2,5 Prozent. Insbesondere Frauen stünden wirtschaftlich besser da.

Mit der neuen Vorlage werde der Lohnschutz wieder verschlechtert, kritisierte Lampart. «Gegen den Willen der Bevölkerung vor Ort, die sich für einen wirksamen Lohnschutz ausgesprochen hat.»

Unia-Chefin Vania Alleva (55) machte die Rechnung: «In Genf verliert eine gelernte Coiffeuse mit drei oder mehr Jahren Berufserfahrung bis zu 250 Franken im Monat. Eine angelernte Mitarbeiterin in der Textilreinigung sogar über 350 Franken.» In ganzen Branchen könnten die Löhne wieder auf ein tieferes Niveau zurückfallen. «Das ist eine Frechheit.»

Rückendeckung von Kantonen

Rückendeckung erhalten die Gewerkschaften von ungewohnter Seite: den Kantonen. So spricht die Westschweizer Regierungskonferenz in einem letzte Woche verschickten Schreiben an die Nationalräte von einem «Angriff auf die Autonomie der Kantone und auf den Föderalismus».

Die Kantone hätten das Recht, eigene Regelungen zur Sozialpolitik – und damit auch Mindestlöhne – zu erlassen, heisst es im vom Berner SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (62) unterzeichneten Brief. 

Ähnlich äussert sich auch die Volkswirtschaftsdirektoren-Konferenz. Diese erinnert die Parlamentarier daran, dass die Vorlage von 25 Kantonsregierungen abgelehnt wird. Mit dem Bundesgesetz würden kantonale Volksentscheide missachtet, moniert der Urner Mitte-Regierungsrat Urban Camenzind (59). 

Bundesrat explizit dagegen

Selbst der Bundesrat, der die Vorlage im Auftrag des Parlaments ausarbeiten musste, sperrt sich explizit gegen die Änderung. So mahnte SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) stets, dass ein derart weitreichender Eingriff hinsichtlich Demokratie und Föderalismus problematisch wäre.

Eine spannende Konstellation also, stellen sich damit doch auch bürgerliche Exponenten gegen die Gesetzesrevision, welche der Obwaldner Mitte-Ständerat Erich Ettlin (62) mit einer Motion angestossen hat.

Kommt es dereinst zu einer Volksabstimmung, treten Linke und Föderalisten gemeinsam an. Eine Allianz der besonderen Art. 

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